Diego Díaz Pilas, Global Head of Technology and Ventures bei Iberdrola, gibt in diesem Gespräch mit Mega Einblicke in das Tempo der Energiewende und ihre Herausforderungen.
03.04.2024 | 07:06 Uhr
Frage: Wir lesen täglich von neuen sauberen
Technologien, Elektrifizierung und anderen Bemühungen, den Klimawandel
abzuwenden, und dennoch ist die Welt weiterhin stark von fossilen
Brennstoffen abhängig. Macht die Energiewende denn überhaupt
Fortschritte?
Antwort: Auf den ersten Blick
scheint sich der Wandel in den letzten zehn Jahren nur langsam vollzogen
zu haben – 80 Prozent des weltweiten Energiebedarfs werden immer noch
mit fossilen Brennstoffen gedeckt. Diese Zahl isoliert betrachtet
täuscht aber über den tatsächlichen Fortschritt hinweg.
Erneuerbare Energien, also Windkraft, Sonnenenergie und Energiespeicher,
sind gegenüber fossilen Brennstoffen wirtschaftlich wettbewerbsfähig
geworden. Jetzt müssen wir den Stromanteil am Gesamtenergiebedarf
erhöhen, was wir mit diesen spannenden Technologien erreichen können.
Und wir müssen auch andere Vektoren wie grünen Wasserstoff für das
nutzen, was wir nicht elektrifizieren können.
Gleichzeitig
muss für jeden Euro, der in die Elektrifizierung investiert wird, ein
weiterer Euro in die Stromnetze investiert werden. Wenn wir die
Nachfrage elektrifizieren wollen, müssen wir die Netzinfrastruktur
ausbauen. Darüber hinaus ist die Entwicklung von Energiespeichern das A
und O, um die zunehmende Elektrifizierung zu meistern.
Frage: Warum hat man den Eindruck, dass alles nur langsam vorangeht?
Antwort:
Das Rocky Mountain Institute erklärt, warum wir das Tempo der
Energiewende unterschätzen. Erstens: Die Menschen sehen diese
Entwicklungen als linear an. Aber technologische Veränderungen verlaufen
kaum jemals linear. Sie folgen einem S-Muster: Anfänglich nimmt die
Entwicklung oder Akzeptanz nur langsam Fahrt auf, aber ab einem
bestimmten Punkt, etwa bei 10% des Gesamtmarktes, wird das Wachstum
exponentiell, bis die Technologie dann dominierend wird.
Zweitens unterschätzen wir die Entwicklung, weil wir uns auf den Bestand
und nicht auf die Ströme konzentrieren. Der Anteil der Elektrofahrzeuge
auf den Strassen ist immer noch gering, aber der Anteil der Verkäufe an
der Gesamtzahl der Neuwagen ist extrem hoch. Es wird erwartet, dass bis
2030 35 Prozent und bis 2040 70 Prozent der Fahrzeugverkäufe auf
Elektrofahrzeuge entfallen werden.
Drittens: Es geht nicht mehr nur um den Klimawandel. Jetzt geht es um Technologie.
Und viertens neigen wir dazu, uns auf die Sektoren zu konzentrieren, in
denen die Energiewende am schwierigsten zu bewerkstelligen ist – das
Baugewerbe, die Verhüttung und dergleichen – und übersehen dabei all die
Fortschritte, die anderswo gemacht werden.
Frage: Aber die Sonne scheint nicht in der Nacht, der
Wind weht nicht immer und Batterien sind teuer, sodass wir immer noch
einen erheblichen Bedarf an fossilen Brennstoffen haben werden, oder?
Antwort:
Erstens werden diese Technologien gerade erst auf breiter Front
eingesetzt. 2022 wurden nur 5 Prozent des weltweiten Stroms mit
Photovoltaik erzeugt. Aufgrund der rasch sinkenden Kosten und der
technologischen Verbesserungen entfallen auf sie jedoch rund 60% der
weltweit neu hinzukommenden Kapazitäten. 2022 wurden 250 Gigawatt (GW)
für Solar zugebaut. 2023 waren es etwa 415 GW. Bis 2030 werden es 1.000
GW sein. Die Windkraftkapazität wächst langsamer als die Solarkapazität,
aber selbst in einem konservativen Szenario wird die Windenergie bis
2050 mit einem Anteil von etwa 36% an der Gesamterzeugung die grösste
Stromquelle sein. Dann werden Wind und Sonne zwei Drittel des weltweiten
Strombedarfs decken.
Was den Menschen oft nicht bewusst ist,
ist, dass die Erzeugung von Solar- und Windenergie komplementär ist. In
der Tat scheint die Sonne nur tagsüber. Aber genau dann, nämlich wenn
die Sonne nicht scheint, übernimmt die Windkraft – nachts und bei
bewölktem Himmel. Zusammen sind sie in der Lage, die Grundlast, also den
konstanten Strombedarf in einem Versorgungsgebiet, abzudecken. Der Rest
kann aus anderen erneuerbaren Energien wie Wasserkraft und Kernenergie
und einem immer kleiner werdenden Anteil aus fossilen Brennstoffen
stammen.
Frage: Was ist mit dem Problem der Intermittenz?
Antwort:
Die Energiespeicherung ist sehr wichtig, weil die Intermittenz immer
ein Problem sein wird. Lithium-Ionen-Batterien können vielleicht den
Tagesbedarf decken, aber sie sind keine praktikable Lösung für längere
Speicherzeiten. Thermische Speicher eignen sich hervorragend für die
Nutzung von Energie in Form von Wärme, sind aber ineffizient, wenn es
darum geht, Strom ins Netz zurückzuspeisen. Es werden neue Technologien
wie Wasserstoff entwickelt. Aber die wirtschaftlichste Lösung für eine
langfristige Speicherung ist und bleibt die Pumpspeicherung.
Wird ein Überschuss an Strom erzeugt, wird Wasser von einem tiefer
gelegenen Wasserbecken in ein höher gelegenes Reservoir gepumpt, und
wenn Strom benötigt wird, fliesst es über eine Turbine zurück, um Strom
zu erzeugen. Derzeit gibt es weltweit eine Pumpwasserkapazität von etwa
175 GW, die bis 2035 auf 389 GW ansteigen dürfte. Allein in Spanien
haben die bestehenden Staudämme ein Pumpspeicherpotenzial von mehr als
10 GW, und das zu wettbewerbsfähigen Kosten.
Überschüssige
Windenergie kann in der Nacht, wenn der Bedarf gering ist, zum Pumpen
genutzt werden. Solarenergie kann tagsüber zum Pumpen verwendet werden.
Man kann während der Ferienzeiten pumpen, wenn die Nachfrage geringer
ist. So kann man Wasser in das obere Reservoir pumpen und es dann in
Zeiten hohen Bedarfs zur Stromerzeugung nutzen.
Von Jennifer Boscardin-Ching, Senior Client Portfolio Manager, Themenaktien, Pictet Asset Management
Uns ist bewusst, dass die Umstellung auf saubere Energie ein komplexer und langwieriger Prozess ist, der nicht nur Unternehmen in der Stromerzeugung, sondern auch in den Bereichen Verkehr, Fertigung, Bauwesen, IT und Energieinfrastruktur betrifft. Dadurch ergeben sich Investmentchancen in der gesamten Wertschöpfungskette. Die jährlichen Investitionen in saubere Energie dürften sich bis 2030 auf mehr als 4 Bio. US-Dollar verdreifachen.
Erneuerbare Energien sind bereits in den meisten Teilen der Welt die günstigste Stromquelle. Die Internationale Energieagentur geht davon aus, dass der Anteil von Wind- und Solarenergie an der weltweiten Stromerzeugung bis zum Jahr 2050 auf 70% ansteigen wird (2021: 10%). Der breite Einsatz intermittierender erneuerbarer Energien ist jedoch eine grosse Herausforderung und erfordert ein Umdenken im Bereich des Lastmanagements und der Optimierung der Wechselwirkungen zwischen der Stromerzeugung und anderen Sektoren, insbesondere Elektrofahrzeuge und Beheizung privater Haushalte.
Für Versorgungsunternehmen besteht die Herausforderung darin, die Infrastruktur auf Haushalts- und breiter Netzebene aufzurüsten sowie den Grad der Digitalisierung und Konnektivität zu erhöhen, um das Netzmanagement und die Flexibilität zu verbessern. Dadurch eröffnen sich Geschäftschancen sowohl im Hardware- als auch im Softwarebereich, also Softwareprogramme, Halbleiter, Energiemanagementkomponenten usw.
Marketingdokument. Alle Formen von Kapitalanlagen sind mit Risiken
verbunden. Der Wert von Anlagen und die daraus erzielten Erträge sind
nicht garantiert und können sowohl steigen als auch fallen, so dass Sie
den ursprünglich investierten Betrag möglicherweise nicht
zurückerhalten.
Pictet Asset Management 2024. Alle Rechte vorbehalten. Bitte lesen Sie die Geschäftsbedingungen, bevor Sie die Website konsultieren.
Einige der auf dieser Website veröffentlichten Fotos wurden von Stéphane
Couturier, Magnus Arrevad, Lundi 13, Phovea, 13Photo, Magnum Photos,
Club Photo Pictet aufgenommen.
Diesen Beitrag teilen: