Attraktive Bewertungen, wenn das Risiko nicht wäre

Wirtschaftswachstum verlangsamt sich weltweit - geldpolitische Anreize als nächster Schritt?

11.06.2012 | 10:50 Uhr

Die Finanzmärkte blieben letzte Woche größtenteils risikoscheu. Aktienkurse und Anleihenrenditen waren rückläufig. Von ihrem Status als sichere Anlage profitierten insbesondere Bundesanleihen: Die Rendite 10-jähriger Bundesanleihen fiel auf 1,15% während die Verzinsung für 2-jährige Bundesanleihen kurzfristig negative Werte erreichte. Deutsche Aktien entwickelten sich unterdurchschnittlich, da die Anleger befürchteten, dass eine weltweite Konjunkturflaute überproportionale Auswirkungen auf Deutschlands exportorientierte Wirtschaft haben könnte.

Da es unserer Ansicht nach eine ganze Reihe von Risiken gibt, wie z.B. das weltweit nachlassende Wirtschaftswachstum, die Schuldenkrise und die Krise des Finanzsektors im Euroraum, die Wahlen in Griechenland und die anhaltenden fiskalischen Probleme in den USA, stehen wir zu unserer Untergewichtung von Aktien aus Industriestaaten. Angesichts der besseren Wachstumsaussichten und der relativ attraktiven Bewertungen ziehen wir Schwellenländeraktien vor.

Im Bereich der festverzinslichen Wertpapiere haben die Bewertungen amerikanischer und deutscher Staatsanleihen einen Höchststand erreicht. Ursachen hierfür sind in erster Linie die bescheidenen Wachstumsaussichten, die niedrigen Inflationserwartungen und Leitzinsen, die auf absehbare Zeit niedrig bleiben werden. Anleihen aus einigen der Peripherieländer scheinen attraktiv. Unserer Ansicht nach ist das Risiko für einen Kauf jedoch noch zu hoch. Unternehmensanleihen bieten verglichen mit amerikanischen oder deutschen Staatsanleihen eine höhere Rendite, die allerdings unserer Ansicht nach nicht die damit verbundenen Risiken rechtfertigt.

Unter den schwachen Wirtschaftsdaten, die vor kurzem veröffentlicht wurden, stimmten lediglich die amerikanischen ISM-Indizes optimistisch. Der Einkaufsmanagerindex für das verarbeitende Gewerbe weist nach wie vor eindeutig auf Wachstum hin. Die Auftragseingänge nahmen schneller zu als die Vorräte, was normalerweise ein gutes Zeichen für die kommenden Monate ist. Gleichzeitig spiegelte das langsamere Exportwachstum jedoch die weltweite Konjunkturflaute wider. Der Einkaufsmanagerindex für das Dienstleistungsgewerbe stieg aufgrund der Verbesserung der aktuellen Geschäftstätigkeit und der guten Auftragslage im Inlandsgeschäft. Aufträge aus dem Ausland waren in diesem Sektor ebenfalls rückläufig.

Die Anzahl neu geschaffener Stellen fiel enttäuschend aus und die Arbeitslosenquote stieg zum ersten Mal seit Juni letzten Jahres, da die Anzahl der neu geschaffenen Stellen die Zunahme der Erwerbsbevölkerung nicht auffangen konnte. Die hohe Arbeitslosigkeit wird Lohnerhöhungen in Grenzen halten. Ein langsames Lohnwachstum ist jedoch besorgniserregend, da der Konsum in der letzten Zeit der Hauptmotor des amerikanischen Wirtschaftswachstums war.

Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe nahmen in letzter Zeit zu, was kein gutes Zeichen ist. Das Auftragswachstum bei Investitionsgütern musste nach unten revidiert werden. Wir rechnen daher damit, dass das BIP-Wachstum in den USA, das für das erste Quartal auf 1,9% revidiert wurde (im Quartalsvergleich auf annualisierter Basis), weiterhin bescheiden bleibt.

Die Einzelhandelsumsätze im Euroraum verzeichneten den stärksten Rückgang seit der Rezession 2008/09. Gleichzeitig gingen die Aufträge für die deutsche Industrie stärker zurück als erwartet. Die revidierten BIP-Daten für das erste Quartal waren negativ, was bedeutet, dass der Euroraum in eine, wenn auch nicht sehr ausgeprägte, technische Rezession abgerutscht ist. Wichtiger ist jedoch, dass es so aussieht, als würde die Wirtschaft auch im zweiten Quartal schrumpfen.

Mehrere Indikatoren weisen darauf hin, dass das Wirtschaftswachstum weltweit nachlässt. Chinas offizieller Einkaufsmanagerindex fiel auf ein deutlich unterdurchschnittliches Niveau. In zyklischen Volkswirtschaften wie Südkorea und Taiwan waren die Einkaufsmanagerindizes für die Industrie rückläufig. Ein Rückgang war auch beim PMI für die britische Industrie zu verzeichnen. Die Verlangsamung des Wirtschaftswachstums in Brasilien war in erster Linie auf die schwache Leistung des Landwirtschaftssektors zurückzuführen. Gleichzeitig hat die brasilianische Industrie mit einer starken Währung und hohen Kosten zu kämpfen. In Indien verlangsamte sich das BIP-Wachstum ebenfalls. Im Verhältnis zum üblichen indischen Niveau war das Ausfuhrwachstum bescheiden.

Im Zentrum der Schuldenkrise im Euroraum stand Spanien. Die notwendige Rekapitalisierung spanischer Banken kann nicht über die Rentenmärkte erfolgen. Vertreter der spanischen Regierung sprachen sich dafür aus, die Banken mit Kapital aus den Rettungsfonds der Eurozone zu versorgen, andere Mitgliedsstaaten der EU lehnten dies jedoch ab.

Gleichzeitig wurde Kapital aus den Volkswirtschaften der Peripheriestaaten der Eurozone abgezogen. Um dieser Entwicklung Einhalt zu gebieten und den Finanzsektor zu stabilisieren, wurde eine Bankenunion für die Eurozone vorgeschlagen. Dieser Vorschlag gewinnt inzwischen immer mehr Anhänger und könnte einen Schritt in die richtige Richtung bedeuten. Falls solche strukturellen Entscheidungen getroffen werden, könnte die EZB bei Bedarf ihr Aufkaufprogramm für Staatsanleihen wieder aufnehmen.

Die EZB gab zu, dass die Risiken für das Wirtschaftswachstum zugenommen haben. Sie rechnet für dieses Jahr mit einer leichten Rezession und für nächstes Jahr mit einer verhaltenen Erholung. Angesichts der Schwäche der Konjunkturindikatoren könnte sich diese Prognose jedoch als zu optimistisch erweisen. Bis jetzt reagierte die EZB noch nicht mit einer Senkung der Leitzinsen. EZB-Präsident Draghi erklärte jedoch, dass einige Mitglieder des EZB-Rates sich für eine solche Maßnahme ausgesprochen hätten. Er überließ es den Regierungen, entsprechende Maßnahmen zu ergreifen, betonte aber gleichzeitig, dass die EZB handeln würde, falls sich die Konjunkturaussichten verschlechtern. Die Europäische Zentralbank wird den Bankensektor weiterhin über unbegrenzte Refinanzierungsgeschäfte mit Liquidität versorgen

Fed-Chef Bernanke wird am am 7. Juni zu einer Kongressanhörung erscheinen. Es wird erwartet, dass er sich aus diesem Anlass über die die Einstellung der Fed zu geldpolitischen Konjunkturanreizen äußern wird. Die Operation Twist, in der die Fed amerikanische Staatsanleihen mit kurzen Laufzeiten verkauft und Staatsanleihen mit langen Laufzeiten kauft, um die Zinskurve abzuflachen, läuft am Ende des Monats aus. Sollte die Fed dieses Programm verlängern, eine Möglichkeit, auf die vor kurzem von mehreren Fed-Vertretern hingewiesen wurde, verfügt sie nur noch über ein begrenztes Volumen an Kurzläufern zum Verkauf. Gleichzeitig sind die Zinssätze für Langläufer bereits extrem niedrig. Dennoch würde eine Verlängerung bedeuten, dass die Fed bereit ist, die Volkswirtschaft und die Finanzmärkte weiter zu unterstützen.

Obwohl die Kommentare der EZB und der Fed-Vertreter die Spekulationen über weitere Zentralbankmaßnahmen anheizten und Kursgewinne an den Aktienmärkten ermöglichten, ist die Geldpolitik derzeit unserer Ansicht nach kein positiver Faktor.

Zentralbanken in Australien und Brasilien senkten die Leitzinsen. Die Reserve Bank of Australia ist mit einem schwachen Industrie-PMI, einer starken Währung und einem unerwartet hohen Wirtschaftswachstum konfrontiert und verfügt daher nur über wenig Spielraum für weitere Leitzinssenkungen. Aufgrund des nachlassenden Wirtschaftswachstums in Brasilien sind dort trotz des jüngsten Anstiegs der Inflation weitere Leitzinssenkungen nicht ausgeschlossen.

Der Marktausblick im pdf-Dokument.

Diesen Beitrag teilen: