Wachstum in Europa und den USA positiv

Im September an den Börsen kräftige Rückschläge möglich

19.08.2013 | 09:34 Uhr

Eine aktuelle Markteinschätzung von Dr. Manfred Schlumberger, Sprecher der Geschäftsführung des BHF TRUST.

Bis Jahresende sind von konjunktureller Seite insbesondere in den USA, aber auch in Europa, weitere moderate Verbesserungen in Sicht. Am besten dürfte sich die Entwicklung in den USA darstellen. Die negativen Wachstumseffekte des kalten Winters und insbesondere die automatischen Haushaltskürzungen (Sequester) schlagen ins Positive um und sollten zu einer Beschleunigung des Wachstums auf 2 % in diesem und anähernd 3 % im nächsten Jahr führen. Das Mutterland der Finanz- und Staatsschuldenkrise entwickelt sich zur "Insel der Seligen" mit preisgünstigen Produktionsfaktoren wie Energie und Arbeit.

Auch in Europa geht es nach dem kalten Winter aufwärts. In Deutschland wird konsumiert, weil es auf dem Sparbuch nichts mehr gibt. Portugal wächst sogar, Italien und Spanien aber leider nicht. Frankreich steigt wie Phönix aus der Asche und erst bei genauerem Hinsehen erkennt man, dass die hohen Heizkosten in den kalten Wintermonaten und ein satter Lageraufbau das Wachstum im Wesentlichen generiert haben. Dennoch scheint sich in Europa eine Trendwende aus der Rezession für das nächste Jahr abzuzeichnen.

Selbst China zieht für das Wirtschaftswachstum einen "Floor" von 7 % ein und liefert umgehend die passenden Statistiken. Leider besagt jedoch die Empirie, dass starkes Wachstum bzw. die Erwartungen darauf negativ mit der Aktienmarktentwicklung korrelieren. Wer das nicht glaubt, muss einfach nur das chinesische Wachstum und den entsprechenden Aktienmarkt seit 2010 betrachten.

Zins und Konjunktur sprechen für Europa
Traditionell gehen steigende Wachstumserwartungen nämlich mit steigenden Zinsen einher. Gott sei Dank ist davon in den USA bezüglich der Leitzinsen noch bis mindestens 2015 nichts zu erwarten - aber im September wird die FED vermutlich beginnen, weniger Anleihen zu kaufen und damit den künstlichen Druck auf die Zinskurve vermindern. Mit der relativ höheren Aktienmarktbewertung in den USA sollte also die Outperformance der US-Aktienmärkte sukzessive verschwinden.

Die günstigere Bewertung und der Druck auf die EZB, angesichts des negativen Kreditwachstums in Europa die Zinsen eher noch weiter nach unten zu schrauben, spricht für die europäischen Aktienmärkte.

Der ausgebombte chinesische Aktienmarkt zeigte in den letzten Wochen leichte Erholungstendenzen, die sich sofort auch in den hochkorrelierten Grundstoffaktien positiv niederschlugen. Doch eine Schwalbe macht noch keinen Sommer und dürfte den Drachen nicht nachhaltig auf Trab bringen. Das horrende Kreditwachstum erlaubt der chinesischen Führung nicht, ihre potenziell vorhandenen geld- und fiskalpolitischen Möglichkeiten zur Wachstumsstimulierung zu nutzen. Die Idee, das Problem der Kreditblase durch Verpackung der faulen Kredite in handelbare Wertpapierkonstrukte und deren Verkauf an internationale Banken zu lösen, erscheint genial, aber möglicherweise nicht realistisch. Zwar spricht die Aktienbewertung für den chinesischen Markt, die Kombination aus sich tendenziell weiter abschwächendem Wachstum und fehlender, weil nicht möglicher monetärer Stimulierung wiegt jedoch schwerer und lässt keine nachhaltige Outperformance erwarten.

Die enormen Inflationsrisiken in den großen Schwellenländern Brasilien und Indien sprechen auch dort nicht gerade für monetäre Unterstützung und damit kräftig steigende Märkte. Alles in allem deutet also die Verbindung aus anhaltender monetärer Stimulierung (mehr in Europa als in den USA) und moderater konjunktureller Erholung auf positive Aktienmärkte primär in den alten Industrieländern hin.

Technik deutet auf schwachen September hin
Diesem beruhigenden monetären und fundamentalen Szenario steht jedoch der anstehende Börsenhorrormonat September entgegen. Seit Mark Twain wissen wir, dass dies der gefährlichste Börsenmonat ist (abgesehen von den anderen 11 Monaten). Eine dramatisch niedrige Volatilität, geringe Put/Call-Ratios, zunehmende Nervosität der Marktteilnehmer, aber noch ohne konkrete Absicherungsaktionen, sich dramatisch verschlechternde technische Konstellationen mit sich abzeichnenden Topformationen und zahllosen Divergenzen bauen schlechte Omen für die Aktienmärkte auf. Technische Signale haben oft einen sich selbsterfüllenden Prophezeiungscharakter.

Sollten es die Aktienmärkte also in den nächsten Tagen und Wochen nicht schaffen, weiter auf neue Höchstände zu marschieren (DAX, S+P 500), spricht viel für einen hoffentlich kurzen, aber möglicherweise doch heftigen Rücksetzer auf die Juni-Tiefstände. Das wären beim DAX Kurse deutlich unter 8.000 Punkten. Die damit einhergehende Panik könnte dann eine gesunde Basis für eine veritable Jahresendhausse darstellen, ehe uns dann im nächsten Jahr wieder die Realität - Stichwort Schuldenschnitt in der Euro-Peripherie - einholt.

Der Marktausblick im pdf-Dokument.

Hintergrund:
Dr. Manfred Schlumberger, geboren 1958 in Langenau, Studium der Wirtschaftswissenschaften an der Universität Augsburg mit Promotion, berufliche Stationen bei Frankfurter Volksbank, DIT und Dresdner Bank. Seit 2001 bei der BHF Trust Management Gesellschaft für Vermögensverwaltung mbH. Dort Sprecher der Geschäftsführung und Leiter der klassischen und individuellen Vermögensverwaltung. Dr. Schlumberger managt für FRANKFURT-TRUST den 300 Mio. Euro schweren vermögensverwaltenden BHF Flexible Allocation FT (ISIN: LU0319572730).

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