Im September 2021 markierte der MDAX sein bisheriges Allzeithoch. Seitdem schwächelt der Index. Vor allem im Vergleich zum DAX. Das ist kein Zufall.
21.02.2024 | 07:20 Uhr
Früher war es eine gute Idee, in Indexprodukte zu investieren, die die Entwicklung des MDAX nachvollziehen. Der MDAX erschien einmal als der bessere DAX. Zum einen wegen der Zusammensetzung: Die 60 Werte bildeten das Rückgrat der deutschen Wirtschaft ab. Die Struktur des 30er-DAX dagegen war schon immer etwas unausgewogen. Zum anderen überzeugte der MDAX über viele Jahre hinweg mit der besseren Performance. Bis zum 2. September 2021, dem Tag seines bisherigen Rekordhochs. Heute notiert der MDAX rund 28 Prozent tiefer als zu diesem Zeitpunkt, während der DAX seitdem mehr als acht Prozent an Wert zugelegt hat.
Der auffällige Bruch in der Entwicklung ist kein Zufall. Im September 2021 wurde die Zusammensetzung der beiden großen Indizes durch die Deutsche Börse grundlegend geändert. Die zehn größten Werte des MDAX stiegen in den DAX auf. Der Leitindex für deutsche Aktien umfasst seitdem vierzig Werte und der MDAX nur noch fünfzig. Wie massiv diese Werte-Verschiebung den MDAX geschwächt hat, lässt sich schon daran ablesen, wie stark die durch diesen Index repräsentierte Marktkapitalisierung geschrumpft ist. Heute sind die im MDAX vertretenen Unternehmen zusammengenommen rund 238 Milliarden Euro wert. Das entspricht ziemlich genau der Marktkapitalisierung der größten fünf Unternehmen, die vor rund zweieinhalb Jahren im Zuge der Neujustierung vom MDAX in den DAX aufgestiegen sind. Der tatsächliche Marktwert des MDAX ist seit September 2021 also um deutlich mehr als die Hälfte geschrumpft. Und nicht nur das. Mit Puma und Hellofresh sind Ende 2022 zwei Underperformer wieder in den MDAX zurückgefallen und haben den Index weiter nach unten gezogen. Das an sich ist zwar noch kein Grund für das Auseinanderstreben der beiden Indizes in den zurückliegenden zweieinhalb Jahren. Der Vorgang, dass aufstrebende Börsenwerte aus dem MDAX den Platz tauschen mit Absteigern aus dem DAX, war auch schon in der Vergangenheit kein Problem. Doch der DAX wurde durch eine Indexreform in den vergangenen Jahren zusätzlich gestärkt. Zum einen entscheidet nur noch die Höhe der Marktkapitalisierung über die Ranglisten der Indizes. Das bedeutet im Klartext, dass der MDAX gegenüber dem DAX auch in den kommenden Jahren systembedingt weiter an Marktkapitalisierung und damit Bedeutung verlieren wird.
Aber auch die Erhöhung der Kappungsgrenze für die Aktienindizes der Deutschen Börse wird die Gewichte weiter verschieben: Ab der nächsten Indexüberprüfung, die am 5. März 2024 erfolgt, erhöht sich die Kappungsgrenze von derzeit zehn Prozent auf 15 Prozent. Diese Entscheidung betrifft neben dem DAX auch die Indizes MDAX, SDAX und TecDAX. Demnach werden die Gewichtungen von Börsenwerten, die heute mehr als zehn Prozent des jeweiligen Index ausmachen, nicht mehr bei zehn Prozent gekappt. Für den DAX bedeutet dies, dass die großen Werte, die den Index treiben, noch stärker den DAX dominieren werden. Dadurch wird es Marktverschiebungen auch im Index selbst geben. Indexfonds müssen nun nicht mehr Aktien der großen Unternehmen verkaufen, wenn diese im Index stärker werden. Dass der DAX dadurch noch unausgewogener und volatiler wird, nimmt der Indexbetreiber Deutsche Börse AG in Kauf. Und auch, dass die Bedeutung des MDAX weiter schrumpft.
Anders als im DAX wird die Änderung der Kappungsgrenze auf die Berechnung des MDAX in der Praxis keine Auswirkungen haben. Denn dort überschreitet kein Börsentitel auch nur annähernd die Zehn-Prozent-Marke. Ganz anders sieht es allerdings im TecDAX aus. Die Aktien von Siemens Healthineers, Deutsche Telekom und SAP werden den Technologie-Index ab März noch stärker dominieren. Die drei Branchengrößen, die auch im DAX vertreten sind, stellen im TecDAX aktuell zusammen rund 73 Prozent der gesamten Marktkapitalisierung. Ihre Indexgewichtung wird sich ab März in Summe von 30 auf 42,4 Prozent erhöhen.
Ein Nebeneffekt der Index-Schwächung des MDAX ist, dass Stock Picking im Segment der deutschen Nebenwerte für Anleger wieder wichtiger geworden ist. Einige Aktienfonds, die in deutsche Mid- und Small-Caps investieren, haben diese Qualität in den vergangenen drei Jahren unter Beweis gestellt und deutlich besser abgeschnitten als der MDAX.
An erster Stelle zu nennen ist hier der Value-Holdings Deutschland von VP Fund Solution in Liechtenstein. Der Aktienfonds investiert derzeit zu rund 91 Prozent in börsennotierte deutsche Mittelstandsunternehmen und mischt einige europäische Nebenwerte ins Portfolio bei. Die Branchengewichtung ist klassisch: Aktien von Automobilzulieferern, Maschinenunternehmen, Industriewerten, Landwirtschafts- und Chemieunternehmen machen rund 55 Prozent des Fondsvermögens aus. Hightech-Werte spielen im Portfolio keine Rolle. Die beiden größten Titel im Portfolio sind SAF Holland und Traton, die sich auch im Nebenwerteindex SDAX wiederfinden, dort aber ganz anders gewichtet sind. Es gibt auch Überschneidungen des Portfolios mit dem MDAX. Doch der Index dient, das ist deutlich zu sehen, nicht als Vorbild für die Anlagepolitik des Fonds.
Anders als der Value-Holdings Deutschland, konnten sich die meisten Fonds, die in Aktien mittelgroßer und kleinerer deutscher Unternehmen investieren, dem Abwärtstrend in diesem Segment über die vergangenen drei Jahre kaum entziehen. Einige schnitten aber immerhin deutlich besser ab als der MDAX (siehe Tabelle). Der DWS Concept Platow etwa konnte in den vergangenen drei Jahren immerhin sein Niveau halten, während der MDAX abschmierte.
Fazit: Die Deutsche Börse AG möchte die Bedeutung des DAX stärken, um ihn international besser vermarkten zu können. Das ist ihr gutes Recht. Anleger, die abseits des deutschen Aktienleitindex Alternativen suchen, um in deutsche Aktien zu investieren, sollten das zur Kenntnis nehmen, ihre Konsequenzen daraus ziehen und in gemanagte Fonds investieren. Einige von ihnen bieten im Segment der Mid- und Small-Caps mittlerweile deutlich bessere Lösungen als die betreffenden Indexprodukte, deren Performance unter der Indexreform leidet.
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