Am Mittwoch hat das Bundesverfassungsgericht in einem Urteil der Bundesregierung klare Grenzen in ihrer Schuldenpolitik gesetzt.
20.11.2023 | 10:35 Uhr
Sie darf nun doch nicht Mittel von 60 Milliarden Euro, die für den Kampf gegen Corona vorgesehen waren, für den Klimaschutz einsetzen und dem Klima- und Transformationsfonds zuführen. Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts ist das Zweite Nachtragshaushaltgesetz 2021 nicht mit unserer Verfassung vereinbar. Die Verfassungsrichter beriefen sich darauf, dass die Wirksamkeit der Schuldenbremse nicht behindert werden dürfe. Diese ist im Grundgesetz in Artikel 109 und 115 verankert und hat somit Verfassungsrang.
Vereinfacht ausgedrückt ist darin festgelegt, dass die Bundesregierung nicht mehr ausgeben darf als sie über Steuern einnimmt. Die Einnahmen aus Krediten dürfen 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts nicht überschreiten zuzüglich einer „Konjunkturkomponente“. Unsere Verfassung setzt der Kreditaufnahme damit enge Grenzen. Im Zuge der Corona-Pandemie wurde die Schuldenbremse 2020 ausgesetzt – das war angesichts der ungewöhnlichen Umstände gerechtfertigt, sollte aber die Ausnahme bleiben.
Das vornehmste Vorrecht des Parlaments besteht darin, jährlich über die Staatsfinanzen entscheiden zu dürfen. Durch die vielen Nebenhaushalte werden die Rechte des Bundestags ausgehöhlt. In den vergangenen Jahren sind diese ausgeufert: 100 Milliarden Euro Sondervermögen für die Bundeswehr, 200 Milliarden Euro für den Wirtschafts- und Stabilisierungsfonds, 212 Milliarden Euro für den Klima- und Transformationsfonds. Der Anstieg der öffentlichen Verschuldung in Deutschland ist in den letzten Jahren vor allem auf die Nebenhaushalte des Bundes zurückzuführen, die die Bundesregierung gerne „Sondervermögen“ nennt, obwohl es sich eher um „Sonderschulden“ handelt. Die Bürger dieses Landes können sich nicht mehr auf den Grundsatz der Haushaltsklarheit und -wahrheit verlassen, wenn die Regierung beständig Schulden am regulären, jährlich aufzustellenden Haushalt vorbei macht.
Aufgrund der steigenden Zinsen werden die wachsenden Schulden zu einer immer größeren Belastung für den laufenden Haushalt, da der Staat vermehrt Mittel für Zins und Tilgung aufwenden muss. Der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesministerium der Finanzen und der Bundesrechnungshof haben in den letzten Jahren wiederholt kritisiert, dass der Anteil der deutschen Staatsanleihen mit kurzfristigen Laufzeiten (unter 4 Jahren) zu hoch ist. Die Zinslast des Bundes steigt derzeit auch deswegen besonders stark, da die Regierung die Gunst der Niedrigzinsphase nicht genutzt hat und sich nicht längerfristig verschuldet hat, um sich gegen steigende Zinsen abzusichern. Ein handwerklicher Fehler, der den Fiskus und die Steuerzahler nun teuer zu stehen kommt: Für das Haushaltsjahr 2024 plant der Bund mit einem Schuldendienst von 38,9 Milliarden Euro. Tendenz stark steigend.
Der Bundeshaushalt des Haushaltsjahres 2024 soll 445,7 Milliarden Euro umfassen. Der größte Posten des Bundeshaushalts, 38,5% des Etats, ist für Arbeit und Soziales vorgesehen. Tendenz ebenfalls steigend. Nur 54 Milliarden Euro oder 12 Prozent des Bundeshaushalts sind für Investitionen eingeplant. Die haushaltspolitische Disziplin in diesem Land leidet zunehmend unter einer ausufernden Subventionspolitik. Mit einem Subventionspaket in Höhe von 78 Milliarden Euro will die Bundesregierung die stromintensiven Industrieunternehmen vor zu hohen Energiekosten bewahren. Dieses Subventionspaket ist ordnungspolitisch bedenklich. Subventionen sollten nur in Ausnahmefällen als vorübergehende Anpassungshilfe und nicht zur Erhaltung von Wirtschaftsstrukturen und -zweigen gegeben werden. Der Vergabe von Subventionen wohnt immer eine gewisse Willkür inne. Warum wird eine Halbleiterfabrik mit knapp 10 Milliarden Euro gefördert, aber andere Vorhaben nicht? Zu den Förderzielen des Klima- und Transformationsfonds, dem unser Verfassungsgericht diese Woche den Geldhahn abgedreht hat, zählt übrigens neuerdings auch die Halbleiterförderung.
Es stimmt bedenklich, wenn die Politik versucht, mit dem finanzpolitischen Füllhorn, Probleme am Wirtschaftsstandort zu lösen. Es ist nun an der Zeit, die Ausgabefreude der öffentlichen Hand wieder zu dämpfen. Unser höchstes Gericht hat dieser Regierung zurecht untersagt, 60 Milliarden Euro Coronaschulden für Förderprogramme des Klima- und Transformationsfonds umzuwidmen. Die falsche Lösung wäre es nun, viel Kreativität darauf zu verwenden, wie die in unserer Verfassung verankerte Schuldenbremse ausgesetzt oder gestrichen werden kann. Denn es gibt auch ohne Steuererhöhungen Alternativen, um die größte finanzpolitische Herausforderung dieser Regierung zu lösen: eine bessere Priorisierung von Ausgaben, weniger Subventionen und mehr Haushaltsdisziplin.
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