TiAM: Sie haben Mathematik und Philosophie studiert. Was
hat Sie dazu gebracht, danach eine Vermögensverwaltung zu gründen?
Georg von Wallwitz: Ich
hatte 2004 schon einige Jahre Erfahrung in der Finanzbranche gesammelt, als mir
klar wurde, dass mir als Freigeist die Arbeit in einer unabhängigen
Vermögensverwaltung näher liegt als innerhalb von Konzernstrukturen. Der
Einstieg in die Branche verlief aber ebenso banal wie kurios.
TiAM: Wie kam es dazu?
Wallwitz: Zum Ende
meines Studiums hatte ich eine kleine Familie und musste feststellen, dass ich
sie als Philosoph nicht ernähren konnte. Den Einstieg bei einer großen
deutschen Fondsgesellschaft fand ich aufgrund meiner Englischkenntnisse, denn
dort stand den internationalen Ambitionen ein Mangel an sprachlicher
Weltläufigkeit entgegen. Meine Ausbildung als Mathematiker wurde erst später
relevant.
TiAM: Und die Philosophie musste hintanstehen?
Wallwitz: Ganz und gar
nicht, die Kombination hat sich ausgezahlt. Denn die Vermögensverwaltung hat
zwar viel mit Datenanalyse und damit auch mit Mathematik zu tun, sie erfordert
aber auch einen realistischen Blick auf die Triebkräfte menschlichen Handelns.
An den Märkten geht es nicht immer nur rational zu. Die Philosophie hat mir
geholfen, das Marktgeschehen besser zu verstehen.
TiAM: Hat sie auch die Namensgebung der Fonds
beeinflusst?
Wallwitz: Der
platonische Phaidros-Dialog dient uns als eine Blaupause für unseren Phaidros
Funds. Wenn der griechische Philosoph Platon ein Investor gewesen wäre, hätte
er uns geraten, rationale Entscheidungen zu treffen, dabei aber immer über
Intuition und Emotionen Rechenschaft abzulegen. Als unabhängiger
Vermögensverwalter sind wir bisher mit dieser Strategie gut gefahren.
TiAM: Das heißt konkret?
Wallwitz: Kurzfristig
können die Börsen sehr emotional sein. Das haben wir beispielsweise beim
Ausbruch der Corona-Pandemie erlebt. Langfristig orientieren sich die Märkte
aber an makroökomischen Trends, dem Wirtschaftswachstum, den
Unternehmensgewinnen sowie am Zinsniveau, sind also rational zu erfassen. Daher
ist es wichtig, sich mit den Ursachen des Wirtschaftswachstums zu befassen.
TiAM: Was sind für Sie die Ursachen des
Wirtschaftswachstums?
Wallwitz: Der Ökonom
Joseph Schumpeter beschreibt den Unternehmer als dynamischen Akteur, der
Innovationen vorantreibt und den Prozess der schöpferischen Zerstörung
initiiert. Unternehmen, die den Wandel nicht annehmen, laufen Gefahr, von einem
Herausforderer aus dem Markt verdrängt zu werden. Das Schumpeter-Prinzip bildet
den Dreh- und Angelpunkt unseres aktiven Anlageansatzes.
TiAM: Wie gehen Sie dabei vor?
Wallwitz: Schumpeter
unterschied zwischen Monopolisten und Herausforderern. Monopolisten sind
Unternehmen, die aus ihrer Marktposition heraus Überrenditen erwirtschaften
können. Herausforderer dagegen sind innovative Unternehmen, deren Erfolg auf
neuen Ideen und Geschäftsmodellen basiert. Schumpeter betrachtete die
Herausforderer als die Hauptmotoren wirtschaftlicher Entwicklung. Sie sorgen
durch ihre Innovationen für Wettbewerb. Im aktiven Management bedeutet das,
dass bei uns in der Aktienselektion die Kriterien Marktstellung und
Innovationsfähigkeit eine überragende Rolle spielen.
TiAM: Wie gehen Sie bei Anleihen vor?
Wallwitz: Auf der
Anleihenseite folgen wir dem Kairos-Ansatz. In der griechischen Mythologie
verkörpert Kairos den Gott des richtigen Augenblicks. Das heißt, mit unserem
Phaidros Funds Kairos Anleihen nutzen wir Opportunitäten an den Anleihenmärkten
und investieren antizyklisch in Ertrags- und Stabilitätsquellen.
TiAM: Und in Ihrem Mischfonds kombinieren Sie die beiden
Ansätze?
Wallwitz: Genau. Im
Phaidros Funds Balanced übernehmen Aktien die Rolle der Ertragsquelle, was
unserer Überzeugung entspricht, dass eine langfristige Vermehrung des Vermögens
nur über Aktien zu erreichen ist. Dies kombinieren wir mit Unternehmens- und
Staatsanleihen, wobei die Aktienquote tendenziell näher an der Maximalquote von
75 Prozent liegt als an der Minimalquote von 25 Prozent.
TiAM: Wie haben Sie mit diesem Ansatz die letzten 20
Jahre an den Märkten durchlebt?
Wallwitz: Hinter dem
immer schneller wirkenden Weltenlauf sehen wir langfristige Entwicklungslinien.
Dynamische Unternehmen haben in den vergangenen zwei Dekaden das
Wirtschaftsgeschehen neu geschrieben und mit ihrem Namen verbunden. Alphabet
(Google) steht für die Navigation im Internet, Airbnb bietet eine neue Form des
Reisens, und Apple revolutionierte die Kommunikation. Unsere Kunden sind trotz
aller Krisen in den vergangenen 20 Jahren mit sorgfältig aus-
gewählten Aktien und Anleihen sehr gut
gefahren – indem wir uns bemühen, in guten Zeiten die Börsengewinner im
Portfolio zu haben und bei schwierigen Börsenphasen auf Stabilität durch
aktives Management setzen.
TiAM: Abschließend gefragt, welche Rolle spielt KI in
Ihren Portfolios?
Wallwitz: Aufgrund des
Schumpeter-Ansatzes haben wir natürlich auch Technologietitel seit Jahren
stark gewichtet, bei denen der KI-Boom für zusätzliche Kursfantasie sorgte.
Wie bei jeder aufkommenden disruptiven Entwicklung stellen wir uns auch bei KI
die Frage, wo durch Innovation neue Potenziale in der Wertschöpfung von
Unternehmen entstehen und auf welche Geschäftsmodelle Investoren nach einem
ersten Hype den Blick richten sollten. Dabei zeigt sich, dass nicht unbedingt
der KI-Entwickler der größte Profiteur sein muss, sondern dass die KI-Anwender
langfristig die größten Renditen erzielen können – als Paradebeispiel für
die Dynamik der schöpferischen Zerstörung.
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