Schroders: Wie gefährdet sind die USA?

In diesem Monat blicken die Schroders Experten vor allem auf die Märkte der USA, Großbritannien sowie Brasilien.

13.11.2015 | 09:50 Uhr

Die US-Konjunktur kühlt sich seit dem Sommer ab. Darüber hinaus deuten die Frühindikatoren an, dass sich das Wachstum weiter verlangsamen wird. Aus unserer Sicht droht Gefahr für die Konjunktur vor allem durch Ausgabenkürzungen im Unternehmenssektor, wo die Investitionsausgaben drastisch gekürzt werden sollen. Auch lauern die Schrecken der Inflation, die jedoch durch die globalen Kapazitätsreserven in Grenzen gehalten werden sollten. Damit sinkt der Druck auf die US-Notenbank (Fed) auf eine Schocktherapie zurückgreifen zu müssen.

Der Schrecken der Steuervergünstigungen, der in Großbritannien um sich geht, macht deutlich, mit welchen Schwierigkeiten die Regierung bei der Reform der Sozialausgaben konfrontiert wird. Die schockierende Blockade der zentralen Finanzpolitik durch das britische Oberhaus wird den Schatzkanzler noch länger verfolgen, und er wird wieder von vorne beginnen müssen.

Doch ohne die Sozialreformen müssen die Budgets für die einzelnen Ministerien wahrscheinlich noch stärker gekürzt werden. Zusätzlich zu den finanziellen Problemen des Premierministers ist das Haushaltsdefizit ohnehin in Schwierigkeiten – und das genau in dem Moment, in dem sich die Konjunktur offenbar allmählich abkühlt. Ein schwächeres Wachstum im Jahr 2016 könnte die Sparpläne der Regierung zunichtemachen.

Trotz der zaghaften Anzeichen einer Anpassung geht in Brasilien weiter die Angst um. Eine vorzeitige Amtsniederlegung der in Bedrängnis geratenen Präsidentin wäre womöglich die beste Lösung.

Aktuelle globale Lage: Steht die USA vor einer Rezession?

Die Märkte sind zunehmend in Sorge über die Anfälligkeit des US-Konjunkturzyklus. Wir betrachten drei mögliche Auslöser einer Rezession, um einschätzen zu können, ob die USA gefährdet sind.

Auslöser für eine Rezession

Die erste Entstehungsmöglichkeit einer Rezession ist ein Anstieg der Inflation. Dies hätte eine Straffung der Geldpolitik zur Folge, was wiederum zu einer Verlangsamung der Konjunktur führt. Zweitens kann die Entstehung von Ungleichgewichten (in der Leistungsbilanz und/oder beim Haushaltsdefizit) eine Rezession hervorrufen, wenn die globalen Kapitalflüsse versiegen und die Finanzierungslücken nicht mehr geschlossen werden können. Und schlussendlich gibt es Rezessionen, die ihren Ursprung im Unternehmenssektor als Folge einer Abschwächung der Gewinne haben. Dies führt zu Kürzungen bei den Investitionsausgaben und einem Stellenabbau, was sich entsprechend auf den Verbrauch auswirken könnte.

Wir haben im Konjunkturzyklus definitiv eine Phase erreicht, in der es in der Regel zu Inflation kommt und in der die Geldpolitik gestrafft wird. Allerdings ist die Inflation nach wie vor gedämpft. Dies könnte sich zwar ändern (wenn sich die niedrigeren Ölpreise nicht mehr auf den Index auswirken und der angespannte Arbeitsmarkt die Löhne steigen lässt), allerdings gibt es andere, globale Faktoren, die wahrscheinlich weiterhin eine Belastung darstellen werden. Dazu zählen der starke US-Dollar und die Schwäche der Schwellenmärkte, die sich angesichts der fehlenden Nachfrage weiter auf die Güterpreise niederschlagen.

Mit Blick auf die Unternehmen zeigt sich, dass sich die Gewinne nach mehreren Jahren verlangsamt haben und real, d. h. unter Berücksichtigung der Inflation, kaum steigen. Sie sind jedoch noch nicht negativ, wie es im Vorfeld der beiden letzten US-Rezessionen der Fall war. Dennoch: Den Indikatoren zufolge sollen die Investitionsausgaben künftig gekürzt werden, was nicht für einen optimistischen Unternehmenssektor spricht.

Wird das ausreichen, um eine Rezession in den USA auszulösen? Rückläufige Investitionen der Unternehmen alleine reichen dazu nicht aus; vielmehr müssten die Einschnitte über den Arbeitsmarkt auch auf den Konsum übergreifen. Nichtsdestotrotz wird die Kombination aus einem rückläufigen Beschäftigungszuwachs (sollten die Unternehmen ihre Ausgaben zurückfahren) und der nachlassenden positiven Wirkung der niedrigeren Ölpreise in den kommenden Monaten zu einem geringeren Verbrauch führen. Positiv zu vermerken sind dagegen die zunehmenden Investitionen beim Wohnungsbau, und auch die Belastung durch den Objektbestand dürfte allmählich abklingen.

Wir werden unsere US-Wachstumsprognose für 2016 im kommenden Monat voraussichtlich senken, wobei keiner der Rezessionsauslöser bisher zum Tragen gekommen ist. Die Schwäche der Gewinne ist noch nicht akut genug, und eine anziehende Inflation müsste über die Basiseffekte hinausgehen, um eine aggressivere Reaktion der Fed auszulösen. Demzufolge bleibt eine Rezession in den USA in beängstigendes Szenario, ist aber nicht unser Basisszenario.

Großbritannien: Sorgen an der Downing Street Nr. 11

Fluch oder Segen? Vor- und Nachteile der Steuervergünstigungen

Die von der Regierung geplante Reform der Steuervergünstigungen hat Bedenken hinsichtlich ihrer Haltung hervorgerufen, den ärmeren Erwerbstätigen zu helfen. Berücksichtigt man jedoch alle Veränderungen , so ist das Gesamtpaket – auch wenn es unweigerlich Verlierer geben wird – für Geringverdiener weitgehend ausgewogen. Es soll mehr Menschen zur Arbeit und zu mehr Arbeitsstunden motivieren. Das Problem bei der Strategie der Regierung besteht darin, dass die meisten Menschen die Steuersenkungen der vergangenen Jahre schon vergessen haben, und sich jetzt nur auf den Vergleich zwischen 2016 und heute konzentrieren. Dies ist ein strategischer Fehler des Schatzkanzlers, der ihn noch einige Zeit verfolgen wird.
Budget-Einschnitte bei den Ministerien stehen bevor
Da die Regierung mit einer Kürzung der Sozialhilfe zu kämpfen hat, wird sie im Rahmen der anstehenden Regierungserklärung im Herbst tiefere Einschnitte in die Budgets der einzelnen Ministerien in Betracht ziehen müssen. Die meisten zentralen Ministerien in Whitehall sind aufgefordert, ihre Haushalte bis 2019-2020 um 25-40 % zu kürzen. Viele Beobachter bezweifeln, dass diese Ziele tatsächlich umgesetzt werden können, weswegen es von entscheidender Bedeutung ist, dass die Regierung bei der Reform der Sozialausgaben Fortschritte erzielt.

Natürlich könnte der Schatzkanzler allen das Leben leichter machen, wenn er seine ehrgeizigen Sparpläne zurückfahren würde. Statt einen Gesamtüberschuss des Haushaltes anzustreben, könnte er ein kleines Defizit in Kauf nehmen und die öffentliche Verschuldung durch Wachstum verringern. So wird es in den meisten Industriestaaten gehandhabt. Doch angesichts einer alternden Bevölkerung, die zunehmend teurer wird, würden die Sparziele des Schatzkanzlers mehr Spielraum schaffen, um dem unvermeidlichen Anstieg der alterungsbedingten Ausgaben Herr zu werden.

Das Wachstum verlangsamt sich

Als wenn Osborne nicht schon genug Sorgen hätte, werden die jüngsten Wachstumskennzahlen seine Probleme noch verstärken. Das reale vierteljährliche BIP-Wachstum verlangsamte sich von 0,7 % im zweiten Quartal auf 0,5 % im dritten Quartal, wobei das verarbeitende Gewerbe das schwächste Glied in der Kette war. Ein niedrigeres Wachstum im Jahr 2016 würde nicht nur die Effektivität der Sparmaßnahmen beeinträchtigen, sondern auch den Plan der Regierung gefährden, den National Living Wage in seiner derzeitigen Höhe einzuführen. Wir könnten dann einen Anstieg der Arbeitslosigkeit erleben, wenn sich die Arbeitsmarktbedingungen nicht an die forcierten Lohnsteigerungen anpassen können, was wiederum die Sozialausgaben erhöhen könnte. Derzeit steigen die Löhne dank der starken Nachfrage aus eigenem Antrieb, und demzufolge ist ein Anstieg der Arbeitslosigkeit nicht unser Basisszenario. Doch die Risiken sind gewichtig genug, um sorgfältig abgewogen zu werden, bevor die Löhne in die Höhe getrieben werden.

Sorgen in BrasilienDer Petrobras-Skandal hält weiter an

Der Petrobras-Korruptionsskandal erfasst einen immer größeren Teil der politischen Klasse. Die Vorwürfe wegen Bilanzierungsunregelmäßigkeiten beim Wahlkampf von Präsidentin Rousseff und in den Staatsfinanzen machen ihre Position immer unhaltbarer. Mit einer vorzeitigen Amtsniederlegung könnte Rousseff Brasilien helfen und den Weg für die Wahl einer marktfreundlicheren und nicht von Skandalen belasteten Regierung freimachen. Diese würde dann feststellen, dass es viel zu tun gibt.

Die untote Wirtschaft

Die Konjunktur liegt weiterhin brach, da Unternehmensinvestitionen in Folge des Petrobras-Skandals eine Seltenheit sind. Die Verbraucher werden außerdem von ihrer Schuldenlast erdrückt und die Staatsausgaben durch die Versuche der Haushaltskonsolidierung ebenfalls weiterhin gesenkt. Nichtsdestotrotz ist die Inflation weiter gestiegen als würde die Wirtschaft florieren. Doch die Marktkräfte sorgen allmählich für eine Verbesserung bei anderen Kennzahlen – wenn auch nur aufgrund von anderweitigen Abnutzungserscheinungen. So gehen beispielsweise die Lohnstückkosten aufgrund der steigenden Arbeitslosigkeit endlich zurück, was zu einer Verbesserung der Handelsbilanz führen sollte, die sich offenbar bereits abzeichnet.

Alles in allem ist Brasiliens Negativgeschichte noch lange nicht zu Ende, doch vielleicht ist am fernen Horizont ein kleiner Hoffnungsschimmer zu erkennen. Eine schmerzfreie Lösung kann es allerdings nicht geben. Im besten Fall scheidet Rousseff vorzeitig aus dem Amt aus, woraufhin es Neuwahlen gibt, die den politischen Kern von der Fäulnis befreien und neue Reformenergien freisetzen.
 
Die hierin geäußerten Ansichten und Meinungen stammen vom Schroder Investment Managements Economics Team und stellen nicht notwendigerweise die in anderen Mitteilungen, Strategien oder Fonds von Schroders ausgedrückten oder aufgeführten Ansichten dar.

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