In diesem Interview sprechen wir mit Marcel Maschmeyer, Gründer der Paladin Asset Management InvAG, über eine Vielzahl an brandaktuellen Themen. Erfahren Sie, wie der Investment-Spezialist die aktuelle Zins- und Inflationspolitik einschätzt und wie die Themen Klimawandel und Wasserstoff in den Investment-Prozess integriert werden.
29.09.2023 | 09:38 Uhr
Wie bewerten Sie die momentane Zins- und Inflationspolitik der EZB?
Die Zins- und Inflationspolitik der EZB vollführt seit längerem einen Spagat zwischen Inflationseindämmung und wirtschaftlicher Stabilität. Notenbanker agieren somit nicht unabhängig von Börsen und Unternehmen. Bei Gefahr für die breite Stabilität der Wirtschaft sind Gegenmaßnahmen deshalb nicht unwahrscheinlich. Die Insolvenzquote klettert seit einiger Zeit nach oben. Für Unternehmen, die nur im Klima künstlich erzeugter Niedrigzinsen gedeihen konnten, wird es enger. Unter Druck stehen vor allem stark verschuldete Unternehmen und konjunktursensitive Geschäftsmodelle. Solche Abhängigkeiten meiden wir tunlichst bei unserer Aktienauswahl.
Der Ukraine Krieg dauert nun bereits über zwei Jahre. Inwiefern wirkt sich dieser anhaltende Konflikt auf die Auswahl von erfolgsversprechenden Unternehmen aus?
Für viele hatte der Krieg zunächst den Charakter eines Schwarzen Schwans. Er war plötzlich da, mit äußerst negativen Auswirkungen für viele Menschen. Und auch ökonomisch wurde viel durcheinandergewirbelt: Unterbrochene Lieferketten, akut verknappte Rohstoffe plus die jäh ausgelöste Energiekrise, um einige Probleme zu nennen. Die Kunst ist, ein möglichst robustes Portfolio aufzustellen. Etwa mit Unternehmen, deren Geschäftsmodelle möglichst entkoppelt von Makrofaktoren wie Rohstoffpreisen sind und die sich aus eigener Kraft weiterentwickeln können. Vorausschauendes Risikomanagement trägt ebenso zur Stabilität bei. Geht der breite Markt auf Talfahrt, leidet auch in einer defensiven Strategie wie dem Paladin ONE manches Unternehmen. Erfahrungsgemäß steht das Gesamtportfolio jedoch stabiler da, da wir die Einzelrisiken unserer im Schnitt 25 Werte bewusst gegeneinander aussteuern.
Wie wirkt sich der Aspekt Klimawandel und das damit einhergehende thematische Bewusstsein auf Ihre Arbeit aus?
Wir bei Paladin sind nah dran an den Lenkern der Unternehmen unseres Investmentuniversums und haben eigene ESG-Analysen in unseren Analyseprozess integriert. Seit 2022 sind unsere Portfolien auf Artikel 8 umgestellt, damit bereits gelebte Prinzipien im Fondsmanagement einen offiziellen Namen erhalten. Schön ist, dass Nachhaltigkeit meist ein quasi-natürliches Merkmal unserer Portfoliounternehmen ist. Das liegt vor allem an den risikoarmen, langfristig ausgelegten Geschäftsmodellen der Firmen, die wir aussuchen. Als eigene Kapitalverwaltungsgesellschaft können wir zudem unsere Stimmrechte frei nach Überzeugung einsetzen und so bei ESG-Fragen bis zu einem gewissen Grad Einfluss ausüben.
Wasserstoff ist momentan das Thema schlechthin, wenn es um erneuerbare Energien geht. Sind Unternehmen, die ihren Fokus auf erneuerbare Energien legen für Ihre Arbeit relevant?
Wir suchen keine Trendthemen, schließen sie aber nicht aus. Unabhängig von Branchen analysieren wir Micro-, Small- und Mid-Caps auf der Suche nach bestimmten Merkmalen, die uns überzeugen. Die Konsequenz unserer Herangehensweise ist, dass wir zyklische Werte meiden. Das Thema Wasserstoff können wir abbilden, wenn wir unsere Rahmenbedingungen erfüllt sehen. Wir wollen nicht für einen Hype bezahlen. Einer unserer Hidden Champions im Portfolio könnte sich aber tatsächlich „Wasserstoff“ auf die Fahne schreiben, macht es aber nicht. Das gefällt uns, ebenso wie die Position des Unternehmens in der Wertschöpfungskette: Wasserstoff-Infrastruktur. Schaufeln und Spitzhacken verkaufen, statt Gold zu suchen – mit dieser Vorstellung fühlen wir uns sehr wohl.
Worauf sollten Anleger achten, wenn sie in den Bereich von kleinen bis mittelgroßen Unternehmen investiert sein möchten? Was sind die häufigsten Fehler?
Für Privatinvestoren ist der Zugang zu Micro-, Small- und Mid-Caps schwierig, da es für kleine Unternehmen wenig bis kein frei zugängliches gutes Research gibt. Zudem laufen private Anleger in engen Märkten Gefahr von schlechten Deals beim Kaufen und Verkaufen. Nebenwerte sind auch für viele größere Asset Manager im Streben nach skalierbaren Produkten schwierig. Gute Stockpicks setzen aufwändiges Research voraus. Wir gehen diese Extra-Meilen als Hebel zum Mehrwert bewusst. Neben der eigenen Analyse entscheidet bei Nebenwerten das persönliche Netzwerk über den Erfolg. Benötigen klein(st)e Unternehmen Kapital, wissen am ehestens die Broker vor Ort Bescheid. Wir arbeiten mit über 20 solcher Nischenspezialisten zusammen und konnten uns so als früher Vogel schon an einigen Hidden Champions beteiligen.
Welche Entwicklung am Markt hat Sie in den zurückliegenden Monaten am meisten überrascht?
Dass die aktuellen Ineffizienten in unserem Segment so lange bestehen. Nebenwerte wurden im Jahr 2022 überproportional abgestraft, teils ungeachtet ihrer Geschäftsmodelle. Wir haben uns in den vergangenen Quartalen positioniert und überzeugende Unternehmen auf günstigen Niveaus zugekauft. Langsam aber sicher interessieren sich Anleger zwar wieder für die Fundamentaldaten größerer Unternehmen. Aber gerade bei den kleineren Unternehmen in unserem Portfoliosehen wir das Potenzial längst nicht ausgereizt.
Wie ist Ihre Prognose zur weiteren Marktentwicklung 2023?
Es bleibt volatil, denn die Welt und das Marktgeschehen sind durch politische Entscheidungen, Zinspolitik und Konjunktur massiv herausgefordert. Das führt zu übergeordneten Schwankungen. Hinzu kommt, dass wir in einer Welt leben, in der extrem gern passiv investiert wird. ETFs und ähnliches spiegeln größtenteils dieselben wenigen Benchmarks, was einen großen Teil der aktuellen Kaufkraft ausmacht. So werden, getrieben von Indizes, Preisbewegungen produziert, die mit den Fundamentaldaten der Unternehmen nur sehr wenig zu tun haben. Gerade in einem Umfeld wie diesem kommt es auf gute Stockpicks an, was aktives Management wieder stärker in den Blick von Investoren rücken dürfte. Das gilt speziell bei Micro und Small Caps.
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