Robeco: Ausbleibende Einigung im Handelsstreit könnte „Double Whammy“ nach sich ziehen

Handel

Das Risiko, dass ein Handelsabkommen zwischen China und den USA nicht zustande kommt, scheint deutlich gestiegen. In ihrem aktuellen Kommentar erörtert Fabiana Fedeli, Global Head of Fundamental Equities bei Robeco, mögliche Folgen.

15.05.2019 | 11:43 Uhr

Unser Grundgedanke bleibt, dass die USA und China ein Handelsabkommen abschließen werden, da beide Länder dies benötigen. Allerdings ist das Restrisiko, dass eine Einigung nicht zustande kommt oder sich deutlich verzögert, deutlich gestiegen. Obwohl die Ankündigung von höheren Strafzöllen wahrscheinlich eine Verhandlungstaktik der USA sein wird, ist sie eine risikoreiche Strategie. Denn es besteht die reale Gefahr, dass die Chinesen den Preis einer Einwilligung – und damit des „Gesichtsverlusts" – zu hoch ansetzen und sich vom Verhandlungstisch zurückziehen.

Wichtig ist, dass nicht alles verloren ist, zumindest noch nicht: Die Ankündigung vom letzten Donnerstag lässt Raum dafür, dass in der Praxis keine Zölle erhoben werden. Waren, die vor dem 10. Mai exportiert wurden, werden zu dem bisherigen Satz von 10 Prozent eingeführt. Das bedeutet, dass der größte Teil der Sonderzölle in der Praxis erst in zwei oder drei Wochen erhoben wird, da dies ungefähr die Zeit ist, die benötigt wird, bis Sendungen aus China die USA erreichen. Dieser Zeitraum könnte China und den USA die Möglichkeit bieten, weiter zu verhandeln und ein Abkommen abzuschließen.

US-Binnenwirtschaft könnte weniger stark betroffen sein

Die Märkte verfolgen die Entwicklung sehr genau. Wenn der Nachrichtenfluss negativ bleibt und auf ein Scheitern der Handelsgespräche hinweist, erwarten wir, dass die Aktienmärkte negativ reagieren. Damit die Börsen dagegen weiterhin positiv bleiben, ist ein Handelsabkommen aus zwei Gründen notwendig: Erstens, weil die Aufnahme von Verhandlungen eine wichtige Säule der verbesserten Investorenstimmung war und jede negative Nachricht wieder eine Bärenmarktreaktion auslösen könnte.

Und zweitens, weil es ein erster Schritt zur Wiederbelebung der geschwächten globalen Wirtschaftstätigkeit wäre. Ein Großteil der Verlangsamung der globalen Konjunktur, die wir in den letzten Monaten erlebt haben, ist auf die direkten und indirekten Folgen des Handelsstreits zurückzuführen, da Unternehmen entweder direkt betroffen waren oder mit ihren Ausgabenplänen vorsichtiger geworden sind.

Sollte es keine Einigung geben, würden die Aktienmärkte mit dem sogenannten „Double Whammy“ konfrontiert – es würden zwei unangenehme Dinge zur selben Zeit passieren. Auf der einen Seite könnten die Einnahmen beeinträchtigt werden, da sowohl Exporteure als auch Importeure leiden, je nachdem, auf welcher Seite der Handelszölle sie sitzen. Auf der anderen Seite könnte der Inflationsdruck in den USA zunehmen, was die US-Notenbank Fed zu Zinserhöhungen veranlassen würde.

Während die Märkte in diesem Szenario in allen Regionen voraussichtlich schwach sein werden, werden sich US-Aktien, wie es oft der Fall ist, relativ besser entwickeln, da die Binnenwirtschaft weniger stark betroffen sein wird als die Schwellenländer, Europa und Japan. Innerhalb der Emerging Markets erwarten wir, dass China betroffen sein wird, gefolgt von exportorientierten Märkten Nordasiens wie Südkorea und Taiwan.

Unternehmensgewinne leiden unter den Handelsstreitigkeiten

Die Unternehmensgewinne, die ein wichtiger Treiber der Aktienmärkte sind, sind die wahrscheinlichsten Opfer längerer Handelsstreitigkeiten. Das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) insgesamt dürfte insbesondere auf längere Sicht weniger stark beeinflusst werden, da Handelsströme und Lieferketten auf verschiedene Märkte umgelenkt werden können. Aber die Zölle dürften die Unternehmenserträge sowohl für Exporteure als auch für Importeure erheblich beeinträchtigen. Das gilt nicht nur kurzfristig, weil Exporteure Geschäft verlieren und sich für Importeure Rohstoffe und Vorprodukte verteuern würden, sondern auch langfristig, da Unternehmen ihre Lieferketten aus China heraus verlagern müssten.

Die Auswirkungen auf die Exporteure würden nicht nur für chinesische Unternehmen gelten, sondern auch für Gesellschaften in Ländern, die die chinesische Lieferkette unterstützen, wie Korea, Taiwan, Japan und Deutschland. Gleichzeitig würden die US-Unternehmen, die die betroffenen Produkte importieren, mit erhöhten Kosten konfrontiert, und die US-Exporteure würden Störungen durch Zölle erleiden, die China wahrscheinlich als Gegenmaßnahme durchsetzen wird.

Maßnahmen zum Ausgleich der Auslandsnachfrage

Die Auswirkungen auf das BIP in China dürften ebenfalls negativ ausfallen, wenngleich auch geringer, da einige Exporte von den USA in andere Länder umgeleitet werden (z. B. sind die chinesischen Exporte in die USA von Januar bis April um 10 Prozent gegenüber dem Vorjahr gesunken, während die Exporte in die Europäische Union (EU) und den Verband südostasiatischer Staaten (ASEAN) um etwa 8 Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen sind). Wir schätzen, dass die gesamten negativen Auswirkungen auf das chinesische BIP durch die laufenden Zölle sowie die angekündigte Erhöhung auf 25 Prozent für Importe im Umfang von 200 Milliarden US-Dollar zu Einbußen von rund 0,5 Prozent der Wirtschaftsleistung führen könnten. Längerfristig würden die Auswirkungen auf das BIP jedoch abnehmen.

Um die negativen Effekte bei der Auslandsnachfrage auf die Wirtschaft auszugleichen, dürfte China die Konjunkturmaßnahmen verstärken und die inländischen Strukturreformen beschleunigen. Sie werden sich voraussichtlich auf die Ankurbelung des Konsums, die Innovationsförderung, eine erweiterte Marktöffnung und intensivierten Reformen zur Aktivierung der Inlandsnachfrage konzentrieren.

Letztendlich werden sich diese positiv auf die chinesische Wirtschaft auswirken und die Beeinträchtigungen der Zölle nicht nur auf die chinesische Wirtschaft, sondern auch auf die internationalen Handelspartner Chinas abschwächen. Darüber hinaus könnten einige Länder von der Verlagerung von Lieferketten weg von China profitieren. In jüngster Zeit haben wir gesehen, dass Hersteller darüber nachdenken, Produktionsstätten in Länder wie Vietnam und Südostasien zu verlegen.

Einige US-Unternehmen könnten sich zudem entscheiden, im Inland zu produzieren.

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