Ein Damoklesschwert hängt über der deutschen und zum Teil auch europäischen Industrieproduktion. Sollte kein russisches Gas mehr geliefert werden, besteht die Gefahr weiterer Kursverluste. Ein besseres Chance-Risiko-Verhältnis bietet derzeit der US-Aktienmarkt.
08.07.2022 | 09:44 Uhr
Zudem eröffnen ausgewählte Anleihen Chancen bei überschaubaren Laufzeiten. Sollte die US-Notenbank im Laufe des ersten Halbjahres 2023 von ihrem aktuellen Kurs abrücken, könnte sich das Börsenumfeld verbessern.
Der Juni 2022 war ebenso wie die bereits ausgesprochen
schwierigen Monate April und Mai ein herausfordernder Börsenmonat. Das erste
Halbjahr 2022 bedeutete für den amerikanischen S&P 500 mit einem
Kursverlust von 20,6% in US-Dollar das schlechteste seit 1970. Und die
amerikanische Technologiebörse NASDAQ verzeichnete im zweiten Jahresviertel
2022 mit einer Einbuße von 22,5% in US-Dollar das schlechteste Quartal seit
2008.
Das konjunkturelle Marktumfeld dürfte auch in den kommenden Monaten äußerst
anspruchsvoll bleiben: Bei den fundamentalen und den monetären Indikatoren ist
kurzfristig keine Besserung in Sicht, und auch die geopolitische Lage dürfte
schwierig bleiben. Wir haben daher beschlossen, uns noch defensiver
aufzustellen und die Cash-Quoten weiter zu erhöhen.
Sollte Russland bzw. der staatliche russische Energiekonzern Gazprom nach der
jährlichen Wartung von Nord Stream 1 (10. bis 20. Juli 2022) kein Gas mehr
liefern, könnten die Börsen in Deutschland und Europa abermals unter Druck
kommen. Wir werden daher die Gewichtungen von Deutschland und Europa erneut
reduzieren. Das bessere Chance-Risiko-Verhältnis bietet derzeit der US-Markt.
Ausgewählte Anleihen bieten aus unserer Sicht weiterhin Chancen: Man findet
wieder US-Dollar-Bonds mit Renditen von über 5% und Euro-Anleihen mit gut 4%
Rendite – bei noch überschaubarer Laufzeit.
Wir werden die Aktienquoten weiter senken: Bei Mischfonds halten wir einen
Abbau um weitere 5% für sinnvoll, und bei reinen Aktienfonds werden wir uns
eher am unteren Rand der erlaubten Quoten bewegen. Deutsche und europäische
Aktien des energiesensiblen Produktionssektors wären bei ausbleibenden
Gaslieferungen besonders gefährdet. Dagegen könnten Aktien von Unternehmen
vielversprechend sein, die von einer massiven Beeinträchtigung der deutschen
Industrie profitieren könnten.
Einzelne Anlagechancen sehen wir auch bei festverzinslichen Wertpapieren mit
derzeit hohen Renditeniveaus.
Seit Mitte Juni hat der russische Energiekonzern Gazprom seine
Erdgaslieferungen via Nord Stream 1 um rund 60% reduziert. Begründung aus
Moskau: Eine Turbine zur Gasverdichtung von Siemens Energy, die zur Wartung
nach Kanada geschickt worden war, hängt wegen der Sanktionen nun dort fest. Die
Folge: ein erneuter massiver Anstieg der Energiekosten in Deutschland und
Europa. Sollte es nach dem Abschluss der Wartung von Nord Stream 1 (geplant
nach dem 21. Juli) zu einem Stopp der Gaslieferungen kommen, dürfte das vor
allem Deutschland und hier vor allem die Industrieproduktion gravierend
belasten.
Die mittelfristigen Inflations- und Zinserwartungen nehmen weiter ab. Die
US-Notenbank Fed dürfte den angekündigten Zinserhöhungs- bzw.
Liquiditätsabschöpfungszyklus nicht durchhalten können. Sollte die Fed im Lauf
des ersten Halbjahres 2023 von ihrem aktuellen Kurs abrücken, könnte sich das
Börsenumfeld verbessern.
Deutsche und europäische Aktien des energiesensiblen Industriesektors können
aus unserer Sicht noch weitere Kursverluste erleiden. Daher konzentrieren wir
uns darauf, Unternehmen zu reduzieren, deren Schwerpunkt auf der Produktion
liegt oder die stark vom Konsum in Deutschland abhängig sind. Auf der anderen
Seite halten wir Aktien aus dem Telekommunikationssektor mit hohem
Auslandsanteil und aus der Versicherungsbranche für aussichtsreich. Dabei
setzen wir weiterhin auf Kriterien wie die Preissetzungsmacht von Unternehmen
und eine starke Marktposition beziehungsweise die Fähigkeit, die Margen zu
halten.
Der konjunkturelle Gegenwind ist in Europa stärker und die Unsicherheit höher
als in den USA. US-Dollar-Absicherungen sind daher nicht notwendig.
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