Im von den USA losgetretenen Handelskonflikt überwiegen unterm Strich die negativen Effekte, so Edgar Walk, Chefvolkswirt Metzler Asset Management.
28.06.2019 | 13:49 Uhr
Der Handelskonflikt sei in den USA offenbar unpopulär – das signalisiere die sinkende Zustimmung für Trump.
Den US-Präsidenten könnte das zu Zugeständnissen an China veranlassen. Zudem stellt Walk die Frage, ob zwischen der Leitzinssenkung der Fed im Juni und den Twitter-Attacken Trumps gegen die Fed ein Zusammenhang besteht. Sollte in der Eurozone das Wirtschaftswachstum geringer sein als 1 %, könnte das kritisch werden, da die EZB kaum mehr geldpolitische Pfeile im Köcher habe.
Am
Wochenende wird zweifellos das Treffen zwischen US-Präsident Donald
Trump und dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping beim G20-Gipfel in
Japan im Fokus stehen. Allgemein wird erwartet, dass sich die USA und
China auf eine Fortsetzung der Handelsgespräche einigen. Eine
Voraussetzung dafür ist vermutlich, dass die USA erst einmal darauf
verzichten, weitere zusätzliche Strafzölle zu erheben.
Ein
Blick auf die Umfragen in den USA zeigt, dass ein „Handelskrieg“
tendenziell die Zustimmungsraten für US-Präsident Trump verringert,
während ein „Handelsfrieden“ tendenziell die Zustimmungsraten wieder
erhöht. Handelskriege sind demnach in der Bevölkerung eher unpopulär.
Eine genaue Analyse der derzeitigen Umfragewerte zeigt darüber hinaus,
dass es bei den Präsidentschaftswahlen im nächsten Jahr zu einem
Kopf-an-Kopf-Rennen kommen könnte.
Der ideale Zeitpunkt für einen
Handelsfrieden mit China wäre für US-Präsident Trump demnach der
Jahresbeginn 2020. Aus Sicht Chinas bedeutet das: Je länger der
Handelskonflikt dauert, desto mehr Zugeständnisse dürfte Präsident Trump
machen, um einen Handelsfrieden mit China noch vor den
Präsidentschaftswahlen zu erreichen. Es bleibt also abzuwarten, wie standfest US-Präsident Trump bleiben wird.
Auch
stellt sich die Frage, welche Auswirkungen die Twitter-Attacken Donald
Trumps gegen die US-Notenbank haben. Waren sie ein auslösender Faktor
dafür, dass die Fed nun eine Leitzinssenkung im Juli ankündigte?
Vielleicht einfach nur dadurch, dass die Tweets die Zinserwartungen der
Finanzmarktakteure beeinflussten, die die US-Notenbank nicht enttäuschen
wollte?
Immerhin hat nach dem gängigen Rechtsverständnis US-Präsident
Trump nicht die Macht, den derzeitigen US-Notenbank-Präsidenten Jerome
Powell zu entlassen. Ob US-Präsident Trump Powell vom Posten des
Präsidenten zu einem einfachen Gouverneur degradieren kann, ist
rechtlich nicht eindeutig geklärt. Die Experten sind jedoch der
Auffassung, dass dies nicht möglich ist.
USA: Schwache Konjunktur – starker Arbeitsmarkt
Der
Handelskonflikt hinterlässt zunehmend Spuren auch in der US-Wirtschaft.
Die Strafzölle haben zwar positive Effekte, da sie tendenziell das
Handelsbilanzdefizit der USA reduzieren. Die positiven Effekte werden
jedoch vom negativen Realeinkommenseffekt übertroffen, und zwar aufgrund
der höheren Importpreise. Per saldo überwiegt also der negative Effekt –
wie bei einer Steuererhöhung.
Viel schädlicher für die US-Wirtschaft
als diese direkten Folgen scheinen jedoch die indirekten Folgen zu sein:
Die Finanzierungsbedingungen haben sich verschlechtert, und die
Unsicherheit ist merklich gestiegen. So dürfte der ISM-Index (Montag) im
Juni merklich gefallen sein, und auch der ISM-Index für den
Dienstleistungssektor (Mittwoch) dürfte sich etwas schwächer entwickelt
haben.
Trotz
des schwächeren Wachstumstempos stellen die Unternehmen nach wie vor
Arbeitskräfte ein und sorgen somit für ein anhaltend dynamisches
Beschäftigungswachstum (Freitag). Aber auch hier zeigen schon die
wöchentlichen Erstanträge zur Arbeitslosenhilfe erste
Verschlechterungstendenzen – vor allem in den „Swing-States“.
Eurozone: Wachstum steckt bei 1,0 % fest
Die
Einkaufsmanagerindizes (Montag und Mittwoch) signalisieren nunmehr
schon seit Januar 2019, dass sich das Wachstumstempo in der Eurozone auf
etwa 1,0 % abgeschwächt hat. Dies entspricht in etwa dem langfristigen
Wachstumspotenzial und ist daher eigentlich keine Katastrophe. Eine
weitere Abschwächung des Wirtschaftswachstums wäre allerdings kritisch,
da die EZB ihr geldpolitisches Pulver nahezu verschossen hat und die
Fiskalpolitik kaum handlungsfähig ist.
Gleichzeitig verharrt die
Kerninflation in einem Seitwärtstrend bei etwa 1,0 %, und die
langfristigen Inflationserwartungen sind deutlich gefallen. Eine
Beschleunigung des Wachstums der Geldmenge M1 (Montag) wäre vor diesem
Hintergrund ein positives Signal, da sie in der Vergangenheit mit großer
Regelmäßigkeit Trendwenden im Konjunkturverlauf schon früh signalisiert
hat. Wichtig wäre auch eine Stabilisierung der deutschen
Auftragseingänge (Freitag).
Japan und China: Geschäftsklimaindizes im Fokus
In
Japan wird die Tankan-Umfrage (Montag) veröffentlicht. Die japanische
Wirtschaft schwächte sich bisher nur sehr moderat ab und entwickelte
sich damit überraschend gut. Dabei kann aufgrund der schrumpfenden
Bevölkerung der wirtschaftliche Erfolg Japans nicht mehr am BIP-Wachstum
abgelesen werden, sondern am BIP-Wachstum pro Kopf. Seit Beginn der
Abenomics Anfang 2013 ist das BIP pro Kopf in Japan um durchschnittlich
1,3 % pro Jahr gestiegen – ungefähr im gleichen Tempo wie in den USA mit
durchschnittlich 1,6 %.
In
China wird sich der Fokus auf die Beschäftigungskomponente der
Einkaufsmanagerindizes (Montag und Mittwoch) richten. Zuletzt war diese
Komponente sehr schwach und signalisierte sogar einen
Beschäftigungsabbau. Sollte sich die Lage am Arbeitsmarkt in China
weiter verschlechtern, könnte das die Kompromissbereitschaft Chinas im
Handelskonflikt mit den USA steigen – oder es könnte die chinesische
Regierung zu neuen Konjunkturpaketen für die Wirtschaft animieren.
Eine gute und erfolgreiche Woche wünscht
Edgar Walk
Chefvolkswirt Metzler Asset Management
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