Das Interesse an Bitcoin und Co nimmt wieder zu. Dabei investieren Anleger nicht nur wegen der Aussicht auf potenzielle Kursgewinne, sondern zunehmend auch wegen eines erwarteten Diversifikationseffekts. Allerdings eignet sich die Kryptowährung nur begrenzt als Stabilisator
04.10.2023 | 07:15 Uhr von «Gerd Hübner»
Als sich Anfang März dieses Jahres schwerwiegende Probleme bei US-Regionalbanken zeigten, weckte das bei vielen Investoren Erinnerungen an die Finanzkrise 2008. Die Aktienkurse brachen ein. „Gleichzeitig suchten Investoren nach harten Vermögenswerten, die nicht beliebig vermehrbar sind. Da war der Bitcoin eine mögliche Alternative“, sagt James Butterfill, Research-Chef bei Coinshares.
Der Bitcoin kletterte in dieser Zeit von rund 20 000 auf über 28 000 Dollar. Der Anstieg war kein Sonderfall. Auch in ähnlich schwierigen Börsenlagen war die digitale Währung begehrt. „Egal ob US-Regionalbanken, eine rasant steigende Inflation in der Türkei oder in Argentinien, der Krieg in der Ukraine oder die Steuerpläne der britischen Regierung unter Premierministerin Liz Truss 2022, stets gehen solche Ereignisse mit einem gestiegenen Interesse am Bitcoin einher“, berichtet Butterfill.
Ein Grund dürfte darin liegen, dass die älteste und mit 580 Milliarden US-Dollar Marktkapitalisierung wertvollste Internetwährung eine Eigenschaft aufweist, die diese besonders attraktiv macht: Die Zahl der Bitcoins ist auf 21 Millionen Stück begrenzt. „Diese Limitierung macht den Bitcoin zu einem harten Vermögenswert und zu einem Wertaufbewahrungsmittel mit zusätzlicher Wachstumskomponente“, erklärt Butterfill.
Jedoch sind die Gründe für ein Bitcoin-Investment vielschichtiger, zeigt eine Investorenumfrage von Coinshares. 37 Prozent der Befragten gaben an, dass sie in den Bitcoin investieren, um vom Wachstum der zugrunde liegenden Distributed Ledger Technology zu profitieren. Für 15 Prozent spielt die Werthaltigkeit die entscheidende Rolle, und weitere 15 Prozent wollen den Bitcoin zum Spekulieren.
Schwankende Korrelation zu Aktien
Doch jeder Vierte nutzt die Kryptowährung, um das Portfolio zu diversifizieren. Das mag zunächst überraschen. Denn in der Wahrnehmung der Investoren weist der Bitcoin eine hohe Korrelation mit den Aktienmärkten und anderen risikoreichen Anlageklassen auf. Tatsächlich aber ist die Korrelation zwischen dem Nasdaq-Index und dem Bitcoin starken Schwankungen unterworfen.
Nach Angaben von Coinshares fiel sie 2019 sogar in den negativen Bereich, im vergangenen Jahr wiederum stieg sie auf 72 Prozent. Seitdem geht die Korrelation wieder zurück und liegt aktuell bei nur noch fünf Prozent. „Der entscheidende Punkt ist, dass der Bitcoin andere Treiber hat als der Aktienmarkt oder bestimmte Faktoren anders wirken“, erläutert Butterfill. Ein Beispiel ist die Geldpolitik. 2022 waren die Notenbanken angesichts der stark gestiegenen Inflation gezwungen, die Zinsen aggressiv zu erhöhen. „Darunter litten Aktien, weil dies die Gewinnmargen der Firmen beeinträchtigte, Kryptowährungen hingegen gerieten unter Druck, weil es nun mit Anleihen wieder eine sichere Alternative gab, die Zinsen bringt“, so der Experte. Dazu kommen spezielle Einflussfaktoren, die auf den Bitcoin wirken, wie eine Analyse der DZ Bank zeigt.
Demnach wurde der Absturz des Bitcoin zwischen 2013 und 2017 vor allem durch Hackerattacken und eine strengere Regulierung ausgelöst. Und im vergangenen Jahr wurde der Kursrückgang durch Negativschlagzeilen rund um bedeutende Marktteilnehmer und insbesondere den FTX-Skandal verstärkt. Mit anderen Worten: Bitcoin-Kurseinbrüche haben unterschiedliche Auslöser, die nicht immer etwas mit dem Kapitalmarkt oder der konjunkturellen Entwicklung zu tun haben. Diese Beobachtung könnte nahelegen, dass sich der Bitcoin in der Tat zur besseren Streuung eines Portfolios eignet.
Wie sich eine Portfoliobeimischung genau auswirkt, hat Maximilian Bruckner vom Schweizer Investmentberater 21e6 Capital AG untersucht. Er hat dafür einem typischen Portfolio einen Korb aus zehn verschiedenen Kryptowährungen zunächst mit einem Gewicht von zwei Prozent beigemischt. „Wir haben dafür das Kapital von den bestehen Positionen in den Kryptokorb so umgeschichtet, dass sich das Verhältnis der verschiedenen traditionellen Vermögenswerte relativ zueinander nicht verändert. Nur so kann man sehen, wie der genaue Effekt der Kryptobeimischung aussieht“, erklärt Bruckner. Erstes Ergebnis: „Bereits eine so geringe Beimischung verbessert die Sharpe Ratio von 0,9 auf 1,1“, konstatiert der Experte.
Konkret änderten sich die Volatilität und die maximalen Drawdowns bei einer so geringen Beimischung kaum, während die Portfoliorendite um drei Prozent nach oben ging. Eine nochmalige Verbesserung der Sharpe Ratio ist festzustellen, wenn die Gewichtung der Kryptowährungen auf vier Prozent erhöht wird. „Zwar steigt die Sharpe Ratio nochmals leicht an, prozentual ist der Anstieg auf 1,2 aber deutlich geringer als bei einer Beimischung von zwei Prozent“, erklärt Bruckner. Anders sieht es jedoch bei einer Beimischung von sechs Prozent aus. Dann scheint die Volatilität der Internetwährungen den positiven Renditeeffekt zu überwiegen.
Rebalancing gegen zu starke Volatilität
„Dies führt zu einem Anstieg der Drawdowns, der für viele professionelle und institutionelle Anleger nicht akzeptabel ist“, so Bruckner. Konkret heißt das: Zwar spricht nichts gegen eine Portfoliobeimischung von Kryptowährungen, auf mehr als etwa vier Prozent sollte deren Anteil jedoch vermutlich nicht ansteigen.
Allerdings birgt auch eine geringe Beimischung dann ein Problem, wenn die Kryptowährungen stark im Kurs steigen. Denn in diesem Fall steigt deren Gewicht. Experte Butterfill empfiehlt deshalb, ein regelmäßiges Rebalancing durchzuführen, bei der die Ausgangsallokation des Portfolios wiederhergestellt wird.
Doch selbst wenn jemand Bitcoin nur in geringem Umfang dem Portfolio beimischt, sind dennoch starke Nerven gefragt, um die hohen Kursschwankungen auszuhalten. Schließlich gleicht die Entwicklung der vergangenen Jahre einer Achterbahnfahrt. Nach dem Erreichen des Allzeithochs von rund 67 000 Dollar im November 2021 ging es bis auf etwa 16 000 Dollar im Herbst 2022 zurück. Inzwischen hat sich der Bitcoin-Kurs zwar wieder erholt und notiert bei 30 000 Dollar, wer aber zum Höchstkurs einstieg, ist noch immer mit über 50 Prozent im Minus.
Hinzu kommen die generellen Risiken. „Hier ist an erster Stelle die Regulierung zu nennen, die jederzeit für einen massiven Wertverlust des Bitcoin sorgen kann“, macht Butterfill klar. Allerdings gab es auch in diesem Jahr regulatorische Maßnahmen, und dennoch hat sich der Bitcoin gut entwickelt. „Zudem stellen wir bei den Investoren ein steigendes Interesse fest, und selbst 2022, in einem sehr schlechten Jahr, flossen digitalen Vermögenswerten rund 800 Millionen Dollar zu“, sagt er.
All das könnte dafürsprechen, dass eine kleine Beimischung von Bitcoin und Co langfristig tatsächlich mehr Chancen als Risiken beinhaltet.
Diesen Beitrag teilen: