Edmond de Rothschild Gruppe: Pandemiebedingte Störungen belasten die Weltwirtschaft weiter

Mathilde Lemoine, Chefvolkswirtin der Edmond de Rothschild Gruppe
Marktausblick

Die aktuelle Prognose für Wachstum, Inflation und Währungsmärkte in den Jahren 2022 und 2023 von Dr. Mathilde Lemoine, Chefvolkswirtin der Edmond de Rothschild Gruppe:

18.01.2022 | 07:10 Uhr

  • Die Folgen der Pandemie werden unterschätzt. In den USA sind die pandemiebedingten Einschränkungen nur 27% weniger gravierend als auf ihrem Höhepunkt im Frühjahr 2020, in Frankreich sind es 15%, in der Schweiz 18%, in China 7% und in Thailand 22%. Auch wenn die Lage zurzeit nicht so ernst ist wie während des kompletten Lockdowns, gibt es Ungleichgewichte, Lieferengpässe und Überhitzung. Hinzu kommen Auswirkungen auf die relativen Preise von Gütern und Dienstleistungen und ein Anstieg der Rohstoffpreise, der sich in den Jahren 2022 und 2023 fortsetzen wird.
  • Nach der Analyse von Dr. Lemoine ist im Prognosezeitraum keine Normalisierung in Sicht, weil die G7 krachend gescheitert sind.
  • Paradoxerweise bietet die anhaltende Pandemie Sektoren, die besonders stark von den Einschränkungen betroffen sind, die Chance Rückstände aufzuholen.
  • Deshalb dürfte das Wachstum im Euroraum sowie in den USA und Asien (ohne China) weiter über dem Potenzialwachstum liegen. Aber es wird sehr unterschiedlich ausfallen, abhängig davon, wie erfolgreich die Ausbreitung des Virus und seine Folgen im Zaum gehalten werden können.
  • Nach unserer Prognose wird sich das US-Wachstum 2022 und 2023 leicht auf 4% und 3,2% abschwächen, weil die staatlichen Hilfen auslaufen. Auch das Wachstum des Euroraums wird in den nächsten beiden Jahren nachlassen, auf 4,4% und 2,4%. Das chinesische Wachstum wird 2022 bei 5,3% liegen und 2023 auf 5,5% steigen. Für 2022 und 2023 erwarten wir ein Weltwirtschaftswachstum von 4,6% und 3,7%.
  • Lemoine erwartet einen allmählichen Rückgang der Inflation auf hohem Niveau, weil die staatlichen Hilfen in den Industrieländern auslaufen, weltweit die Leitzinsen angehoben werden und die Kaufkraft einbricht.
  • Abschließend erklärt die Chefvolkswirtin, dass durch die anhaltende Pandemie vieles für ein staatliches Eingreifen in die Wirtschaft spricht und warnt, dass dies das Wachstum mittelfristig beeinträchtigen könnte.


ANALYSE

  1. Die noch immer andauernden Folgen der Pandemie bremsen die Erholung der Weltwirtschaft und tragen zu einem instabilen, ungleichmäßigen Wachstum bei. Paradoxerweise entstehen dadurch aber auch die Chancen für Sektoren, die besonders stark von den pandemiebedingten Restriktionen betroffen sind, über ihr Potenzial zu wachsen.
  2. Die anhaltend strengen Reisevorschriften an den europäischen Grenzen und das Auslaufen der staatlichen Hilfen in den USA dürften den privaten Konsum belasten, sodass sich die erhoffte Normalisierung vermutlich verzögert.
  3. In Frankreich wird das Wachstum schwächer sein als das der europäischen Nachbarländer. Obgleich Frankreich sein erhebliches Erholungspotenzial 2021 nutzen konnte, wird seine Wirtschaft 2022 um 4,2% und im nächsten Jahr nur noch 2% wachsen.
  4. Die asiatischen Volkswirtschaften haben unter Null-Covid-Strategien gelitten. Außerdem dürften die Lieferkettenprobleme anhalten und für steigende Güterpreise sorgen. Dennoch könnte die allmähliche Aufhebung der pandemiebedingten Restriktionen für einen Anstieg des Konsums sorgen. Für die ASEAN-Länder erwarten die Researchteams in den Jahren 2022 und 2023 jeweils 5,6% Wachstum. Die chinesische Wirtschaft dürfte aufgrund des schwächeren Immobilienmarktes, der nachlassenden politischen Spannungen und der Null-Covid-Strategie nur begrenzt wachsen können.
  5. Nach Einschätzung von Dr. Lemoine wird die Inflation zurückgehen. Als Gründe für diese Sicht nennt sie das Auslaufen der staatlichen Hilfsprogramme, den starken Rückgang der Kaufkraft infolge des Preisanstiegs im Jahr 2021, eine Anhebung der Leitzinsen der US Federal Reserve und die anhaltenden Folgen von Energiewende und Klimawandel für die Preise für Energie und landwirtschaftliche Erzeugnisse. Die USA und die EU müssen ihre Wirtschaften klimaneutral machen, und dazu braucht es mehr CO2-freie Energiequellen. Lemoine erläutert, dass diese Unsicherheit zu einem Anstieg der Energiepreise um durchschnittlich 20% gegenüber dem vorpandemischen Niveau führen könnte. Zudem ist sie der Ansicht, dass die Inflation die Konjunktur und die langfristig erwarteten nominalen Zinsen belasten könnte.


„Die Fed prognostiziert eine unveränderte Inflation bei schwächerem BIP-Wachstum. Wir interpretieren das als Aussicht auf langfristig niedrigere nominale und reale Zinsen“, sagt Dr. Mathilde Lemoine.
Die Chefvolkswirtin ist der Ansicht, dass trotz der für die USA ungünstigen Inflationslage „die Aussicht auf höheres Wachstum die US-Regierung in ihrem Blockdenken bestätigen könnte. Dagegen verfolgt China unter Xi Jinping offenbar eher eigene Interessen.“ Dennoch: Die anhaltende Pandemie erhöht die Wahrscheinlichkeit eines schwächeren Wachstums, weil Ressourcen falsch eingesetzt und zu wenig in Humankapital investiert wird.

Prognose des Researchteams von Edmond de Rothschild:

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Unsere Annahmen: 69 US-Dollar je Barrel Ende 2022 und durchschnittlich 68 US-Dollar 2023

Den vollständigen Überblick über die makroökonomischen Prognosen finden Sie hier.

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