Die Immobilienbranche hat ein Bauproblem. Die Treibhausgasemissionen steigen und gefährden die Cashflows und sogar die Immobilien-Assets selbst.
31.01.2024 | 08:42 Uhr
Robecos Modell des sektoralen Dekarbonisierungspfads (SDP) hilft Investoren bei der Quantifizierung von Übergangsrisiken und beim Aufbau von übergangsfähigen Positionen im Immobiliensektor.
Die
Verringerung der Emissionen in der bebauten Umwelt ist entscheidend für
die Erreichung der Ziele des Pariser Klimaabkommens. Dies ist auch
entscheidend für die Verringerung der physischen Risiken und der
Übergangsrisiken in Immobilienportfolios. Aber es gibt nicht nur Risiken
und keine Rendite – es gibt auch Anlagechancen.
Das SDP-Modell von Robeco wurde entwickelt, um die Immobilienfirmen zu
identifizieren, die dem Risiko am stärksten ausgesetzt sind – aber auch
diejenigen, die am besten positioniert sind, um vom Übergang zum
Netto-Null-Ziel zu profitieren. Dazu konzentriert sich das Modell auf
vier Schlüsselbereiche:
Messung der Ausrichtung der Emissionspfade von Unternehmen auf wissenschaftlich fundierte Benchmarks
Test der Realisierbarkeit und Glaubwürdigkeit der geplanten Emissionsminderungen von Unternehmen
Schätzung der Kosten und der künftigen finanziellen Auswirkungen von „grünen und sauberen“ Investitionen
Evaluierung von Form, Geschwindigkeit und Effekten von Regulierungen und anderen Marktfaktoren
Gebäude
verursachen fast 26 % aller weltweiten Treibhausgasemissionen, was sie
zu einem der emissionsintensivsten Wirtschaftsbereichen macht.1,2
Um die in Paris vereinbarten Klimaziele zu erreichen, müssen die
Emissionen gegenüber dem derzeitigen Stand drastisch sinken (siehe
Abbildung 1). Angesichts der Energieineffizienzen und der starken
Abhängigkeit bestehender Gebäude von fossilen Brennstoffen stellt dies
eine Herausforderung dar. Darüber hinaus wird erwartet, dass die
Gesamtgebäudefläche in den nächsten zehn Jahren weltweit um 20 % zunimmt
– das ist mehr als die bestehende Fläche in Nordamerika. Ohne
Gegenmaßnahmen werden die Emissionen ebenfalls zunehmen, was die
Bemühungen zur Bekämpfung des Klimawandels scheitern lassen könnte.
Quelle: Robeco, IEA, https://www.iea.org/data-and-statistics/charts/global-co2-emissions-from-the-operation-of-buildings-in-the-net-zero-scenario-2010-2030. License: CC BY 4.0
Noch wichtiger ist, dass ein Verzicht auf die Verringerung des Energieverbrauchs und der Emissionen die Risiken des Sektors für den Übergang und sogar für „Stranded Assets“ erhöht. Denn ordnungspolitische Maßnahmen und Mieterpräferenzen machen emissionsintensive Immobilien unattraktiv. Auch die physischen Risiken nehmen zu: Hitzewellen, Waldbrände, Überschwemmungen im Sommer und Kälteeinbrüche im Winter überfordern die Energienetze und Gebäudesysteme. Trotz der Unannehmlichkeiten für die Mieter wird die Hauptlast der Schäden von den Immobilieneigentümern, den Betreibern und ihren Versicherern getragen werden.
Daten für das prognostizierte Klimarisiko im MSCI Global Annual Property
Index. Die Klimarisiken, mit denen Immobilienunternehmen konfrontiert
sind, bestehen im Hinblick auf den Übergang und in physischer Hinsicht.
Quelle: MSCI, 2022, UNEP
Das Modell ist auf börsennotierte Unternehmen ausgerichtet, die Immobilien besitzen oder verwalten. Es misst die Emissionen von Unternehmen auf Basis von Lücken bei der Angleichung an wissenschaftlich fundierte sektorbezogene Benchmarks. Um die Anwendung auf Anlageportfolios zu vereinfachen, haben wir für jedes analysierte Immobilienunternehmen einen einzigen Dekarbonisierungs-Score entwickelt. Der Score, der von 1 bis 100 (am schlechtesten bis am besten) reicht, ist das Ergebnis mehrerer Analysen, die die vergangene, gegenwärtige und zukünftige Emissionsintensität eines Unternehmens anhand international anerkannter und wissenschaftlich fundierter Branchenstandards messen (siehe Grafik 3 für ein Unternehmensbeispiel).3
Quelle: Robeco, IEA, 2023.
Ein hoher Dekarbonisierungs-Score könnte eine geringere Lücke zwischen
der Emissionsintensität und den Benchmarks der Branche widerspiegeln.
Dies hilft dabei, Vorreiter mit ausgeprägter Dekarbonisierungsdynamik zu
identifizieren.
Ein hoher
Score kann auch bedeuten, dass Unternehmen (selbst solche mit hoher
Emissionsintensität) die vor ihnen liegende Arbeit erkannt und sich
verpflichtet haben, diese Emissionen auf das erforderliche Niveau zu
reduzieren. Obwohl die Scores in erster Linie dazu dienen, die
Dekarbonisierungsleistung von Unternehmen im Immobiliensektor zu
vergleichen, sind sie so konzipiert, dass sie über Sektoren und
Anlageuniversen hinweg vergleichbar sind.
Obwohl
die Emissionszusagen der Unternehmen mehr als die Hälfte des
Dekarbonisierungs-Scores ausmachen, sind Ankündigungen nicht
gleichbedeutend mit deren Umsetzung. Was letztlich zählt, sind die
zugesagten Investitionsausgaben. Die IEA schätzt, dass bis 2030 jährlich
mehr als 570 Mrd. USD in größere Energieeffizienz investiert werden
müssen, um das Netto-Null-Szenario zu erreichen.
Wir
verwenden daher die Investitionen eines Unternehmens für
Dekarbonisierungstechnologien, um die Glaubwürdigkeit seiner Versprechen
zu messen und die möglichen Auswirkungen von „grünen Upgrades“ auf das
Endergebnis abzuschätzen. Zur Vereinfachung der
Technologiekostenberechnungen und zur Anwendung des Modells auf globaler
Ebene nehmen wir an, dass alle Gebäude bis zu einem gewissen Grad
weitreichenden energetischen Sanierungen4unterzogen werden. Diese umfassen Folgendes:
Neuisolierung von Außenwänden, Fundamenten, Dächern, Fenstern und Türen
Ersatz von mit fossilen Brennstoffen betriebenen Gebäudeenergie-Systemen durch vollelektrische Modelle
Sensorgesteuerte Beleuchtung und Geräte zur Reduzierung des Energieverbrauchs
Installation einer energieeffizienten Warmwasserbereitung
Wir
schätzen das Ausmaß der erforderlichen Modernisierungsinvestitionen auf
Grundlage der aktuellen Energieintensität eines Unternehmens. Wenn
diese weit über dem Benchmark liegt, sind größere Nachrüstungen
erforderlich.5Größere
Modernisierungskosten könnten sich negativ auf die künftigen Cashflows
und die Aktienkursentwicklung eines Unternehmens auswirken. Wenn die
Schätzungen für Nachrüstungen nicht mit den geplanten Investitionen des
Unternehmens in die Modernisierung von Immobilien übereinstimmen, ist
dies ein Warnsignal, dass ein Unternehmen seine Dekarbonisierungsziele
eventuell nicht erreichen könnte.
Die EU-Länder sind bei der Regulierungsplanung am weitesten fortgeschritten – die Rahmenbedingungen reichen von Energievorschriften für Gebäude über Mindestleistungsstandards bis hin zu Vorschriften für Solarenergieanlagen. Aber sowohl in der EU als auch weltweit sind die Vorschriften zu sehr auf verschiedene Mechanismen verteilt, um eine nennenswerte Wirkung zu erzielen. Auch die Unterschiede in der Politik der einzelnen Gemeinden erschweren die Analyse. Wir berücksichtigen daher im Modell keine politischen Kosten.
Während
der Druck der Regulierungsbehörden zunehmen wird, da die Länder ihre
Netto-Null-Ziele ernstnehmen, geht der Druck zur Dekarbonisierung
derzeit stärker von den Mietern aus. Dies dürfte Immobilienbesitzer
kurz- bis mittelfristig zu weitreichenden Nachrüstungen veranlassen.
Erstens steigt die Nachfrage nach zertifizierten nachhaltigen Gebäuden,
die nicht nur weniger umweltschädlich, sondern auch energie- und
kosteneffizienter zu betreiben sind. Zweitens ermöglichen
umweltfreundlichere Strukturen gewerblichen Mietern und
Gebäudeeigentümern, ihre eigenen Emissionsziele zu erreichen.
Immobilieneigner sind zunehmend gezwungen, zu sanieren, nur um
lukrativere Mieter anzuziehen und zu halten. Aus diesem Grund erachten
wir in unserer Analyse die Investitionskosten für ökologische
Sanierungen als finanziell bedeutsamer für Immobilienunternehmen als die
Auswirkungen von Regulierungen oder Bußgeldern zum jetzigen Zeitpunkt.
Erneuerbare
Energien, die vor Ort erzeugt werden, senken nicht nur die
Energiekosten einer Immobilie, sondern bieten auch Gewinnchancen, da
überschüssiger Solarstrom an das Energieversorgungsunternehmen
zurückverkauft wird. Und schließlich droht mittel- bis langfristig ein
größeres Risiko. Während nachhaltige Gebäude zur neuen Normalität
werden, werden Gebäude, die nicht entsprechend den
Nachhaltigkeitsstandards modernisiert wurden, wahrscheinlich zu
wertlosen oder wertgeminderten Vermögenswerten, die keinen oder einen
negativen Ertrag abwerfen.
Nicht
zuletzt gibt es in vielen Bereichen zu viele unterschiedliche Daten und
zu wenig Transparenz. Das bedeutet, dass verallgemeinerte Annahmen
angewandt wurden, um die Analysen effizient auszugestalten und das
Modell für Immobilienunternehmen weltweit skalierbar zu machen. Diese
Annahmen werden verfeinert, sobald mehr Daten zur Verfügung stehen. In
der Zwischenzeit sollten die Schätzungen immer noch Erkenntnisse
liefern, welche die Investmentteams über die Hauptrisiken im
Zusammenhang mit der Dekarbonisierung und dem Netto-Null-Übergang im
Immobiliensektor informieren.
1Treibhausgasemissionen
können betriebsbedingt sein und durch die Verbrennung von
Energieträgern für den Unterhalt der Gebäude und den Wärmebedarf der
Bewohner entstehen. Es kann sich auch um verkörperte Emissionen handeln,
d.h. um Emissionen, die bei der Herstellung der Baumaterialien (z. B.
Zement, Stahl), während des Baus sowie bei der Renovierung oder dem
Abriss des Gebäudes entstehen. Die SDP-Analyse umfasst nur die
betrieblichen Emissionen, da die von den Unternehmen gemeldeten Daten zu
den verkörperten Emissionen nur begrenzt sind.
2IEA, siehe https://www.iea.org/energy-system/buildings#tracking
3
Wir haben das Abschneiden des Unternehmens mit mehreren allgemein
anerkannten Benchmarks verglichen, darunter das globale 1,5°C-Szenario
des Carbon Risk Real Estate Monitor (CRREM) und das IEA-Net-Zero by
2050-Szenario (IEA NZE). Die Unternehmensdaten stammen von GRESB (Global
Real Estate Sustainability Benchmark), einem führenden Anbieter von
Daten aus der Immobilienbranche und ESG-Benchmarking-Services, bzw. den
Jahresberichten der Unternehmen. Zusätzliche Daten zu den
Emissionszielen der Unternehmen stammen von CDP, SBTi und aus den
Nachhaltigkeitsberichten der Unternehmen.
4Wir
vereinfachen die Berechnungen, indem wir die Gesamtkosten pro
Quadratmeter für eine tiefgreifende energetische Sanierung annehmen,
anstatt separate Annahmen für die Kosten der Wärmedämmung, der
Heizungs-, Lüftungs- und Klimaanlagen oder anderer
Gebäudesystem-Upgrades zu machen. Siehe „The impact of deep energy
retrofit costs on the real estate sector.“ Robeco, März 2022. Verfügbar
auf der globalen Website von Robeco
5
Unterschiedliche Immobilientypen schlagen sich in der Höhe der
Renovierungskosten nieder. Lagerhallen müssen beispielsweise weniger
umfangreich modernisiert werden als Krankenhäuser. Daher gruppieren wir
die Immobilien nach Gebäudenutzung/-typ und berechnen die
Sanierungskosten für jedes Unternehmen auf Grundlage der im Vergleich
zur Branchenbenchmark höheren Energieintensität. Die Kosten für die
Nachrüstung von Immobilien beruhen auf branchenspezifischem Research,
„The impact of deep energy retrofit costs on the real estate sector.“
Robeco, März 2022. Verfügbar auf der globalen Website von Robeco.
Die Informationen auf der nachfolgenden Website der Robeco Deutschland, Zweigniederlassung der Robeco Institutional Asset Management B.V., richten sich ausschließlich an professionelle Kunden im Sinne von § 31a Abs. 2 Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) wie beispielsweise Versicherungen, Banken und Sparkassen. Die auf dieser Website dargestellten Informationen sind NICHT für Privatanleger bestimmt und entsprechen nicht den für Privatanleger maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen.
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