Metzler AM: Das Ende der Ampel

Edgar Walk, Chefvolkswirt von Metzler Asset Management
Kommentar

Erste Einschätzungen zum Aus der Ampel von Edgar Walk, Chefvolkswirt von Metzler Asset Management:

07.11.2024 | 12:10 Uhr

Politisches Szenario und Auflösung der Ampel-Koalition

Mit der Entlassung von Finanzminister Christian Lindner und dem Austritt der FDP aus der Ampel-Koalition hat Bundeskanzler Olaf Scholz seine parlamentarische Mehrheit verloren, was eine Vertrauensabstimmung und potenzielle Neuwahlen im März 2024 notwendig macht. Scholz wird bis dahin eine Minderheitsregierung führen, die von der SPD und den Grünen unterstützt wird, aber ohne stabilen Haushalt für das Jahr 2025 dasteht. Die Zeit bis zu den Neuwahlen wird von Unsicherheiten geprägt sein, doch es besteht die Hoffnung, dass zumindest in wichtigen Bereichen wie der Unterstützung für die Ukraine eine konstruktive Zusammenarbeit mit der Opposition (CDU/CSU) möglich ist.

Wachsende Unterstützung der CDU/CSU und drohende Verluste für die bisherigen Regierungsparteien

Umfragen deuten darauf hin, dass die SPD, die Grünen und die FDP bei Neuwahlen verlieren werden, während die CDU/CSU derzeit bei etwa 32 % Zustimmung liegt. Die AfD, die als rechtsgerichtete Partei keine Koalitionspartner finden dürfte, liegt bei rund 17 %. Diese politische Dynamik macht eine Regierung unter Führung der CDU/CSU wahrscheinlich, die jedoch auf einen Koalitionspartner angewiesen wäre. Die angestrebte Regierungszusammenarbeit könnte entweder die SPD oder möglicherweise die Grünen umfassen, wobei Verhandlungen über die Schuldenbremse eine Schlüsselrolle spielen könnten.

Wirtschaftspolitische Herausforderungen und Reformdruck

Die voraussichtliche neue Regierung unter der CDU/CSU könnte ein Reformpaket umfassen, das wirtschaftliche Stärkung, Investitionsförderung und Steuererleichterungen für Unternehmen vorsieht. Dieses Paket wäre jedoch auf eine Lockerung der Schuldenbremse angewiesen, um fiskalischen Spielraum für Investitionen zu schaffen. Diese Veränderungen sollen einerseits die Binnenwirtschaft stärken, da das deutsche Geschäftsmodell, das auf Exporten basiert, unter Druck steht, und andererseits die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland verbessern.

Makroökonomische Unsicherheiten und Wachstumshemmnisse

Die wirtschaftspolitische Unsicherheit der letzten Monate und die internen Streitigkeiten der Ampel-Koalition haben das Wachstum gehemmt und Investitionen verzögert. Das Ende der Ampel und die Aussicht auf Neuwahlen bewerte ich positiv, da dies Klarheit schaffen und damit die wirtschaftlichen Voraussetzungen verbessern könnte. Die Wachstumsprognosen für Deutschland bleiben derzeit gedämpft, aber eine stabile Regierung könnte diese mittelfristig positiv beeinflussen.

Herausforderungen der geopolitischen Lage und der deutschen Außenpolitik

Die Wiederwahl von Donald Trump in den USA hat die politische Lage in Deutschland weiter destabilisiert. Trumps potenzielle Einführung von Strafzöllen und eine mögliche Reduktion der Unterstützung für die Ukraine erfordern eine verstärkte Führungsrolle Deutschlands in Europa. Eine funktionsfähige und stabile Regierung ist notwendig, um dieser geopolitischen Herausforderung zu begegnen und die Verteidigungs- und Unterstützungsmaßnahmen für die Ukraine zu koordinieren.

Strukturreformen für ein zukunftsfähiges Geschäftsmodell

Deutschland steht vor erheblichen Herausforderungen, darunter hohe Energiepreise, eine schwache technologische Position und die Notwendigkeit einer Reform des sozialen Sicherungssystems. Es ist dringend notwendig, sich von der Fokussierung auf den Export zu lösen und die Binnennachfrage durch Konsum und Investitionen zu stärken.
Dies könnte meiner Ansicht nach erreicht werden durch folgende Maßnahmen:

  • Schuldenbremse abschaffen: Um mehr Spielraum für öffentliche und private Investitionen zu schaffen.
  • Sozial- und Rentensystem reformieren: Kürzungen in den Renten und im Bürgergeld, um Anreize zur Arbeitsaufnahme zu erhöhen.
  • Einwanderer effizienter integrieren: Maßnahmen zur besseren Arbeitsmarktintegration seien notwendig.

Führungsrolle Deutschlands in der Ukraine-Unterstützung

Eine strategische Unterstützung der Ukraine sei nicht nur moralisch, sondern auch sicherheitspolitisch dringend notwendig. Deutschland müsse seine Führungsrolle in der europäischen Sicherheitspolitik stärken, um potenzielle Risiken, wie eine erneute Eskalation des Konflikts durch eine russisch kontrollierte ukrainische Armee, zu vermeiden. Die deutsche Unterstützung sollte zügig und umfassend erfolgen, um die Ukraine weiterhin zu stützen.

Modernisierung und Bürokratieabbau

Ein umfassender Bürokratieabbau und eine Modernisierung des Wirtschaftsstandorts Deutschland sind notwendig. Dies umfasst meiner Meinung nach auch die Möglichkeit, Atomkraftwerke erneut in Betracht zu ziehen und in die Energiewende zu investieren, um Energiepreise langfristig zu senken und die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken.

Fazit

Insgesamt sehe ich das Ende der Ampelkoalition als eine Chance, dringend notwendige wirtschaftliche und politische Reformen in Deutschland anzugehen, die Wachstum und Stabilität fördern könnten. Eine neue Regierung sollte sich daher auf Investitionen, Reformen im Sozialsystem und die Stärkung der Binnenwirtschaft fokussieren, um das Land auf eine zukunftsfähige Basis zu stellen.

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