Nach Einschätzung von Edgar Walk, Chefvolkswirt Metzler Asset Management, dürften die nächste Woche zu erwartenden Beschlüsse der Europäischen Zentralbank kaum einen Effekt auf die europäische Wirtschaft haben.
09.09.2019 | 07:53 Uhr
Das
gelte sogar, wenn die EZB sowohl den Einlagensatz weiter senken als
auch ihr Wertpapierkaufprogramm wieder auflegen und ein gestaffeltes
Reservesystem einführen sollte. Um auf eine Rezession und die damit
verbundenen Deflationsrisiken reagieren zu können, kämen daher aus
seiner Sicht nur noch drei Optionen infrage. Zudem wirft Walk einen
Blick auf die Konjunkturaussichten in den USA und China.
Es
gilt unter den Finanzmarktakteuren als fast schon sicher, dass die
Europäische Zentralbank (EZB) am nächsten Donnerstag den Leitzins senken
wird. Noch ist aber unsicher, ob es 10 oder 20 Basispunkte werden.
Darüber hinaus scheint es innerhalb des EZB-Rates noch große Uneinigkeit
zu geben, ob das Wertpapierkaufprogramm (Quantitative Easing – QE)
wieder reaktiviert und/oder ob ein gestaffeltes Reservesystem eingeführt
werden soll. Die Finanzmarktakteure scheinen damit zu rechnen, dass
sich EZB-Präsident Draghi in allen Punkten durchsetzen wird und somit
alle genannten Erwartungen erfüllt werden.
EZB: Grundsätzlich das Pulver schon verschossen
Die
wichtigste Maßnahme wäre ein großzügig gestaffeltes Reservesystem, das
die Geschäftsbanken erheblich entlasten könnte. Denn nur profitable
Geschäftsbanken können ihre notleidenden Kredite abschreiben und
gleichzeitig die Wirtschaft ausreichend mit Kredit versorgen.
Grundsätzlich hat die EZB jedoch schon ihr Pulver verschossen, und die
neuen Schritte werden nach unserer Einschätzung kaum einen Effekt auf
die europäische Wirtschaft haben. Um auf eine Rezession und die damit
verbundenen Deflationsrisiken zu reagieren, verbleiben in der Eurozone
damit nur noch drei Optionen: Fiskalpolitik, Abschaffung von Bargeld bei
gleichzeitiger Reduktion des Leitzinses auf -3 % bis -4 % sowie
Vollgeld in Kombination mit einer staatlichen Kryptowährung.
USA: Übertriebene Rezessionsängste
Die
US-Wirtschaft hat sich dem globalen Abschwung lange entziehen können,
wird jedoch zunehmend auch davon erfasst. So fiel der ISM-Index der
Industrie im August unter die vielbeachtete Marke von 50. Bisher
erwischte es jedoch überwiegend die Industrie, während der
Dienstleistungssektor kaum betroffen war. Als dementsprechend stabil
erwies sich der Arbeitsmarkt, sodass die Einkommen der US-Haushalte
anhaltend dynamisch wachsen konnten. Daher dürften die
Einzelhandelsumsätze (Freitag) nach einem starken Juli im August
nochmals merklich gestiegen sein. Damit einhergehend, scheint sich nun
langsam auch die Dynamik der Kerninflation zu beschleunigen – nach einem
Wert von 2,2 % im Juli spricht vieles für einen Anstieg auf 2,3 % oder
sogar 2,4 % im August. Wenn die Daten tatsächlich mit einem Anstieg in
diese Richtung überraschen sollten, würde sich der Spielraum der
US-Notenbank für Leitzinssenkungen zweifellos verringern.
China: Verbesserte Konjunkturdaten
Interessanterweise
stieg dagegen der Einkaufsmanagerindex der privaten
Industrieunternehmen in China von 49,9 im Juli auf 50,4 im August und
entwickelte sich damit merklich besser als der ISM-Index in den USA. Die
chinesische Wirtschaft scheint damit auch dank der zahlreichen
staatlichen Stimuli einen Weg gefunden zu haben, die negativen
Auswirkungen des Handelskonflikts auszugleichen. Darüber hinaus scheinen
auch die Exporte (Montag) wieder zu wachsen, und die Inflation dürfte
nach einem lebensmittelpreisbedingten Schub (Dienstag) wieder gefallen
sein. Einen noch wichtigeren Stellenwert für die Verfassung von Chinas
Konjunktur haben jedoch die Erzeugerpreise (Dienstag), die hoch
korreliert sind mit der Gewinnentwicklung der chinesischen Unternehmen.
Eine gute und erfolgreiche Woche wünscht
Edgar Walk
Chefvolkswirt Metzler Asset Management
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