Das japanische Bruttoinlandsprodukt fiel schlechter aus als erwartet. Dennoch sieht Japan Experte Jesper Koll positive Impulse für Nippons Wirtschaft.
19.02.2020 | 09:39 Uhr
Der am Montag dieser Woche veröffentlichte Bericht zum japanischen Bruttoinlandsprodukt (BIP) war aus zwei Gründen außergewöhnlich: erstens, weil er aufgrund eines Rückgangs von 6,3 Prozent gegenüber den Erwartungen von 3,8 Prozent schlimmer ausfiel als erwartet. Zweitens, weil es keine Frage ist, was diesen Rückgang erzwungen hat. Ja, es war die Erhöhung der Mehrwertsteuer von 8 auf 10 Prozent mit Wirkung vom 1. Oktober vergangenen Jahres. Dass Ursache und Wirkung so klar zum Ausdruck treten, das liest man in Makroberichten eher selten.
Die gute Nachricht ist, dass der Bericht auch bestätigt, dass die positiven Trends in Japan fortdauern. Konkret: Während der Konsum um 11 Prozent bzw. 7,4 Billionen Yen einbrach, stiegen die Arbeitsunfallentschädigungen um 1,4 Prozent, also um 1,2 Billionen Yen, was mit dem seit etwa drei Jahren anhaltenden vierteljährlichen Aufwärtstrend von 1 bis 1,5 Prozent übereinstimmt. Es gibt starke Gründe für die Annahme, dass die Entschädigungen und das Einkommenswachstum ihren Aufwärtstrend fortsetzen werden - Japans demographischer Wandel schürt einen sich ständig verstärkenden Wettkampf um Talente. Die Aufmerksamkeit sollte den diesjährigen Lohnverhandlungen gelten, die ein Basislohnwachstum von 2,5 bis 3 Prozent bringen dürften. Sofern dies der Fall ist, dürfte der Rückschlag bei den Verbraucherausgaben stark, möglicherweise sogar sehr stark ausfallen.
Wann wird das sein? Offensichtlich werden die derzeitigen durch das Coronavirus hervorgerufenen Ängste eine zusätzliche Verzögerung des Wachstums verursachen. Zum jetzigen Zeitpunkt ist es deshalb ratsam, einen weiteren Rückgang der Verbrauchernachfrage im laufenden Quartal anzukündigen. Eine technische Rezession über zwei negative Quartale in Folge, das ist in Japan sehr wahrscheinlich. Die Kräfte der Angst halten die Brieftaschen Watanabes, des sprichwörtlichen Menschen von der Straße, geschlossen und dicht, bis sich der Höhepunkt der Coronavirus-Ausbreitung bestätigt hat.
Mehr Gewissheit bringt die staatliche Finanzpolitik. Das „Team Abe" hat bereits den durch die Steuererhöhung verursachten, tiefer als erhofft reichende Nachfragerückgang erkannt und ein Rekordpaket mit zusätzlichen Ausgaben in Höhe von 24 Billionen Yen (fast 5 Prozent des BIP) geschnürt und ratifiziert. Die ersten Auswirkungen des zusätzlichen fiskalischen Anschubs dürften ab Ende Februar/Anfang März die Inlandsnachfrage ankurbeln und bis zum April-Juni-Quartal die Inlandsnachfrage um bis zu 0,6-0,8 Prozent steigern.
Unterm Strich wird Japans Steuererhöhung vom Oktober 2019 als politisches Missgeschick in die Geschichte eingehen, wobei das durch das Coronavirus forcierte Unglück dem Ganzen einen prozyklischen Abwärtsimpuls hinzufügen. Der Fehler wurde jedoch bereits erkannt und erzwang eine starke Gegenmaßnahme, die in den kommenden Monaten kumulativ positive Impulse entfalten wird. Falls die Coronavirus-Epidemie zurückgeht, ist ein stärker als derzeit erwarteter positiver Impuls für Japans Wirtschaft in Sicht, wobei ein Anstieg der jetzt noch aufgestauten Verbrauchernachfrage die fiskalischen Anreize noch verstärken dürfte. Unter Berücksichtigung all dieser Aspekte ist eine Wachstumserholung von 4-6 Prozent bis zum Sommer dieses Jahres möglich.
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