Tom Ross, Portfoliomanager für Unternehmensanleihen, geht davon aus, dass die High-Yield-Renditen 2022 nach einer längeren Phase der Spread-Verengung stärker auf dem Verständnis der Mechanismen der Fundamentaldaten einzelner Unternehmen basieren werden.
29.12.2021 | 07:22 Uhr
Seit den düsteren Tagen Anfang 2020 bis zum Jahresende 2021 ist einiges passiert. Die Kreditspreads (Mehrrendite einer Unternehmensanleihe gegenüber einer Staatsanleihe mit gleicher Laufzeit) haben sich von ihren Höchstständen im letzten Jahrzehnt verabschiedet. Das geldpolitische Umfeld war durchweg günstig. Niedrigzinsen und Anleihenkaufprogramme haben die Finanzierungskosten auf niedrigem Niveau verankert. Hinzu kamen weitgehend günstige Kreditbedingungen dank des Aufschwungs und der Bemühungen von Unternehmen, mit den steigenden liquiden Mitteln ihre hohen Schuldenberge abzubauen. 2022 wird dieser günstige geldpolitische Hintergrund verblassen. Dann werden die Einzelergebnisse von Emittenten für die Gesamtrendite maßgeblich sein.
Die Währungshüter haben bereits eine Straffung ihrer Geldpolitik signalisiert. Ihre Pläne könnten allerdings von neuen, potenziell besorgniserregenden COVID-Varianten durchkreuzt werden. In der ersten Jahreshälfte 2022 dürften Inflationsängste starke Kursschwankungen verursachen. Der Preisschub könnte im Jahresverlauf 2022 nachlassen, sofern die Lieferketten wieder in Gang kommen und die disinflationären demografischen und technischen Faktoren wieder die Oberhand gewinnen. Etwaige Zinserhöhungen dürften vor diesem Hintergrund verhalten ausfallen. Hochzinsanleihen haben in der Vergangenheit in einem inflationären Umfeld Investment Grade Bonds den Rang abgelaufen. Das wird unseres Erachtens vermutlich auch so bleiben. Wir sind uns allerdings bewusst, dass die Anfangsrenditen und Kreditspreads relativ niedrig sind. Ein zentraler Aspekt ist für uns die Unterscheidung zwischen Unternehmen, die Kostensteigerungen weitergeben können und Akteuren, deren Margen schrumpfen könnten.
Besonders interessant für uns ist der Grenzbereich zwischen Investment Grade und High Yield. Hier sind die Bewertungen häufig ineffizient und wir gehen davon aus, dass in diesem Bereich mehr Unternehmen von der der Kategorie High Yield auf Investment Grade hochgestuft werden. Das könnte unter anderem bei einigen Emittenten geschehen, die auf dem Höhepunkt der Coronakrise 2020 herabgestuft wurden. Der Renditeaufschlag einer BB-Hochzinsanleihe und einer BBB-Investment-Grade-Anleihe liegt nach wie vor weit auseinander und birgt somit Potenzial für eine Spread-Verengung, da bestimmte Emittenten schrittweise hochgestuft werden. Das Spread-Verhältnis (BB-Spreads geteilt durch BBB-Spreads) liegt unweit des Höchststands in den letzten zehn Jahren. Das deutet auf höhere relative Bewertungsunterschiede (Relative Value) bei BB-Anleihen hin.
Abbildung 1: BB/BBB-Spread-Verhältnis
Quelle: Bloomberg, ICE BofA BBB US Corporate Index, ICE BofA BB US High Yield Index, ICE BofA BBB Euro Corporate Index, ICE BofA BB Euro High Yield Index, Govt OAS, 25. November 2011 bis 26. November 2021.
Wir befinden uns zwar wohl noch in der Zyklusmitte, aber die Kreditspreads liegen selbst unter Berücksichtigung der Weitung Ende 2021 näher an den Werten des Spätzyklus. Bei Emittenten herrscht inzwischen zunehmend die Unsitte, Fremdmittel erneut zur Ankurbelung von Übernahmeaktivitäten zu nutzen. Die Qualität der Covenants (Anleihebedingungen, wie z. B. Erhöhung des Kuponzahlungen für eine Anleihe, wenn ein Unternehmen bestimmte Finanzkennzahlen nicht einhält) hat sich inzwischen verschlechtert. Das ist häufig der Fall, wenn Emittenten und Anleger besonders zuversichtlich sind. Wir müssen allerdings darauf achten, dass die Renditen und Bedingungen einen angemessenen Ausgleich für die Risiken bieten. Daher wird eine strenge Kreditanalyse 2022 noch wichtiger sein.
Unternehmen dürften sich um Refinanzierungen bemühen, solange die Renditen noch relativ niedrig sind, um vor allem vergleichsweise teure Anleihen abzulösen, die auf dem Höhepunkt der pandemiebedingten Krise ausgegeben wurden. Die Ausfallquote dürfte extrem niedrig bleiben. Sofern keine neuen harten Lockdowns verhängt werden, dürfte sich die Weltwirtschaft weiter erholen. Die globale Ausfallrate bei Hochzinsanleihen wird daher voraussichtlich 2022 kaum 3% übersteigen, und selbst dann deutlich unter dem 20-Jahres-Durchschnitt von fast 4 % bleiben.1 Der chinesische Immobiliensektor könnte zusätzliche Volatilität bescheren, wenn die Märkte feststellen, wie streng die Behörden die Verschuldung eindämmen. Die USA als Region bieten für uns nach wie vor die beste Mischung aus Renditen und robust wachsender Binnenwirtschaft. Gleichzeitig erscheinen uns die Spreads in Europa nach der jüngsten Weitung immer verlockender.
Die UN-Klimakonferenz in Glasgow ist vorbei und der Weg zu mehr Nachhaltigkeit ist klar vorgezeichnet. Wir gehen davon aus, dass nachhaltige Anleihen weiter hoch im Kurs stehen werden. Emittenten werden sich bemühen, ihre ESG-Referenzen (Umwelt, Soziales und nachhaltige Unternehmensführung) aufzupolieren, während Anleger verlangen, dass ihr Geld in Unternehmen fließt, die sich diesen Themen annehmen. Nachhaltigkeit dürfte im Finanzsektor langfristig eine Rolle spielen und Unternehmen, die ESG-Kriterien berücksichtigen, werden voraussichtlich mit niedrigeren Kapitalkosten belohnt.
Negative Realrenditen bei den meisten Festzinspapieren werden vermutlich bewirken, dass Anleger sich stärker auf die Hochzinssegmente des Marktes konzentrieren. Die Bewertungen dämpfen unsere positive Einschätzung, da Hochzinsanleihen wegen der starken Nachfrage nicht mehr billig sind. Am Markt könnte es daher phasenweise erhöhte Schwankungen geben, die wir allerdings als potenzielle Kaufgelegenheit betrachten würden.
1 Quelle: Moody’s, Global Speculative Grade trailing 12-month default rate, 31. Oktober 2001 bis 31. Oktober 2021.
Kupon: Regelmäßige
Zinszahlung auf eine Anleihe. Sie wird in Prozent des Nennwerts einer
Anlage angegeben. Bei einer Anleihe mit einem Nennwert von 100 USD und
einem jährlichen Kupon von 5% erhält der Anleger beispielsweise jährlich
5 USD Zinsen.
Kreditzyklus: Der
Kreditzyklus bezeichnet die Ausweitung bzw. Verengung des Zugangs zu
Krediten (Darlehen) im Laufe der Zeit. Er steht im Zusammenhang mit
Veränderungen in der Wirtschaft und der Geldpolitik der Zentralbanken.
Kreditrating: Eine
Bewertung, die einem Kreditnehmer auf der Grundlage seiner
Kreditwürdigkeit zugewiesen wird. Das Rating kann eine Regierung oder
ein Unternehmen betreffen, oder auch nur einzelne Schuldtitel oder
Finanzverbindlichkeiten dieser Regierungen oder Unternehmen. Eine
Körperschaft, die Investment-Grade-Anleihen ausgibt, hat in der Regel
ein höheres Kreditrating als eine, die hochverzinsliche Anleihen
ausgibt. Das Rating wird normalerweise von Ratingagenturen wie Standard
& Poor’s oder Fitch vergeben, die standardisierte Bewertungen wie
„AAA“ (ein hohes Kreditrating) oder „B-“ (ein niedriges Kreditrating)
verwenden. Moody's, eine andere weithin bekannte Ratingagentur,
verwendet mit Aaa (ein hohes Kreditrating) und B3 (ein niedriges
Kreditrating) ein etwas anderes Format.
Kreditspread/Spread: Renditeunterschied
zwischen Wertpapieren mit ähnlicher Restlaufzeit, aber unterschiedlicher
Bonität, z. B. Renditeabstand zwischen einer
Hochzins-Unternehmensanleihe und einer Staatsanleihe mit gleicher
Laufzeit. Eine Spread-Weitung deutet im Allgemeinen auf eine
Verschlechterung der Bonität von Emittenten hin, eine Verengung dagegen
auf eine Verbesserung der Bonität.
Ausfall: Wenn ein
Anleiheemittent seinen Rückzahlungsverpflichtungen gegenüber den
Anleihegläubigern nicht nachkommt. Die Ausfallrate gibt den Prozentsatz
der Anleiheausfälle innerhalb eines definierten Marktes über einen
bestimmten Zeitraum an.
Umwelt, Soziales, Unternehmensführung (Environmental, Social and Governance, ESG). Drei
Schlüsselkriterien für die Bewertung der ethischen Auswirkungen und
Nachhaltigkeit eines Unternehmens. Bei ESG oder nachhaltigem Investieren
werden Faktoren berücksichtigt, die über die traditionelle
Finanzanalyse hinausgehen. Das kann das Anlageuniversum einschränken und
dazu führen, dass Performance und Risiken sich von denen am Gesamtmarkt
unterscheiden und möglicherweise stärker auf bestimmte Bereiche
konzentriert sind.
Investment-Grade-Anleihe: Eine
Anleihe, die in der Regel von Regierungen oder Unternehmen mit relativ
geringem Zahlungsausfallrisiko begeben wird. Die höhere Bonität dieser
Anleihen spiegelt sich in den höheren Ratings im Vergleich zu Anleihen
wider, denen ein höheres Ausfallrisiko zugeschrieben wird, wie z. B.
Hochzinsanleihen.
Geldpolitik/Stimulierung Straffung: Die
Politik einer Zentralbank, die darauf abzielt, die Inflation und das
Wachstum in einer Volkswirtschaft zu beeinflussen. Hierzu zählt die
Steuerung der Zinssätze und der Geldmenge. Der Begriff geldpolitische
Stimulierung bezieht sich auf die Erhöhung der Geldmenge durch eine
Zentralbank und die Senkung der Kreditkosten. Mit geldpolitischer
Straffung werden Maßnahmen der Zentralbanken bezeichnet, die darauf
abzielen, die Inflation einzudämmen und das Wirtschaftswachstum zu
verlangsamen, indem die Zinsen erhöht und die Geldmenge verringert
werden.
Volatilität: Das Ausmaß,
in dem der Preis eines Portfolios, eines Wertpapiers oder eines Index
nach oben und unten schwankt. Starke Schwankungen bedeuten eine hohe
Volatilität.
Rendite: Ertrag aus einem Wertpapier, in der Regel angegeben in Prozent.
Die vorstehenden Einschätzungen sind die des Autors zum Zeitpunkt der Veröffentlichung und können von denen anderer Personen/Teams bei Janus Henderson Investors abweichen. Die Bezugnahme auf einzelne Wertpapiere, Fonds, Sektoren oder Indizes in diesem Artikel stellt weder ein Angebot oder eine Aufforderung zu deren Erwerb oder Verkauf dar, noch ist sie Teil eines solchen Angebots oder einer solchen Aufforderung.
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