Im Interview mit Martin Siegel von der Stabilitas GmbH gehen wir der Frage nach, inwiefern Gold der Inflation und den hohen Zinsen seitens der Zentralbanken trotzt. Außerdem wird ein Resümee hinsichtlich der vergangenen 6 Monate gezogen und eine Prognose für das restliche Jahr gegeben.
22.06.2023 | 11:44 Uhr
Wie fällt Ihr bisheriges Fazit für das bisherige Jahr 2023 aus? Womit haben Sie im Bereich Edelmetalle gerechnet und was hat Sie doch sehr überrascht?
Gold verzeichnet eine sehr ruhige Entwicklung und kann auch in diesem Jahr moderat zulegen. Es zeigt sich als Feld in der Brandung und widersteht wieder einmal jeder Krise. Der Goldpreis scheint auch die restriktive Geldpolitik der Zentralbanken, also den steigenden Zinsen, und die Rezessionsneigung in der Wirtschaft mühelos wegzustecken. Dagegen bleiben Silber und Platin bislang zurück.
Welche Auswirkungen hat eine hohe Inflationsrate auf den Wert von Edelmetallen wie Gold und Silber?
Die Inflation, verstanden als die Ausweitung der Geldmenge, hat einen wesentlichen Einfluss auf den Goldpreis. Gold konnte die Entwertung des Papiergeldes in den letzten beiden Jahrzehnten ausgleichen und die Kaufkraft erhalten. Es gibt für uns keinen Grund anzunehmen, dass Gold diese Funktion in den nächsten Jahren verlieren könnte. Die Preissteigerungsrate der Konsumgüter, die oftmals als Inflation bezeichnet wird, ist die mittel- bis langfristige Auswirkung der Ausweitung der Geldmenge. Diese Rate ist in der Folge der Lockdown-Maßnahmen und der Gaskäufe des Klimaministers Robert Habeck in den Jahren 2021 und 2022 deutlich angestiegen und bis zum Jahresende 2023 wieder rückläufig sein.
Wie können Edelmetalle als Absicherung gegen Inflation dienen?
Physisches Gold gleicht die durch die Erhöhung der Geldmengen induzierten Kaufkraftverluste der Papierwährungen langfristig aus und kann über viele Münzhändler und Banken gekauft werden. Die Alternative der Anlage in Form von Sparguthaben oder Anleihen war je nach Bewertungszeitraum oft die schlechtere Variante.
Inwiefern beeinflussen die Zinssätze die Nachfrage nach Edelmetallen?
Die Zinssätze der Zentralbanken sind nur einer von vielen Einflussfaktoren des Goldpreises. Derzeit sind diese Zinssätze für unsere überschuldeten Volkswirtschaften viel zu hoch und würgen die Wirtschaft ab. Eine ausgeprägte Rezession hätte einen negativen Einfluss auf den Goldpreis, da sie den Wohlstand der Bevölkerung verringern würde. Gold ist aber ein Metall des Wohlstands und des Friedens. Insbesondere bei wachsendem Wohlstand und in Friedenszeiten gibt es einen nachhaltigen Anstieg der Nachfrage nach Gold und damit einen steigenden Goldpreis.
Gibt es historische Beispiele, bei denen Edelmetalle während einer Periode hoher Inflation besonders an Wert gewonnen haben?
Eigentlich waren nur die Jahre 1976 bis 1980 eine Phase mit hohen Inflationsraten und einem steigenden Goldpreis. In den übrigen Zeiträumen gab es sämtliche Konstellationen mit unterschiedlichen Vorzeichen.
Wie lauten ihre Prognosen für das restliche Jahr?
Die Zentralbanken werden bereits im Jahresverlauf 2023 und in 2024 gezwungen werden, die Zinsen wieder zu senken oder die Geldmenge über Anleihekäufe wieder zu erhöhen, um einen Kollaps der Realwirtschaft zu vermeiden. Damit werden die Zentralbanken signalisieren, dass sie den Kampf gegen die Inflation wieder aufgegeben haben. In diesem Umfeld dürften die Aktienmärkte ihren Aufwärtstrend wieder aufnehmen, die Immobilienpreise würden stabilisiert und die Edelmetalle als klassische Sachwerte wieder unterstützt. Sollten die Zentralbanken dagegen ihre Hochzinspolitik fortsetzen, könnte dies eine weltweite Finanz- und Bankenkrise mit einbrechenden Preisen für Sachwerte zur Folge haben. Im Hinblick auf die Zentralbankpolitik seit 2008 ist dieses Szenario allerdings eher unwahrscheinlich.
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