Metzler: EZB beendet Wertpapierkaufprogramm

Marktausblick

Die Geldpolitik der EZB dürfte vor allem Italien spüren, so Edgar Walk, Chefvolkswirt Metzler AM. Risiken für die Wirtschaft in der Eurozone könnten von der politischen Situation in Deutschland ausgehen, vom Brexit-Konflikt und vom Handelsstreit zwischen den USA und China.

10.12.2018 | 14:22 Uhr

Die Europäische Zentralbank (EZB) wird voraussichtlich auf ihrer Sitzung am Donnerstag offiziell das Ende des Wertpapierkaufprogramms zum Jahresende verkünden. Die Politik der Wiederanlange fällig werdender Anleihen wird sie jedoch bis auf Weiteres beibehalten. Die US-Notenbank wartete mehr als drei Jahre bis Herbst 2017, bevor sie nicht mehr alle fällig werdenden Anleihen ersetzte und mit einer Reduktion ihrer Bilanz begann. 

Am 1. Januar 2019 wird sich jedoch der Kapitalschlüssel ändern – das heißt der Eigenkapitalanteil der Mitgliedsländer der Europäischen Währungsunion an der EZB. Der Kapitalschlüssel diente der EZB als Bestimmungsgröße für den Länderanteil ihrer Staatsanleihekäufe. Der Anteil Italiens sinkt dabei von 17,5 % auf 17,0 %. Für Italien könnte das bedeuten, dass die EZB nicht alle fällig werdenden italienischen Staatsanleihen durch neue Anleihen ersetzen wird. Insgesamt könnte sich das Volumen, für das die italienische Regierung neue Käufer finden müsste, sogar auf etwa 10 bis 15 Mrd. EUR belaufen. Wie schnell sie die neuen Käufer braucht, wird davon abhängen, wie schnell die EZB die Anpassung an den neuen Kapitalschlüssel vornehmen wird.

Für das Ende des Wertpapierkaufprogramms der EZB spricht, dass die Konjunkturdaten zuletzt wieder moderat positiv überraschen konnten. Die europäische Wirtschaft scheint also nicht von einem Kliff zu fallen, sondern nur langsamer zu wachsen. Um diese Annahme zu erhärten, müssten sich jedoch auch die Geschäftserwartungen der Finanzmarktakteure (ZEW-Index am Dienstag) und der Unternehmen (Einkaufsmanagerindizes am Freitag) im November stabilisiert haben. Immerhin scheinen sich auch die realwirtschaftlichen Daten wie die Industrieproduktion (Mittwoch), das Beschäftigungswachstum (Mittwoch) und die Automobilumsätze (Freitag) wieder etwas zu erholen.

Es ist interessant, dass sich in der Eurozone das Lohnwachstum (Freitag) schon merklich beschleunigt hat, die Kerninflation aber nach wie vor um 1,0 % dümpelt. In der Vergangenheit dauerte es sogar bis zu zwei Jahre, bis sich eine Beschleunigung des Lohnwachstums auf höhere Kerninflationsraten übertrug.

Eurozone: Anziehende Löhne – ein Frühindikator für die Kerninflation
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Eurozone: Anziehende Löhne – ein Frühindikator für die Kerninflation
Eurozone: Anziehende Löhne – ein Frühindikator für die Kerninflation

Quellen: Thomson Reuters Datastream, Metzler; Stand: 31.10.2018

Politische Risiken im Fokus 

Der Ausgang der Wahlen zum neuen CDU-Vorsitzenden könnte sich auf die Stabilität der Regierung auswirken und sogar baldige Neuwahlen in Deutschland zur Folge haben.

Die Entscheidung im britischen Unterhaus zum Austrittsvertrag mit der EU am Dienstag verspricht zu einer krachenden Niederlage für Premierministerin May zu werden. Ihre Tage könnten gezählt sein, und Neuwahlen sind auch in Großbritannien nicht mehr auszuschließen. Doch ist immer noch jedes Brexit-Szenario denkbar.

Nachdem es erste Anzeichen einer Entspannung zwischen den USA und China gab, droht der Konflikt nun wieder zu eskalieren – mit Risiken für die Weltwirtschaft. Die überraschende Festnahme der Finanzchefin von Huawai zeigt, wie schwer sich politische Ereignisse antizipieren lassen.  

Renditestrukturkurve in den USA

In dieser Woche flachte sich die Renditestrukturkurve in den USA merklich ab, da vor allem die Rendite 10-jähriger US-Treasuries von über 3,2 % Anfang November auf unter 2,9 % fiel. Die Abflachung der Rendite-strukturkurve weckte Ängste vor einer US-Rezession, da vor jeder Rezession seit dem Zweiten Weltkrieg eine inverse Renditestrukturkurve beobachtet werden
konnte.  

Die hohe Prognosekraft der Renditestrukturkurve könnte damit zusammenhängen, dass sie offenbar einen starken Einfluss auf die „Animal Spirits“ der Wirtschaftsakteure hat. Bei einer steilen Renditestrukturkurve ist es attraktiv, sich kurzfristig zu finanzieren und das aufgenommene Geld in langfristige Projekte anzulegen. Eine steile Renditestrukturkurve hat demnach einen starken positiven Einfluss auf die Investitionsneigung. Ist die Kurve dagegen invers, lohnt es sich kaum noch, Kredite mit kurzer Laufzeit aufzunehmen. Viel attraktiver ist es, sein Geld zu den relativ hohen Geldmarktzinsen anzulegen – bei gleichzeitig geringerem Risiko als bei einer Investition in langlaufende Projekte. Die Investitionsneigung der Wirtschaftsakteure könnte daher im Einklang mit einer sich abflachenden Renditestrukturkurve zunehmend erlahmen.    

Die Abflachung der Renditestrukturkurve signalisiert, dass sich das Wachstum der US-Wirtschaft bald abschwächen dürfte. Vor diesem Hintergrund könnte die US-Notenbank sogar schon die vielfach erwartete Leitzinserhöhung auf ihrer Sitzung am 19. Dezember infrage stellen, um den Aufschwung nicht zu gefährden. Das Ende des Leitzinserhöhungszyklus könnte somit schon sehr nahe sein.

So dürften sich auch die Konjunkturdaten moderat abgeschwächt haben; das könnten Einzelhandelsumsätze (Freitag), Industrieproduktion (Freitag) sowie Einkaufsmanagerindizes (Freitag) zeigen. Darüber hinaus dürfte die Inflation und Kerninflation (Mittwoch) mit jeweils 2,2 % im Rahmen der Erwartungen liegen. Die Inflation ist immer noch trotz des langen Aufschwungs niedrig. 

China: Konjunkturtief erreicht

Die Inflation (Montag) dürfte im November gesunken sein und damit der chinesischen Zentralbank Spielraum für eine anhaltend lockere Geldpolitik eröffnen. Im Zusammenwirken mit den zahlreichen fiskalischen Stimuli dürfte das dazu führen, dass die chinesische Wirtschaft im November den Konjunkturboden erreicht haben wird. So könnte sich das Wachstum der Einzelhandels-umsätze (Freitag) beschleunigt und das der Industrieproduktion (Freitag) stabilisiert haben.

Wachstum abhängig von Innovationskraft 

Die mittelfristigen Wachstumsperspektiven sind fast ausschließlich von der Innovationskraft eines Landes anhängig. Ein guter Indikator dafür ist die Zahl der im wettbewerbsintensivsten Markt der Welt – den USA –angemeldeten Patente. Ein Blick darauf zeigt, dass diese Zahl in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen ist und China bald Deutschland überholen könnte. Südkorea hat Deutschland schon deutlich hinter sich gelassen. Die Gründe für den Erfolg Chinas und Südkoreas sind das sehr gute Bildungssystem und die hohe staatliche Förderung für Forschung und Entwicklung.  

Deutschland fällt zurück
Registrierte Patente in den USA; in Tausend

Deutschland fällt zurück
Deutschland fällt zurück

Quellen: World Intellectual Property Statistics Database, Bloomberg, Metzler; Stand: 31.12.2016

Eine gute und erfolgreiche Woche wünscht

Edgar Walk
Chefvolkswirt Metzler Asset Management

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