Henderson: Anlagen in Zeiten des Populismus

Welche Auswirkungen das Erstarken des Populismus auf die Märkte hat.

20.10.2016 | 10:10 Uhr

Der Populismus ist auf dem Vormarsch. Das unerwartete Votum für den Ausstieg Großbritanniens aus der EU, der wachsende Zuspruch für rechtslastige Parteien in einigen anderen europäischen Ländern und die überraschende Popularität von Politikern vom Schlage eines Donald Trump sorgen für Unruhe auch unter Anlegern. Nicht zuletzt deswegen, weil sich die Vorstellungen mancher dieser Politiker und politischen Bewegungen in einem Spektrum bewegen, das von wirtschaftsunfreundlich bis hin zu ökonomisch unwissend reicht. Mehr staatliche Eingriffe in die Wirtschaft, pauschale Kritik an der Rolle der Zentralbanken, Einwanderungsbeschränkungen und Protektionismus sind nur einige Beispiele, die hier zu nennen wären. Trotz der wachsenden Unterstützung für solche und ähnlich abstruse Ideen in der Bevölkerung haben sich die Aktienmärkte bisher behauptet; dies gilt besonders für den US-Markt, der zurzeit nur knapp unter seinem Höchsstand notiert. Aber auch auf dem europäischen Börsenparkett ist der Brexit-Blues schnell wieder verflogen – vielleicht zu schnell? Und könnte das Erstarken des Populismus noch ganz andere, negative Auswirkungen auf die Märkte haben?

Unzufriedenheit mit dem Status quo

Zunächst sollten wir uns fragen, was hinter den Wahlergebnissen und Volksentscheiden steht. Die Unzufriedenheit breiter Bevölkerungsschichten mit der wirtschaftlichen Entwicklung seit der globalen Finanzkrise ist greifbar und verständlich angesichts von ökonomischer Stagnation und sinkenden Nettoverdiensten der mittleren bis unteren Einkommensgruppen. Verschärft wird dies durch die Wahrnehmung, dass eine verschwindend kleine Elite nahezu den gesamten wirtschaftlichen Profit einstreicht. Verantwortlich hierfür ist in erster Linie die Globalisierung. Sie hat zwar die Preise für Waren sinken lassen, gleichzeitig jedoch die Verhandlungsposition von gering oder unqualifizierten Arbeitnehmern in den Industrieländern geschwächt, da ihre Arbeitskraft infolge der Verlagerung von Produkten und Dienstleistungen ins Ausland deutlich weniger gefragt ist. Der wichtigste Punkt ist jedoch ein anderer: Die Unzufriedenheit des Wahlvolks richtet sich auf die nationalen Regierungen, weil von den Politikern erwartet wird, dass sie „etwas tun“ können. In der Folge haben einige wenig skrupulöse Vertreter der politischen Zunft erkannt, dass sie diese Unzufriedenheit zu ihrem Vorteil nutzen können, selbst wenn sie keinerlei ernstzunehmenden Lösungsvorschläge parat haben. Man denke nur an die prominenten Brexit-Befürworter in Großbritannien, die vollmundig versprachen, das Land könne seine Einwanderungspolitik selbst bestimmen und gleichzeitig unbeschränkten Zugang zum EU-Binnenmarkt haben – ein Versprechen, das sich nach dem Votum schnell als reines Wunschdenken erwies.

Glücklicherweise ist kein Politiker in der Lage, die Globalisierung rückgängig zu machen. Ansonsten müssten wir uns vielleicht darauf einstellen, nur noch lokal erzeugte Produkte kaufen zu können und im Vorgarten Hühner halten zu müssen. Für manchen von uns mag das durchaus reizvoll klingen. Seriös betrachtet besteht jedoch die Gefahr, dass die politischen Akteure mit immer wirreren Ideen versuchen, auf Stimmenfang zu gehen und in einer Welt mit nachlassendem Wachstum bei ihrer Klientel zu punkten. Die Brexit-Debatte ist ein anschauliches Beispiel für diesen Trend. Denn wer könnte ernsthaft glauben, dass es Großbritannien wirtschaftlich besser geht, wenn es für ausländische Investoren deutlich unattraktiver wird?

Pragmatismus als politisches Prinzip

In der geschilderten Situation hat der aufmerksame Beobachter zwei Aufgaben: Er muss diejenigen Politiker herausfiltern, die spürbaren Schaden verursachen könnten, und er muss beurteilen, ob sie in der Lage sein werden, diesen Schaden in der Praxis anzurichten. Die Gelassenheit der Märkte angesichts von Brexit und Co. erklärt sich durch die Erwartung (oder Hoffnung), dass wichtige Entscheidungen letztlich von vergleichsweise vernünftigen Personen getroffen werden bzw. dass die abwegigsten Vorstellungen letzten Endes doch nicht umgesetzt werden. Im Fall von Großbritannien wird das Finanzministerium erstmals seit mindestens einer Generation von einem Mann geführt, der über eine gewisse Wirtschaftserfahrung verfügt. Und obwohl die öffentliche Rhetorik auf der Insel eher wirtschaftsfeindlich zu sein scheint, dürfte dies größtenteils darauf zurückzuführen sein, dass sich die Briten eine gute Ausgangsbasis bei den Austrittsverhandlungen sichern wollen. Denn bekanntermaßen gibt es einen Unterschied zwischen dem, was ein Politiker meint sagen zu müssen, um unzufriedene Wähler freundlich zu stimmen, und dem, was er in der Praxis tatsächlich macht. Zudem wird häufig übersehen, dass Großbritannien auch bei einem Austritt aus dem Binnenmarkt sehr wohl in der europäischen Zollunion verbleiben könnte.

Gesetzt den Fall, dass Politiker mit extremen Ansichten nicht an die Hebel der Macht gelangen und dass Volksvertreter mit zwar unausgegorenen, aber nicht ganz so radikalen Vorstellungen vom Regierungsapparat erfolgreich ausgebremst werden, dann ist die gelassene Haltung der Märkte schon eher nachvollziehbar. Natürlich ist das Risiko, dass auch relativ vernünftige Politiker das Wachstum durch höhere Staatsausgaben ankurbeln wollen, nicht von der Hand zu weisen – besonders angesichts der Tatsache, dass die Zentralbanken mit ihrer Politik der quantitativen Lockerung und der Negativzinsen an ihre Grenzen zu stoßen scheinen. Sehr viel wahrscheinlicher ist jedoch, dass einige Aufsehen erregende Infrastruktur- oder Wohnbauvorhaben mit maximaler Öffentlichkeitswirksamkeit bei minimalem Investitionsbedarf verkündet werden als dass fragwürdige Unterfangen wie das so genannte „Helikoptergeld“ verwirklicht werden, eine Alternative zur quantitativen Lockerung, die alles beinhalten könnte – von direkten Zahlungen an die Bürger bis hin zur Monetarisierung von Staatsschulden. Auch Sorgen über eine drohende Auflösung der EU infolge des Brexits scheinen übertrieben: Ein Blick auf die Geschichte zeigt, dass andere Länder völlig andere Vorstellungen von der Bedeutung der Europäischen Union haben.

Warum für nichts auch noch bezahlen?

Zurück zum Anlegen. Wer mit seiner Kapitalanlage Geld verdienen will, wird der Idee kaum etwas abgewinnen können, ein Unternehmen dafür zu bezahlen, dass man ihm Geld leiht. Danke für das Angebot, Henkel und Sanofi, die beide Anleihen mit Negativverzinsung aufgelegt haben. Sinnvoll ist das nur dann, wenn man davon ausgeht, dass ein anderer die Anleihe zu noch tieferen Negativzinsen erwirbt. Aktien scheinen damit eine der wenigen Optionen, die überhaupt noch eine reale Rendite bieten können. Für Aktienanleger gibt es einige sinnvolle Schritte auf der Suche nach den Unternehmen, die die nächsten Jahre vergleichsweise unbeschadet überstehen können.

  • Nach attraktiven Herstellern von Basisprodukten und Dienstleistern Ausschau halten (Reifen, Schmierstoffe, Shampoo, Lebensmittel)
  • Nach Firmen mit wiederkehrenden Umsätzen bzw. langfristigen Verträgen suchen
  • Nicht zu viel für Wachstum bezahlen – es könnte enttäuschend ausfallen!
  • Nischenprodukte mit Preissetzungsmacht finden
  • Regulatorische/steuerliche Risiken meiden
  • Abhängigkeit von wenigen Produkten oder Ländern vermeiden
  • Nutznießer niedriger Zinsen identifizieren (Infrastruktur)
  • Nach Anbietern mit besonderer Kompetenz im Infrastrukturbereich suchen (Tunnel, Brücken)
  • Werte aufspüren, die die Wende aus eigener Kraft schaffen können

In Europa sind die Bewertungen zwar heute deutlich höher als vor zwei Jahren. Dennoch lassen sich nach wie vor solide Unternehmen finden, die eine Cash-Rendite von 6-7% und zudem Wachstum bieten. Solange sich die politische Lage nicht wirklich verschlechtert, sind Unternehmen, auf die die obigen Kriterien zutreffen, das Beste, was in einer Welt mit wenig Wachstum und niedrigen Zinsen zu finden ist. Und mit diesen Rahmenbedingungen werden wir wohl noch eine Weile zurechtkommen müssen.

Die Wertentwicklung in der Vergangenheit ist kein zuverlässiger Indikator für die künftige Wertentwicklung. Alle Performance-Angaben beinhalten Erträge und Kapitalgewinne bzw. -verluste, aber keine wiederkehrenden Gebühren oder sonstigen Ausgaben des Fond.

Die Informationen in diesem Artikel stellen keine Anlageberatung dar.

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