Morgan Stanley IM: Das bedeuten die gestiegenen Anleiherenditen für die Kapitalmärkte

Jim Caron, Chief Investment Officer, Portfolio Solutions Group, Morgan Stanley IM
Kommentar

Anleger sollten sich nicht die Frage stellen, warum die Anleiherenditen steigen – sondern warum die Renditekurve steiler wird.

21.01.2025 | 11:11 Uhr

Das betont Jim Caron, Chief Investment Officer der Portfolio Solutions Group von Morgan Stanley Investment Management. Er analysiert, was die jüngsten Entwicklungen am Anleihemarkt für die Kapitalmärkte bedeuten.

Hier sein aktueller Marktkommentar:

„Zu Beginn des Jahres 2025 sind die Anleiherenditen das große Thema. Die Renditen 10-jähriger US-Staatsanleihen sind seit ihrem Tiefpunkt am 16. September 2024 um 100 Basispunkte gestiegen (Stand: 13. Januar 2025). Bei 30-jährigen US-Papieren nähern sie sich Niveaus wie seit 2023 nicht mehr, als sie bei 5,15 Prozent lagen. Für Anleger aber ist der wichtigste Faktor, welche Renditen steigen – und welche nicht wirklich stark nach oben zeigen.

Die kurzfristigen Renditen sind relativ niedrig geblieben. Am langen Ende der Zinskurve steigen sie hingegen. Mit anderen Worten: Wir sehen keinen allgemeinen Anstieg der Renditen, aber die Renditekurve wird steiler.

Woran liegt das? Die Verantwortlichen der US-Notenbank Federal Reserve (Fed) erwarten, dass sie die Zinssätze 2025 nur zweimal auf ein Niveau von rund 4 Prozent senken. Das ist weniger, als die Marktteilnehmer zuvor eingepreist hatten. Dies ist aber nicht die ganze Geschichte: Die Laufzeitprämie steigt.

Die Fed verfügt weiterhin über Spielraum, mit Zinssenkungen fortzufahren und damit die kurzfristigen Renditen zu begrenzen. Gleichzeitig aber üben ein höheres Wachstumspotenzial und damit einhergehend eine höhere Inflation Aufwärtsdruck auf die Renditen am langen Ende aus – und die Kurve wird steiler. Hinzu kommt die Besorgnis über die Haushaltsdefizite, die ebenfalls die Laufzeitprämie erhöhen und die Renditen ansteigen lassen könnte.

Wird sich dieser Anstieg der Anleiherenditen nun negativ auf Aktien und Kreditspreads auswirken? Das hängt davon ab, welche Renditen aus welchen Gründen steigen. Wenn die Konjunktur in den USA robust bleibt, beispielsweise mit einem Wachstum von 2 bis 2,5 Prozent, was in etwa dem Potenzial entspricht, dann können Aktien weiter höher tendieren. Denn es kommt mehr auf die Erträge und den Preis an. Solange das Ertragswachstum auf breiter Basis ebenso stabil bleibt wie die Margen und der freie Cashflow sowie die Rentabilität sich robust zeigen, dann ist das Umfeld immer noch positiv. Das Risiko besteht darin, dass ein Anstieg der Renditen und ein stärkerer US-Dollar die finanziellen Bedingungen verschärfen und damit die Kreditaufnahme verringert sowie Ausgaben und Konsum einschränkt.

Die Marktteilnehmer versuchen herauszufinden, bis zu welchem Niveau die 10-jährigen Renditen ansteigen können, bevor die Situation kippt. Viele denken, dies geschieht bei 4,5 Prozent. Wir sind eher der Meinung, dass der Wert näher bei 5 Prozent liegt – auch wenn es natürlich darauf ankommt, wie schnell die Renditen steigen und aus welchen Gründen. Wenn es zum Beispiel mit dem Defizit und der Verschuldung zusammenhängt, könnte dies einen negativen Vertrauensschock auslösen. Wenn sich hingegen die Anleiherenditen stabilisieren und nicht mehr nach oben tendieren, werden dies die Aktienbewertungen unserer Meinung nach tolerieren können.

Mit Blick auf Anleihen und Kreditspreads gehen wir davon aus, dass es keine Rezession gibt. Daher sollten die Ausfallraten niedrig bleiben. In diesem Szenario machen höhere Renditen Anleihen attraktiver. Der Anleihemarkt sollte aus zwei Gründen Käufer anziehen. Erstens kann die potenzielle Rendite von Anleihen bei Renditeniveaus von 4,75 Prozent oder 5 Prozent bei 10-jährigen US-Staatspapieren mit Aktienrenditen konkurrieren. Zweitens können Anleihen höherer Qualität bei entsprechenden Renditeniveaus eine gute Absicherung für risikoreichere Anlagen und ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis bieten. Daher denken wir, dass sich die Anleiherenditen in einer gewissen Spanne bewegen und die Märkte nicht in Mitleidenschaft ziehen werden.

Denn ist nicht eine steilere Renditekurve mit einer guten wirtschaftlichen Entwicklung verbunden? Sie ist das Gegenstück zu den flachen und invertierten Kurven, die im Jahr 2024 mit Schwäche assoziiert wurden. Sicher: Für Risikoanlagen könnte der Renditeanstieg eine Belastung darstellen. Vielleicht signalisiert die Renditekurve aber ein höheres Wachstum und eine geringere Inflationsdynamik – genau das werden wir beobachten.“

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