Rückblick auf die vergangene Woche
Putin ante Portas. Europa muss sich schützen. Also her mit den Waffen. Alles andere muss erst einmal zurückstehen. Der Klimaschutz kann warten. Es gibt erst einmal Wichtigeres zu tun. Könnte man meinen. Ganz so einfach ist es dann doch nicht. Die Welt ist komplex. Wer meint, die Grünen hätten nur aus ideologischer Verblendung dafür gesorgt, dass 100 Milliarden des geplanten 500 Milliarden Euro schweren Sondervermögens in den Klima- und Transformationsfonds (KTF) fließen, verkennt, wie wichtig eine nachhaltige Energiepolitik ist. Und zwar nicht nur aus Klimaschutzgründen, sondern auch wirtschaftspolitisch und strategisch, um nicht zu sagen: militärisch.
Europa hat nur sehr begrenzte Energieressourcen – bezogen auf Öl und Gas. Beim Thema Erneuerbare Energien sind wir auf unserem Kontinent – und insbesondere in Deutschland – auf einem guten Weg, unsere Abhängigkeit von Energiezulieferern zu verringern. Und das ist gut so. Denn Hand aufs Herz und ehrlich gemacht: All unser Gas und Öl, das wir importieren, stammt aus Staaten, deren Regierungen es mit der Demokratie nicht allzu ernst nehmen. Die USA können wir leider mittlerweile auch dazu zählen.
Als eine der letzten Inseln der sogenannten Freien Welt auf diesem Planeten kann Europa sich diese Abhängigkeiten nicht mehr leisten. Auch aus Kostengründen. Vor allem in Krisenzeiten – ausgerechnet dann, wenn das Geld erfahrungsgemäß knapp wird – zahlen wir einen sehr hohen Preis an Despoten, die die Taschen dann besonders weit aufhalten oder den Gashahn einfach zudrehen. Siehe Russland. Aber auch schon die Corona-Krise sollte uns eine Lehre gewesen sein. Die tiefe Verbeugung des deutschen Wirtschaftsministers vor dem Energieminister von Katar ist vielen vielleicht noch gut in Erinnerung. Der Gas-Deal scheiterte letztlich, weil die Kataris trotz Habecks Hofknicks astronomische Preise forderten. Auch die USA sind kein verlässlicher Energielieferant mehr, seitdem ein Präsident im Amt ist, der nach Gutdünken Strafzölle verhängt oder sogar mit einem Krieg gegen Dänemark droht. Wer immer noch erzählt, Öl und Gas seien preiswerter als grüne Energien, blendet solche Szenarien aus. Dazu kommt, dass im (hoffentlich nicht eintretenden aber leider nicht mehr auszuschließenden) Krisenfall viel Öl und Gas fürs Militär gebraucht wird, das gegebenenfalls anderswo eingespart werden muss. Das ist der strategische Aspekt.
Investitionen in grüne Energien und Einsparungen im Verbrauch sind gefragt
Dem Mangel an fossilen Energieressourcen kann Europa auf zwei Arten begegnen. Erstens: Der Anteil erneuerbarer Energien am Energiemix muss gesteigert werden. Zweitens: Die Effizienz beim Verbrauch muss sinken. Insbesondere dieser zweite Aspekt kommt in Diskussionen oft zu kurz. Einer aktuellen Studie der Internationalen Energieagentur zufolge werden in Frankreich, Deutschland, Italien und Polen 57 Prozent des Energieverbrauchs verschwendet. Diese Ineffizienz kostet die vier Staaten 328 Milliarden Euro jährlich. Das ist ein Schatz, den es zu heben gilt, um Europas hohe Energiekosten zu senken, die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen zu steigern und die Autarkie der europäischen Wirtschaft zu sichern. Die gute Nachricht lautet, dass Europa mit dem Green Deal grundsätzlich den richtigen Weg eingeschlagen hat, um genau diese beiden oben genannten Herausforderungen anzugehen: nämlich grüne Technologien zu fördern und den Energieverbrauch effizienter zu gestalten.
ESG-Regulierung zu kompliziert, aber trotzdem wirkungsvoll
Um diese dringend nötige Transformation zu finanzieren, hat sich die EU viel Mühe bei der Regulierung der Finanzindustrie gegeben. Die EU-Taxonomie, die Offenlegungsverordnung und unzählige weitere Regulierungs-Initiativen außerhalb und innerhalb dieser beiden bürokratischen Monsterpakete sind zwar alles andere als perfekt und in Teilen sogar unlogisch, kontraproduktiv und völlig an der Kapitalmarkt-Praxis vorbeikonzipiert. Doch die EU hat damit einen Zug ins Rollen gebracht, den Anleger auch in diesen Zeiten, in denen in den Medien mehr über Waffentechnologien als über Windräder, Solaranlagen und Gebäudedämmung diskutiert wird, nicht ignorieren sollten. Denn es geht hier um viel Geld, das erstens investiert werden muss und zweitens im Ergebnis die Unternehmen stärkt, die effizienter und damit im besten Sinne nachhaltiger wirtschaften. Was wiederum ihren Wert an der Börse steigert.
Impact Investing als passende Anlagestrategie
Die Frage ist, welche Art von Wertanlage die geeignete ist, um von den großen Kapitelströmen zu profitieren, die in Europa per Regulierung in Richtung Nachhaltigkeit umgelenkt werden. Darauf gibt es keine einfache Antwort. Aber es gibt einen Sektor, der zumindest am relativ schärfsten die wichtigsten Kriterien erfüllt. Gemeint sind Wertpapiere, Fonds und Finanzprodukte, die sich mit dem Siegel „Impact Investing“ schmücken dürfen. Denn damit wird gezielt Kapital in die Entwicklung und Anwendung grüner Technologien investiert. Die Projekte, die damit gefördert werden, müssen dokumentieren, was sie tun und wie erfolgreich sie damit sind. Das ist zwar keine Garantie für Fehlinvestitionen. Geschummelt wird überall. Und die Dokumentationspflichten für die Unternehmen und die Fonds sind – wen wundert es – eigentlich zu kompliziert. Doch im Vergleich zu allen Alternativen bietet dieser Sektor für Anleger die höchste Treffsicherheit dafür, genau das zu erreichen, was man als verantwortungsvoller Investor erreichen will. Plus Wertsteigerung, Dividende und/oder Zinsen.
Fazit: Die Nachhaltigkeitsregulierung der EU ist zwar viel zu kompliziert. Doch sie bewirkt das Richtige. Die gute Nachricht für Anleger lautet: Sie können davon profitieren – und dies mit mehrfach gutem Gewissen. Sie tun etwas fürs Klima. Sie stärken Europas Wirtschaft, ganz besonders die in der grünen Transformation engagiertesten Unternehmen – und damit auch ihr eigenes Wertpapierportfolio. Und sie investieren in die Autarkie unseres Kontinents.
Interessante Termine in den kommenden Tagen
Am Dienstag lädt die Bundesregierung zum „Berlin Energy Transition Dialogue“ ein. Zum Energie-Gipfel im Auswärtigen Amt werden mehr als 2.000 Teilnehmer aus über 130 Ländern, mehr als 50 Außen- und Energieminister und Staatssekretäre sowie rund 100 Redner erwartet. Das Treffen, bei dem über die Zukunft der Erneuerbaren Energien diskutiert wird, findet jedes Jahr im Frühling in Berlin statt.
Am Mittwoch entscheidet die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) über den weiteren Kurs der Geldpolitik inklusive der Höhe des Leitzinses. Die Terminmärkte preisen für den Rest dieses Jahres Zinssenkungen der Fed um 75 Basispunkte ein. Das ist eine sehr optimistische Annahme. Es gibt mittlerweile etliche Stimmen, die eine Zinserhöhung schon am Mittwoch nicht mehr ausschließen.
Am Donnerstag lädt das Unternehmen HelloFresh in Berlin zum „HelloFresh Capital Markets Day“ ein. Aktionäre, die vor vier Jahren die Aktien des Unternehmens zum Preis von fast 100 Euro gekauft haben, bekommen vielleicht sogar umsonst etwas Warmes zu essen. Und falls nicht: Die erste Essens-Box mit insgesamt sechs Portionen gibt es im Rabatt-Paket schon für 19,49 Euro. Um sich so eine Box leisten zu können, muss man nur drei HelloFresh-Aktien zum heute aktuellen Preis von 8,20 Euro verkaufen und hat dann sogar noch Trinkgeld für den Lieferanten übrig.
Am Donnerstag und Freitag tagt der Europäische Rat. Drei Schwerpunkte zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Europäischen Union werden dort besprochen: die Vereinfachung der EU-Regulierungen, die Stärkung der Energieversorgung und der Ausbau der Spar- und Investitionsunion. Darüber hinaus werden die Teilnehmer der Konferenz einen ersten Gedankenaustausch über den nächsten mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) und neue Eigenmittel führen. Keine Frage: EU-Ratspräsident António Costa hat sich das Bohren sehr dicker Bretter für dieses Treffen vorgenommen.
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