Edgar Walk, Chefvolkswirt Metzler Asset Management, macht in seinem Kapitalmarktausblick auf die nächste Woche den Zusammenhang zwischen Wirtschaftspolitik und Inflationsrate zum Thema.
10.02.2020 | 07:39 Uhr
In
den USA fehle von einer Inflation bisher jede Spur - obwohl steigende
Inflationsraten normalerweise Folge einer populistischen Politik mit
starken Stimulus-Maßnahmen und entsprechend steigenden Wachstumsraten
seien. Eine strukturelle Niedriginflation im Zusammenhang mit einer
alternden Gesellschaft wie in Japan sieht Walk bei einem recht
konstanten Wert um 2 % nicht - eher eine Seitwärtsentwicklung oder sogar
eine Trendwende, die dann das übliche Muster einer populistischen
Wirtschaftspolitik bestätigen würde.
Die derzeitige Wirtschaftspolitik der USA kann eigentlich nur als populistisch bezeichnet werden: ein Haushaltsdefizit von 7 % des BIP (Quelle: OECD) in Kombination mit einem realen Leitzins von etwa -1,0 % – im zehnten Jahr eines Aufschwungs! Typischerweise scheint eine populistische Politik zunächst sehr erfolgreich zu sein, da die Wirtschaft aufgrund der exzessiven Stimulus-Maßnahmen dynamisch wächst. Früher oder später kommt dann aber der „große Kater“ in Form merklich steigender Inflationsraten. Bisher fehlt jedoch von einer Inflation jede Spur; tatsächlich war in den vergangenen Monaten sogar ein tendenziell nachlassender Inflationsdruck in den USA zu beobachten. Ein Grund dafür könnte die Demografie sein. So scheinen Volkswirtschaften mit einer jungen Bevölkerung tendenziell höhere Zinsen zu haben – eine höhere Inflationsrate und ein höheres Wirtschaftswachstum –, während in Volkswirtschaften mit einer älteren Bevölkerung die Zinsen tendenziell niedriger sind.
Nur
eine Korrelation oder ein Ursache-Wirkungs-Zusammenhang? Länder mit
hohem Durchschnittsalter der Bevölkerung haben niedrige Zinsen
Leitzins in % und Durchschnittsalter (Median) in Jahren
Quelle: Thomson Reuters Datastream; Stand: Dezember 2019
Das
Beispiel Japan zeigt, dass trotz aller erdenklichen
wirtschaftspolitischen Versuche die Inflationsrate dort bisher nicht
stieg; die Alterung der Gesellschaft in vielen entwickelten
Volkswirtschaften könnte somit für strukturelle Niedriginflation mit
anhaltenden Nullzinsen verantwortlich sein. Die Höhe der
Staatsverschuldung wird bei anhaltenden Nullzinsen irrelevant. Die
US-Wirtschaftspolitik wäre in diesem Umfeld nicht als populistisch zu
bezeichnen, sondern als die „richtige“ Antwort auf die neuen
wirtschaftspolitischen Herausforderungen der Demografie.
Zumindest
für die USA lässt sich jedoch konstatieren, dass die Inflation
(Mittwoch) bisher zwar überraschend niedrig geblieben ist, seit 2017
jedoch um einen Wert von immerhin noch 2,0 % schwankt. Darüber hinaus
könnte der Indikator des Inflationstrends (berechnet von der New York
Fed), der verlässlich den nachlassenden Inflationsdruck von August 2018
bis November 2019 signalisierte, nunmehr einen Boden gefunden haben.
USA: Inflationsindikator zeigt erste Stabilisierungstendenzen
VPI und Federal Reserve of New York Underlying Inflation Gauge (UIG) in % ggü. Vj.
Quellen: Thomson Reuters Datastream, Metzler; Stand: 31.12.2019
Die
spannende Frage ist nun, ob es sich dabei nur um eine Bodenbildung und
einen darauffolgenden Seitwärtstrend handelt oder um eine Trendwende in
Richtung eines wieder steigenden Inflationsdrucks. Darüber wird die
weitere konjunkturelle Entwicklung entscheiden: NFIB-Geschäftsklimaindex
(Dienstag) und Einzelhandelsumsätze (Freitag). Sollte die Inflation in
den USA nämlich nur halbtot sein, würde doch früher oder später ein
moderater „Kater“ der aktuellen populistischen Wirtschaftspolitik
drohen. Da
die Inflation derzeit (noch) kein Thema ist, die Wirtschaftssorgen
aufgrund der Corona-Virus-Epidemie im Vordergrund stehen und
Präsidentschaftswahlen sind, dürfte sich US-Notenbankpräsident Jerome
Powell (Dienstag) in seiner Anhörung vor dem Repräsentantenhaus sehr
zurückhaltend äußern.
In
dieser Woche bestätigte sich die Sorge nicht, dass die
Ansteckungszahlen auch außerhalb Chinas merklich ansteigen könnten.
Darüber hinaus scheint der Krankheitsverlauf nach wie vor eher dem einer
typischen Grippewelle zu entsprechen. Sollten auch in den kommenden
beiden Wochen die Ansteckungsraten außerhalb Chinas niedrig bleiben,
bestehen gute Chancen, dass die Epidemie schon jetzt ihren Hochpunkt
überschritten hat und langsam abklingen könnte.
Das
Corona-Virus scheint jedoch sehr ansteckend zu sein, sodass immer noch
das Risiko einer größeren Ausbreitung besteht. Zudem könnte es im
Zeitablauf noch mutieren und gefährlicher werden. Es ist somit zu früh,
schon jetzt Entwarnung zu geben.
Eine gute und erfolgreiche Woche wünscht
Edgar Walk
Chefvolkswirt Metzler Asset Management
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