Japanische Aktien schwächeln im internationalen Vergleich, obwohl die Wirtschaftsprogramme von Shinzo Abe greifen.
20.09.2019 | 14:35 Uhr
Edgar Walk, Chefvolkswirt Metzler Asset Management, sieht einen Bewertungsrückgang, bedingt durch eine anstehende Mehrwertsteuererhöhung, entsprechend sinkenden Konsum und eine milde Rezession. Bereits zum Jahreswechsel sei aber wieder mit einer Aufhellung zu rechnen.
Der
MSCI Japan erzielte seit Jahresanfang eine Wertsteigerung von „nur“
16,2 % in Euro. Der MSCI Welt entwickelte sich dagegen mit 23,2 %
deutlich besser. Die schlechtere Wertentwicklung ist insofern
überraschend, als sich die japanische Wirtschaft in diesem Jahr überaus
stabil entwickelte. So lag die Konsensus-Prognose für das
Wirtschaftswachstum 2019 laut Bloomberg im September bei 0,9 % und damit
unverändert im Vergleich zu Dezember 2018. Auch die
Einkaufsmanagerindizes (Montag) konnten sich im internationalen
Vergleich in den vergangenen Monaten gut halten.
Darüber
hinaus ist eine strukturelle Verbesserung der Profitabilität
japanischer Aktienunternehmen seit 2011 zu beobachten. Dies beruht vor
allem auf dem wirtschaftspolitischen Programm von Premierminister Shinzo
Abe, das sowohl die Rückkehr zu einer normalen Inflationsentwicklung
zum Ziel hat als auch umfangreiche Corporate-Governance-Reformen
beinhaltet.
So
konnte sich die Inflationsrate im Großraum Tokio (Freitag) immerhin
seit Anfang 2018 auf einem durchschnittlichen Niveau von etwa 0,9 %
etablieren – von 2000 bis 2017 betrug der Durchschnitt dagegen -0,2 %.
Auch scheinen sich japanische Unternehmen seit den Reformen viel stärker
auf ihre Aktionäre auszurichten als in der Vergangenheit.
Vor
diesem Hintergrund bestehen gute Chancen, dass sich die Profitabilität
(Eigenkapitalrendite) japanischer Unternehmen in den kommenden Jahren
weiter an das globale Niveau annähern kann.
Die
schlechtere Wertentwicklung japanischer Aktien in diesem Jahr ist somit
nicht auf eine enttäuschende Gewinnentwicklung zurückzuführen, sondern
auf einen merklichen Rückgang der Bewertung. So sank nach unseren
Berechnungen das um den Konjunkturzyklus bereinigte
Kurs-Gewinn-Verhältnis seit Jahresanfang um mehr als 9 %. Wäre die
Bewertung stabil geblieben, hätten japanische Aktien geschätzt 25,4 %
erzielt.
Der
Rückgang der Bewertung in Japan ist insofern ungewöhnlich, als in den
USA, Europa und den Schwellenländern die Bewertung stieg. Die niedrigere
Bewertung japanischer Aktien seit Jahresanfang bedeutet automatisch
eine höhere Risikoprämie; die beiden Größen spiegeln die beiden Seiten
einer Medaille wider.
Ein
Grund dafür, dass japanische Aktien im internationalen Vergleich als
riskant eingestuft werden, könnte die für Oktober anstehende
Mehrwertsteuererhöhung von 8 % auf 10 % sein. Die beiden vorangegangenen
Mehrwertsteuererhöhungen 1997 und 2014 verursachten jeweils eine
schwere Rezession, da sie den privaten Haushalten jeweils Einkommen
entzogen und damit deren Konsummöglichkeiten reduzierten.
Die
japanische Regierung hat zwar zahlreich Maßnahmen auf den Weg gebracht,
den Einkommensschock abzumildern; es steht jedoch zu befürchten, dass
wieder eine Rezession in Japan drohen könnte.
Aufgrund
des robusten Arbeitsmarktes sind die Chancen jedoch gut, dass die
Rezession diesmal eher mild ausfällt und dass sich die Anzeichen einer
Konjunkturerholung ab dem Jahreswechsel mehren. Damit könnten sich auch
wieder die Perspektiven für japanische Aktien verbessern.
USA: Geldpolitik funktioniert
Bei
jeder Leitzinssenkung stellt sich die bange Frage, ob der Effekt
tatsächlich auch in der Realwirtschaft ankommt – also ob der monetäre
Transmissionsmechanismus funktioniert. Zentralbanken können nämlich kein
Geld direkt in die Wirtschaft pumpen (darum ist auch Helikoptergeld
unmöglich), sondern nur hoffen, dass sie mithilfe niedrigerer Zinsen die
Wirtschaftsakteure animieren können, sich bei Banken oder am
Kapitalmarkt zu verschulden.
Gleichzeitig
müssen jedoch auch die Banken und die Kapitalmarktakteure bereit sein,
die gewünschte Schuldenaufnahme zu finanzieren. In den meisten
Wirtschaftsräumen steigt bei Änderungen der Leitzinsen die Nachfrage
nach Wohnimmobilienkrediten am schnellsten; Wohnimmobilienkredite gelten
deshalb oft als Signal für die Wirksamkeit der Geldpolitik. In den USA
war der wöchentlich veröffentlichte Index der Anträge für
Hypothekenkredite im vergangenen Jahr kontinuierlich schwach. Dies
zeigte, dass die US-Geldpolitik die wirtschaftliche Aktivität merklich
bremst.
In
diesem Jahr kam es zu einem signifikanten Umschwung, der zeigt, dass
die Trendwende hin zu einer lockeren US-Geldpolitik tatsächlich die
Nachfrage nach Wohnimmobilienkrediten beleben konnte. Bestätigung dafür
dürfte auch von den Neubauverkäufen (Mittwoch) kommen.
Insgesamt
scheint sich damit zu zeigen, dass die US-Geldpolitik funktioniert und
die Wirtschaft nach einer Phase des Bremsens 2018 aktuell wieder
stimuliert. Mit einer Zeitverzögerung dürfte dies in einem Anstieg der
Einkaufsmanagerindizes (Montag) und einer Verbesserung des
Konsumentenvertrauens (Dienstag) sichtbar werden.
Interessanterweise
dürfte gleichzeitig die Kerninflation (Freitag) von 1,6 % im Juli auf
1,8 % im August gestiegen sein. Vor diesem Hintergrund sollte
keinesfalls das Risikoszenario unterschätzt werden, dass die anhaltende
Überhitzung am Arbeitsmarkt für eine im Trend steigende Kerninflation im
nächsten Jahr sorgen könnte (wie im Wochenausblick der Vorwoche
beschrieben).
Eurozone: Mehr Investitionen im Inland notwendig
Der
Konjunkturabschwung in der Eurozone beruht maßgeblich auf dem
Außenbeitrag. Die Binnennachfrage blieb zwar einigermaßen stabil, konnte
sich jedoch auch nicht beschleunigen und damit einen Ausgleich bieten.
Die Schwäche der Binnennachfrage ist eine Investitionsschwäche.
Einerseits investieren die Staaten zu wenig und andererseits klagen
viele Unternehmen über regulatorische Hürden und Unsicherheiten. Es
steht also viel Geld für Investitionen bereit, das aber aus
bürokratischen Gründen nicht fließt.
Dementsprechend
dürften sich Konjunkturdaten wie die Einkaufsmanagerindizes (Montag),
der ifo-Index (Dienstag) und der Geschäftsklimaindex der EU (Freitag)
ohne größere Dynamik seitwärts bewegen und damit im Einklang mit einem
Wirtschaftswachstum von etwa 1,0 % stehen. Auch dürfte sich ein Blick
auf die Geldmenge M1 (Donnerstag) lohnen, da sie ein solider
Frühindikator für die Konjunktur ist.
Eine gute und erfolgreiche Woche wünscht
Edgar Walk
Chefvolkswirt Metzler Asset Management
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