Die Börsen haben derzeit mit vielen Unwägbarkeiten zu kämpfen. Geopolitische Spannungen, die Wahlen in den USA – doch dann kommt aus Fernost plötzlich ein Hoffnungsschimmer daher.
08.10.2024 | 05:00 Uhr
„Immer wenn du glaubst es geht nicht mehr, kommt von irgendwo ein Lichtlein her“. Der Spruch von Rainer Maria Rilke passt derzeit auf die Stimmung an den Börsen. Der Grund: Chinas Börsen feiern die expansivere Geld- und Fiskalpolitik in ihrem Land – und der Rest der Welt hofft, dass damit die Schwäche der chinesischen Wirtschaft ein Ende findet und das Land der Mitte wieder zu einer Lokomotive der Weltwirtschaft wird – zumindest ein bisschen. Kriegsangst im Nahen Osten hin oder her.
Die Indizes in Hongkong legten innerhalb von nur zwei Wochen rund ein Drittel zu und schossen auf ein 20-Monats-Hoch. Noch im September hatten einige chinesische Indizes ein Fünfjahrestief markiert. Die Börsen reagieren damit auf eine Anzahl wirtschaftspolitischer Ankündigungen aus Peking. Dazu zählten Leitzinssenkungen, weitere geldpolitische Lockerungen, Überweisungen an ärmere Chinesen, eine Liberalisierung des Häusermarkts und die Forderung an die Parteikader, sich wieder stärker um die Wirtschaft zu kümmern. Das alles hat die Aktienmärkte elektrisiert. Neue Hoffnung war geboren. Das hat auch den DAX zu einem neuen Rekordhoch getrieben. Denn vor allem die exportorientierten Unternehmen fassen neuen Mut.
Nun, mittlerweile hat sich die gute Laune wieder etwas eingetrübt. Die alten Ängste und Sorgen haben wieder Überhand gewonnen. Der Nahost-Konflikt hat nach dem Eintritt des Iran den Ölpreis in die Höhe getrieben, was neue Konjunktursorgen schürt. Dazu kommen die US-Wahlen, deren Ausgang so offen wie schon seit vielen Jahren nicht mehr sind und weitreichende Konsequenzen für die Börsen hat. Denn Trump oder Harris – die Richtung wird dann neu ausgelotet.
Deshalb sind wir auch weiter etwas vorsichtiger unterwegs und haben die Aktienquote in unserem Frankfurter Aktienfonds für Stiftungen etwas gesenkt. Dabei haben wir mit der norwegischen Storebrand und dem französischen Versicherungskonzern SCOR zwei europäische Finanztitel am höchsten gewichtet. Unser Frankfurter UCITS-ETF – Modern Value ist dagegen wie immer voll investiert. Hier haben sich vor allem die britische Immobilienplattform Rightmove und Carl Zeiss Meditec besonders positiv entwickelt.
Wie diese vier Titel exemplarisch zeigen, sind wir vor allem für europäische Aktien optimistisch. Zum einen sind europäische Titel günstiger bewertet als US-Aktien. Des Weiteren haben die jüngsten Inflationsdaten gezeigt, dass die Teuerungsrate im Euroraum und vor allem in Deutschland deutlich nachgegeben hat. Das eröffnet der EZB wiederum den notwendigen Spielraum die Zinsen weiter zu senken, was den Märkten neuen Schub geben dürfte.
Apropos Bewertungen: Deutsche Aktien handeln derzeit mit einem historisch hohen Abschlag von über 40 Prozent gegenüber ihren US-Pendants. Ein Grund: der seit über zwei Jahren anhaltende Nettoabfluss von Investorengeldern aus deutschen Aktien. Das dürfte auch an der geringeren Profitabilität deutscher Unternehmen liegen. Knapp die Hälfte der im MDAX gelisteten Unternehmen hat eine Gewinnmarge von unter fünf Prozent, beim DAX sind es fast 30 Prozent – beim S&P 500 hingegen nur etwa zehn Prozent. Während der DAX mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von etwa zwölf entlang seines historischen Mittels handelt, ist der MDAX mit 13 günstiger bewertet als an 90 Prozent der Handelstage der vergangenen 20 Jahre. Das sollte sich irgendwann mal auflösen.
Aber: Vorsicht scheint das Gebot der Stunde zu sein. Zu viele Unsicherheiten und Sorgen liegen auf den Märkten. Dies gilt vor allem an der Entwicklung der Eskalationsstufen im Nahen Osten. Doch wir werden den Kopf nicht in den Sand stecken. Schließlich ist das laufende 4. Quartal das traditionell beste des Jahres für die Börsen. Und wenn sie denn losgeht, möchten wir selbstverständlich bei der Jahresendrally mit dabei sein.
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