Sie betreiben Boxen als Ausgleich und um sich körperlich fit
zu halten. Welche Ähnlichkeiten sind Ihnen zwischen diesem Hobby und
Ihrem Beruf aufgefallen?
Als Mike Tyson auf dem Höhepunkt seiner Schaffenskraft auf die
Strategie seines Gegners angesprochen und gefragt wurde, was er davon
halte, sagte er: „Jeder hat eine Strategie, bis er ins Gesicht
geschlagen wird“. Das kann ich aus eigener Erfahrung sowohl fürs Boxen
als auch fürs Investieren bestätigen.
Beim Investieren gibt es viele Diskussionen darüber „wie man nächstes
Mal den Bärenmarkt nutzen und billig einsteigen wird“ oder andersherum
„nächstes Mal verkaufen wir früher“… ähnlich eben wie Mike Tysons
Gegner, die sich eine Strategie in ihrem Kopf zurechtgelegt hatten: Wenn
Mike nach links, dann ich nach rechts und so weiter. Die nicht immer
laut ausgesprochene Reaktion ist sowohl im Box-Gym als auch beim
Investment-Plausch fast immer: „Ja, vielleicht – aber wahrscheinlich
nicht.“
Welche Schlüsse haben Sie daraus für das Investieren gezogen?
Jede Strategie ist eben nur so gut, wie sie die nächste Krise besteht
(und Krisen haben wir ja genug in den letzten Jahren erlebt) – eben bis
der Test kommt, in dem Mike Tyson einem ins Gesicht schlägt. Ein Gefühl
das für uns Investoren bei Marktpaniken nicht unähnlich ist. Panik hat
Märkte schon immer maßgeblich getrieben und Angst bzw. diese zu
überwinden ist auch beim Boxen von zentraler Bedeutung. Gefühle
überwinden oder nutzen und diese nicht die Entscheidungsfindung
emotionalisieren zu lassen.
Gerade in den aktuellen Zeiten. Sie können mir glauben, dass ich als
Investor viele dieser Schläge ins Gesicht und vielleicht noch mehr in
die Margengrube in den verschiedenen Bärenmärkten sehr gut erinnere. Als
Portfoliomanager habe ich mich gerade daher auf Investments in Aktien
von Familienunternehmen in Europa spezialisiert. Es ist für mich die
Strategie, die auch Schlägen ins Gesicht nachhaltig standhält. Diese
Unternehmenslenker sind kampferprobt, zäh und Aufgeben kann für sie
keine Option sein. Die Qualität der Unternehmen und die
Interessenharmonie mit den Unternehmenslenkern, den Unternehmerfamilien,
gibt auch unter Feuer die nötige Ruhe.
Gibt es weitere Parallelen, die man für das Investieren nutzen kann?
- Natürlich möchten alle den großen Knock-out sehen und immer wieder
über diesen sprechen – wie beim Investieren, den großen Deal und jeden
Trend mitmachen. Doch bei einem guten Boxkampf zählt jede Runde, jede
Finte, jeder Schlag und vor allem die Beinarbeit. Über die Zeit erhöhen
wir so die Wahrscheinlichkeit auf den Sieg. Auch als langfristige
Investoren nehmen wir uns die Zeit mit Ruhe auf die besten
Risiko-Chance-Relationen zu warten. Wie ein Boxer auf eine gute
Gelegenheit durch die Deckung des Gegners zu gelangen wartet. Allerdings
gibt es einen großen Unterschied: Boxkämpfe dauern bis zu 15 Runden,
Pokerturniere mehre Stunden (in denen Profis oft nur jede zehnte Hand
spielen), aber Investmentzyklen dauern viele Jahre.
- Für Boxen und Investieren gilt, nach meiner Überzeugung, „Keep it
simple“! Gerade im Stress des Kampfes beziehungsweise der Panik, wird
man das Komplizierte vergessen oder nicht mehr verstehen. So bleibt im
Boxen der Jab (eine gerade Linke) der wichtigste Schlag.
- Ein guter Boxkampf entwickelt sich über viele Runden – oft gewinnt
nicht der Kämpfer, der in den ersten Runden gut aussieht und in diesen
vielleicht aktiver ist, sondern der Kämpfer mit der besseren Strategie,
mit mehr Geduld, Ruhe, Umsetzungsdisziplin und Ausdauer. Man muss sehr
vorsichtig bei der Beurteilung eines Kämpfers oder Investors nach den
ersten Runden sein. Sicher ist, dass es nichts bringt, wenn man
spekuliert und ein paar Runden gut aussieht, um dann in der 11. und 12
Runde alles zu verlieren.
- So viele Theorien und Strategien, wie man Märkte sicher und
nachhaltig schlagen kann, wurden mir in meiner Karriere vorgestellt.
Fast alle haben sich, trotz all dem Backtesting, all den Zusicherungen,
der Begeisterung, manchmal der Frustration, dass nicht alle das Geniale
an der Strategie sofort auch sehen, (spätestens) in der nächsten
Marktkrise in Luft aufgelöst. Im Boxen, wie beim Investieren gibt es
einen sehr klaren Test: Beim Investieren den Markt und beim Boxen den
Ring – so einfach ist das.
- Es ist immer wieder beängstigend, wie nah man an seinem Gegner dran
sein muss, um ihn oder sie treffen zu können. In der “Greenzone“, also
außer Reichweite, kann man nicht getroffen werden, aber man kann eben
auch nicht treffen. Beim Investieren gilt das genauso: wenn man treffen
kann, kann man in der Regel auch getroffen werden. Man muss entscheiden
wann es sich lohnt aus der Deckung zu kommen.
- Erst kommen die Schmerzen und dann kommt die Rendite: das ist eine
alte Börsenweisheit…und ebenfalls sehr gut aufs Boxen anwendbar. Viel
nachhaltig erfolgreiche Boxern beginnen ihren Tag frühmorgens, wenn alle
anderen noch schlafen, mit Joggen. Im Dunkeln über Märke zu lesen, wenn
es draußen noch dunkel ist, wird vielen Investoren bekannt vorkommen.
- Es gibt keine absolute Sicherheit oder Ruhephase im Ring. Wie beim
Schwimmen, muss man sich permanent bewegen und es gilt „protect yourself
at all times“. Ein Lucky Punch kann immer kommen. Diesen kann mit
Tail-Risk beim Investieren vergleichen.
- Beim Boxen wie auch beim Investieren gehen viele der eigenen
Schläge daneben. Gleichzeitig wird jeder auch (vom Markt oder Gegner)
getroffen – egal wie gut die defensiven Qualitäten sind. Damit gilt es
umzugehen. Im Boxen trainiert man, in intensiven Situationen ruhig zu
bleiben. Investoren müssen ebenfalls ihre Emotionen im Griff haben und
nicht impulsiv auf Marktschwankungen reagieren. Eine klare Strategie,
klare Prozesse und (Krisen)Erfahrung helfen dabei.
- Es gibt keine Silberkugeln: Boxen und Investieren sind Handwerk,
Fleiß und Konsistenz sowie damit Zinseszins über die Zeit. Dazu kann die
falsche Erwartungshaltung, wie zum Beispiel, sichere, konstante
Renditen oder dauerhaft extreme Renditen, sehr gefährlich sein. Das gilt
auch fürs Boxen – fragen sie mal ein paar Gegner von Mike Tyson.
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