„Das Verharren der Inflation auf äußerst niedrigem Niveau würde ein großes Problem für die am höchsten verschuldeten europäischen Länder darstellen“, sagt Didier Saint-Georges, Mitglied des Investmentkomitees bei Carmignac.
28.10.2014 | 13:14 Uhr
Die gute Performance der Finanzmärkte in den letzten fünf Jahren ist ein Beleg dafür, dass sich die Volkswirtschaften wieder von der großen Krise des Jahres 2008 erholt haben, wie auch für die beispiellose Beteiligung der Notenbanker. Es ist durchaus möglich, dass das rosige Szenario eines bescheidenen, aber lang anhaltenden Konjunkturzyklus in Verbindung mit den von den Zentralbanken bereitwilligst relativ niedrig gehaltenen Zinsen weiter Bestand hat. In diesem Falle würden die Aktienmärkte weiterhin eine ordentliche Performance verzeichnen und gleichzeitig die Anleihenkurse eine leichte Korrektur erfahren. Dieses Szenario basiert jedoch auf einem Stapel von Ungleichgewichten, deren friedlicher Ausgleich unseres Erachtens heute noch nicht mit völliger Sicherheit abzusehen ist. Die jüngste Häufung von Risikofaktoren hat uns zu höherer Wachsamkeit veranlasst.
Die Bedeutung des Wachstums in der Eurozone
Ein radikal deflationistisches Szenario in der Eurozone wäre gewiss übertrieben. Zudem ist die Entschlossenheit Mario Draghis, die Wirtschaft in der Eurozonemit allen ihm verfügbaren Mitteln zu unterstützen, ein beachtlicher Vorteil. Aber die äußerst niedrige Inflation, von der selbst Mario Draghi zugibt, dass sie mittelfristig auf diesem Stand verharren wird, stellt ebenso wie das geringe Wachstum ein Problem für die Zukunft derjenigen Länder dar, die unter einer hohen Staatsverschuldung und unzureichender Wettbewerbsfähigkeit leiden. In dieser Hinsicht bereiten uns Italien und Frankreich Sorgen. Während die Deflation wie in Spanien, Portugal und Irland vor allem bedeutenden Bemühungen zur Produktivitätssteigerung zu verdanken ist, die heute zur Erholung des Außenhandels beitragen, geht es in Frankreich und Italien um die schwache Wirtschaftsaktivität. Zwar hat Italien immer noch einen Haushaltsüberschuss von 2,3% vor Schuldenbelastung.
Unseren Schätzungen zufolge bräuchte Italien jedoch einen doppelt so hohen Überschuss, um seine Staatsverschuldung (die derzeit bei 135% des BIP liegt) wieder zurückfahren zu können. Dieses Problem stellt ein zusätzliches Risiko für das Wirtschaftswachstum dar, was durch die Bemühungen Matteo Renzis um die Umsetzung seines – notwendigen – Strukturreformprogramms noch verstärkt wird. Was Frankreich anbelangt, so liegt seine Staatsverschuldung schon beinahe bei 100% des BIP. Zudem leidet das Land anders als Italien unter einem strukturellen Haushaltsdefizit vor Schuldenbelastung.In Anbetracht der sehr niedrigen Inflation werden die notwendigen Anpassungen zur Kontrolle der französischen Staatsfinanzen unfehlbar weiterhin das Wachstum bremsen. In Deutschland hat sich das Geschäftsklima (IFOIndex) seit Jahresbeginn deutlich verschlechtert, und die Bundesregierung hat ihre Entschlossenheit bekräftigt, für einen ausgeglichenen Haushalt zu sorgen, und gleichzeitig eine fiskalische Unterstützung ihrer europäischen Partner ausgeschlossen. Bleibt noch zu berichten, dass ein anhaltender Rückgang des Euro, zu dem die Initiativen der EZB beigetragen haben (siehe Carmignac`s Note vom September), den Exportwirtschaften zugutekommen wird. Aber wir sollten uns nicht täuschen: einerseits wird vor allem Deutschland dank seines starken Außenhandels davon profitieren, und andererseits wirkt sich dieser Rückgang der Einheitswährung wie eine Zusatzsteuer auf die Kaufkraft der italienischen und französischen Verbraucher aus.
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