Dr. Markus Elsässer: Tag der Aktie - Ein Blick aus dem professionellen Fondsmanagement

Dr. Markus Elsässer: Tag der Aktie - Ein Blick aus dem professionellen Fondsmanagement
Interview

Tag der Aktie: Zur Feier des Tages haben wir Dr. Markus Elsässer zu Themen rund um die Aktie interviewt.

01.11.2021 | 07:10 Uhr

Was können Sie uns zur Geschichte der Aktie erzählen?

Für Investoren ist es von großer Wichtigkeit, sich über die Entstehung der Aktiengesellschaft im Klaren zu sein. Aktiengesellschaften sind entstanden, da Kaufleute Geschäfte tätigen wollten, die sie mit eigenen Ersparnissen und/oder durch Fremdfinanzierung mit Hilfe der Banken nicht durchführen konnten. Entweder war das Vorhaben zu groß oder das Geschäft zu risikoreich. Aktiengesellschaften konnten diese Risiken bewältigen, das bedeutet jedoch auch, dass Aktien alleine schon aus historischer Sicht immer schon mit Risiko behaftet waren. Das heißt nicht, dass man die Finger davon lassen sollte – ganz im Gegenteil! Der Investor muss jedoch lernen, mit diesen Risiken umzugehen und die eigene Risikobereitschaft klar definieren. Investoren, die auf der Suche nach völlig risikofreien Aktien sind, werden daher niemals fündig! Wir leben in einer Zeit, in der die Aussichten für kluge Investoren sehr gut sind, da es viele spannende Unternehmen auf dem Markt gibt, die tolle Chancen bieten.

Welche Strategie sollten private Investoren bei dieser Investmentmöglichkeit verfolgen?


Ich empfehle grundsätzlich einen weiten Blick in die Zukunft zu werfen und mit einer langfristigen Anlagestrategie zu Werke zu gehen. Die meisten Aktionäre erwarten Kurssteigerungen und ansteigende Dividenden, ohne sich zu fragen, woher diese Anstiege eigentlich kommen. Es kann nur zu Steigerungen kommen, wenn die Firma, in die man per Aktie investiert ist, gute Arbeit leistet. Das Unternehmen sollte nach Möglichkeit nicht nur mehr Umsatz generiert, also mehr Geld ins Unternehmen ziehen, sondern auch den Absatz durch höhere Verkaufszahlen steigern. Auf diesen wichtigen Unterschied wird viel zu wenig geachtet, denn die ausschlaggebende Kennziffer ist die Absatzzahl! Umsatzsteigerungen könnte auch aus höheren Preisen resultieren und sind daher weniger aussagekräftig. Eine Steigerung der Absatzzahlen ist hingegen nur durch mehr Mitarbeiter, neue Maschinen und Produktinnovationen, die die bisherige Produktpalette erweitern, möglich. Investoren müssen beachten, dass all dies eine gewisse Zeit in Anspruch nimmt, denn von der ersten Produktidee bis zum fertigen Produkt vergehen ca. zwei Jahre. Gesundes Wachstum benötigt also Zeit und funktioniert nicht von heute auf morgen! Der Investor sollte die Anlagestrategie daher bestmöglich an den Wachstumsprozess des jeweiligen Unternehmens anpassen und den erworbenen Aktien Zeit geben, mit dem Unternehmen zu wachsen! Halten Sie Ausschau nach Aktien oder Aktienfonds, bei denen sich ein solch gut kalkulierbarer, langfristiger Trend herauskristallisiert. Alles andere ist pure Spekulation!

Denken Sie, dass mehr Investoren durch die Corona-Krise auch langfristig an dieser Investment-Möglichkeit interessiert sein werden?

Diesen Personen möchte ich zunächst gratulieren, denn sie haben alles richtig gemacht. Große Krisen zeigen, dass auf Regierungssysteme und Regierungsversprechen nicht zu 100 % Verlass ist und sich Dinge von heute auf morgen radikal verändern können. Investments in Unternehmen mit einer starken Marktstellung, beispielsweise globale Player, sind hingegen von der lokalen Politik und regionalen Verhältnissen völlig losgelöst. Doch viele Investoren schauen nicht genug auf den Globus und nehmen den großen Vorteil von Aktien, nämlich dass man in Unternehmen weltweit investieren kann, nicht wahr. Investoren, die neu hinzugekommen sind, rate ich, in jedem Fall weiterhin am Kapitalmarkt teilzunehmen und die eingeschlagene Strategie entweder fortzusetzen oder aus Anfangsfehlern zu lernen, Tiefschläge als Lehrgeld anzusehen und es in Zukunft besser zu machen. Ich rate Ihnen davon ab, schnelle Gewinne, die aus der Corona-Krise resultieren, zu realisieren und das Geld wieder auf das Girokonto zu legen. Betrachten Sie den niedrigen Aktienkurs, zu dem Sie gekauft haben eher als günstigen Einstieg und setzten Sie Ihr Investment fort! Denn die Inflation wird sonst dazu führen, dass Sie zum Verlierer der Inflation werden und Ihr Geld auf Ihrem Konto nach und nach durch die Inflation „aufgefressen“ wird. Daher mein Appell an Sie: Machen Sie weiter und lernen Sie aus Ihren Fehlern!

Haben Sie auch schon negative Erfahrungen mit Aktien gemacht?

Ich persönlich habe eine sehr lange Börsenerfahrung, denn in diesem November steht mein 50-jähriges Börsenjubiläum an. Vor 50 Jahren habe ich meine ersten Aktien gekauft und habe in meinen jungen Jahren sehr viele Fehler gemacht. Doch dafür bin ich sehr dankbar, denn so konnte ich unheimlich viel an Erfahrung dazugewinnen. Negative Erfahrungen, die man an der Börse macht, ist niemals die Schuld der Aktie, sondern das Problem liegt immer bei dem Investor und wie er mit der Thematik umgeht. Viele Investoren entwickeln bei einem Fehlinvestment schnell Wut auf die Aktien oder die Börse allgemein, doch hierbei wird lediglich die eigene Schuld auf jemand Drittes projiziert und eigene Fehler werden nicht erkannt. Typische Fehler, die zu negativen Ergebnissen führen, sind aus meiner Erfahrung Investitionen, die aufgrund der Angst etwas zu verpassen, getätigt werden, auch FOMO (Fear of missing out) genannt. Ich habe in meinen jungen Jahren den Fehler begangen, dass ich bei dem Einstieg in ein Investment nicht genug recherchiert und nicht lange genug darüber nachgedacht und stattdessen irgendeine Nachricht aufgegriffen habe. Aufgrund der Angst, etwas zu verpassen, investierte ich zu schnell. Ich rate jedem Investor dazu, bei dem Einstieg zu dokumentieren: wie die aktuelle Situation ist, auf welchem Niveau sich der Aktienkurs zum Einstieg befindet und weswegen das Investment getätigt werden sollte. Das habe ich zu meinen Anfangszeiten nicht gemacht, sodass ich keine richtige Basis hatte und auch meine Anlagepolitik noch nicht ausgereift war.

Ein weiterer gravierender Fehler, den ich als junger Mann oft gemacht habe, bezieht sich auf den Ausstieg des Investments. Die Börse hat keine Systematik, die einem sagt, dass man nun die Aktie liquidieren sollte und auch hier ist die Angst, etwas zu verpassen, sehr präsent. Anfangs ist man sehr zufrieden, denn der Aktienkurs hat sich gut entwickelt. Oft werden die Nachrichten dann immer besser und man weiß zwar, dass der Aktienkurs schon um 100 Prozent gestiegen ist. Allerdings scheint die Firma nun noch bessere Aussichten zu haben, sodass man noch besser von der Position profitieren könnte und die eigene Gier wird immer größer. Stellen Sie sich das wie in einem Chor vor, bei dem am Anfang nur einer singt und schließlich die komplette Galerie singt, wie schön doch alles sei. Hierbei übersehen Sie allerdings, dass die Bäume nicht in den Himmel wachsen können, denn das Wachstum der Aktienkurse muss mit dem tatsächlichen Wachstum der Firma unterfüttert sein. Orientieren Sie sich daran, was tatsächlich da ist und nicht was sein könnte! Ich kann Ihnen nur den Tipp geben, bereits zum Zeitpunkt des Einstiegs auch schon den Ausstiegskurs festzulegen. Ich betrachte eine Aktie wie eine Maschine. Die Aktie muss etwas liefern und wenn sie dies getan hat, bin ich zufrieden. Vermeiden Sie meine aufgezählten Fehler, entwickeln Sie keine Geldgier und entscheiden Sie sich für eine Anlagestrategie!

Welche Vorteile bieten Aktien gegenüber anderen Investmentmöglichkeiten?

Leider ist es so, dass ein Depot mit Aktien und/oder Aktienfonds von der Öffentlichkeit vollkommen unterschätzt wird. Die Aktie ist eine der größten Erfindungen überhaupt, denn sie ermöglicht es dem Anleger, egal wo er auf der Welt lebt, Investitionen in Sachanlagen zu tätigen. Hierfür muss er nicht reisen, keinen Notar aufsuchen, keine Verträge unterschreiben, keine Genehmigung bei einem möglichen Verkauf einholen, keine Wartezeiten überbrücken - sondern er kann anonym, schnell und selbstbestimmt jederzeit kaufen und verkaufen. Der Investor hat die gesamte Hoheit über sein Kapital und ist international völlig frei. So kann er beispielsweise sein Vermögen in einem anderen Währungsblog halten, indem er Aktien von Unternehmen aus der Schweiz, Amerika etc. kauft. Positiv ist, dass dieser Freiheitsgrad keinerlei Einfluss auf seine Anlagestrategie hat. Daher ist das Aktiendepot für jeden Menschen geeignet! Zusätzlich erfüllen Aktien und Aktienfonds eine Vielzahl an Aspekten, die in unserer schnelllebigen Zeit mit sehr wahrscheinlich großen bevorstehenden Veränderungen in der Zukunft kein besseres und einfacheres Vehikel für Investments sein könnten.

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