Impact Investing lebt davon, dass die erzielte Wirkung nachgewiesen werden kann. Als „Goldstandard“ der Wirkungsmessung gelten randomisierte kontrollierte Studien (Randomized Controlled Trials, kurz: RCTs). Viel Aufmerksamkeit erregten sechs Studien, die 2015 u. a. von Abhijit Banerjee und Esther Duflo im American Economic Journal: Applied Economics veröffentlicht wurden.
13.06.2023 | 07:56 Uhr
Studien, die sich skeptisch über die Wirkung von Mikrokrediten auf Unternehmensgewinne und Haushaltseinkommen äußerten.1 Ein Kritiker dieser Studien ist Nathan Fiala, Associate Professor am Department of Agricultural & Resource Economics der University of Connecticut sowie Research Fellow am RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung in Essen und Honorary Senior Lecturer an der Makerere University (Uganda).2
Der Impact Investor Invest in Visions sprach mit Prof. Fiala, der selbst randomisierte kontrollierte Studien zur Wirkung von Mikrokrediten durchführt, über seine Methode, die genannten Studien und die Ergebnisse seiner eigenen Forschung.
Herr Prof. Fiala, die Auswirkungen von Mikrofinanzierungen sind ein viel diskutiertes Thema. Wie können wir die Wirkung von Mikrokrediten auf Unternehmensgewinne und Haushaltseinkommen überhaupt messen?
Die Messung dieser Ergebnisse ist in den Wirtschaftswissenschaften recht einfach. In der Regel befragen wir Menschen in strukturierten Umfragen nach ihrem Einkommen. Ob die Menschen ehrlich antworten, hängt davon ab, wie viel Vertrauen sie in das Befragungsteam haben. Es ist jedoch schwieriger, eine kausale Veränderung des Einkommens zu ermitteln. Vorher-Nachher-Erhebungen reichen nicht aus, um festzustellen, ob ein Kredit zu einer Veränderung im Leben einer Person geführt hat. Um festzustellen, was ohne das Darlehen mit einer Person geschehen wäre, ist eine kontrafaktische Situation oder eine Kontrollgruppe erforderlich. Es gibt verschiedene Methoden, um dies zu erreichen, wobei die zuverlässigste eine randomisierte kontrollierte Studie (RCT) ist.
Was sind die Vor- und Nachteile von randomisierten kontrollierten Studien?
RCTs bieten eine unvoreingenommene kausale Identifizierung der Auswirkungen eines Programms. Das gilt aber nur, wenn sie gut gemacht sind. Es gibt viele Möglichkeiten, bei RCTs Fehler zu machen. Selbst einige berühmte Forscher:innen machen diese Fehler, und zwar häufig. Keine Methode, die schlecht durchgeführt wird, kann etwas über die Auswirkungen eines Programms aussagen. RCTs leiden auch unter anderen Problemen, z. B. wenn Forscher Programme untersuchen, die in der realen Welt nicht wirklich umgesetzt werden.
Sie führen selbst randomisierte kontrollierte Studien durch. Können Sie uns etwas über Ihre aktuellen Projekte erzählen?
Ich arbeite mit drei MFI in Uganda, Paraguay und Myanmar zusammen. Diese wurden ausgewählt, weil ihre Art der Kreditvergabe weltweit sehr verbreitet ist. Das MFI in Uganda vergibt Agrarkredite an Landwirte vor Beginn der Vegetationsperiode. In Paraguay handelt es sich um Darlehen allein an Frauen für gewerbliche Zwecke. In Myanmar sind es produktive Darlehen für Haushalte. Diese Studien wurden konzipiert, um die vielen Probleme zu vermeiden, mit denen die bisherige Mikrofinanzforschung zu kämpfen hatte. Sie haben hohe Abschlussquoten (zwischen 60 und 85 Prozent) und verwenden große Stichproben (2.000 bis 3.500 Teilnehmer:innen) in Gebieten, in denen es keine Mikrofinanzierungen gibt. Daher haben sie eine viel höhere statistische Aussagekraft als die bisherige Literatur.
Welche Auswirkungen von Mikrokrediten stellen Sie fest? Sind sie mit den Ergebnissen anderer Studien vergleichbar?
In Uganda haben wir, ähnlich wie in zwei anderen Studien zur Agrarfinanzierung, keine Auswirkungen der Kredite auf Produktion oder Einkommen festgestellt. Die Kredite waren klein, und aus qualitativen Interviews wissen wir, dass die Menschen das Geld nicht nur für ihre Betriebe ausgaben, was wiederum mit früheren Untersuchungen übereinstimmt. Es gibt nun deutliche Hinweise darauf, dass kleine Agrarkredite keinen Einfluss auf die Produktion oder das Einkommen der Landwirte haben. Auch die Ergebnisse in Paraguay und Myanmar ähneln denen anderer Studien, auch wenn diese Studien nicht über diese Ergebnisse berichten. In den sechs im American Economic Journal: Applied Economics veröffentlichten Studien werden zwar bedeutende Auswirkungen der Darlehen festgestellt, aber die Autor:innen verwerfen diese Auswirkungen, weil sie statistisch nicht signifikant sind. Dies ist ein großer Fehler dieser Forscher:innen und hat zu erheblichen Missverständnissen über die Auswirkungen der Mikrofinanzierung geführt. In diesen Arbeiten werden Auswirkungen auf das Haushaltseinkommen in einer Größenordnung von 20 - 40 Prozent festgestellt, die jedoch wiederum statistisch nicht signifikant sind. Auch wir finden in Paraguay und Myanmar ähnliche Auswirkungen auf das Einkommen, die aber statistisch signifikant sind, da unser Forschungsdesign speziell auf die Maximierung der statistischen Aussagekraft ausgerichtet ist. Wir stellen fest, dass das Einkommen und die Ernährungssicherheit in Paraguay um etwa 25 Prozent und in Myanmar um etwa 30 Prozent steigen.
Herr Prof. Fiala, wir danken Ihnen für das Gespräch!
Das Interview ist ein Auszug aus unserem diesjährigen Impact Report. Den vollständigen Report finden Sie hier.
1 Abhijit V. Banerjee, Six Randomized Evaluations of Microcredit: Introduction and Further Steps, in: American Economic Journal: Applied Economics 7 (2015).
2 Siehe hierzu den Beitrag: Dahal, Mahesh / Fiala, Nathan: What do we know about the Impact of Microfinance? The Problems of Statistical Power and Precision, in: World Development 128 (2020)
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