Metzler AM: US-Wachstumsprognose mit Fragezeichen

Metzler AM: US-Wachstumsprognose mit Fragezeichen
Marktausblick

Edgar Walk, Chefvolkswirt Metzler Asset Management, nimmt in seinem Kapitalmarkt­ausblick auf die nächste Woche die bisherigen Prognosen für das Wirtschaftswachstum 2020 in den USA unter die Lupe.

20.01.2020 | 08:13 Uhr

Bislang haben wir damit gerechnet, dass sich das Wirtschaftswachstum in den USA in diesem Jahr merklich von 2,3 % auf nur noch 1,6 % verlangsamen wird. Die Gründe hierfür waren, dass sich der Rückenwind der Steuersenkungen und staatlichen Mehrausgaben aus den Jahren 2018 und 2019 in einen spürbaren Gegenwind umkehren und der Handelskonflikt mit China die Wirtschaftslage nennenswert belasten wird. Die Konsensuserwartung für das US-Wirtschaftswachstum liegt derzeit bei 1,8 %.

Nun zeigen jedoch aktuelle Analysen von Goldman Sachs, dass mit der Unterzeichnung des Handelsabkommens zwischen den USA und China sowie der Annahme einer unveränderten Handelspolitik bis Jahresende die negativen Auswirkungen des Handelskonflikts von bis zu -0,4 %-Punkten des Bruttoinlandsprodukts (BIP) auf die US-Wirtschaft schon ab dem ersten Quartal 2020 abnehmen und im Sommer verschwunden sein werden. Darüber hinaus haben sich im Jahresverlauf 2019 die Finanzierungsbedingungen für US-Unternehmen und die Privathaushalte signifikant verbessert, sodass ein merklicher Konjunkturimpuls in der Pipeline zu stecken scheint. Zuletzt rechnet Goldman Sachs nur mit einem geringen negativen Beitrag der Fiskalpolitik zum Wirtschaftswachstum, während Morgan Stanley sogar einen positiven Impuls der Fiskalpolitik prognostiziert.

Unsere Wachstumserwartungen für die USA könnten sich somit als viel zu pessimistisch erweisen. Wir warten jedoch noch mit einer Korrektur unserer Prognose ab – vor allem, weil der Produktionsstopp bei Boeing das Wirtschaftswachstum im ersten Quartal zwar nur vorübergehend, jedoch signifikant dämpfen dürfte. Die Einkaufsmanagerindizes (Freitag) werden sicherlich erste Hinweise geben, wie die unterschiedlichen Einflussfaktoren derzeit auf die US-Wirtschaft einwirken.

Wenn sich die US-Wirtschaft tatsächlich im Jahresverlauf überraschend kräftig erholen sollte, würden weiter sich beschleunigende Lohnsteigerungen drohen und damit tendenziell steigende Inflationsraten. Derzeit kommen nämlich vor allem die unteren Lohngruppen in den Genuss merklich steigender Löhne, die traditionell eine hohe Konsumquote haben.

US-Lohnanstieg hat sich deutlich beschleunigt

US-Lohnanstieg hat sich deutlich beschleunigt
US-Lohnanstieg hat sich deutlich beschleunigt
US-Lohnanstieg hat sich deutlich beschleunigt

Quelle: Goldman Sachs Global Investment Research; Stand: Dezember 2019

EZB: Schicksalhaftes Niedrigzinsumfeld?
Reagiert die Europäische Zentralbank (EZB) mit ihrer Zinspolitik nur auf ein fundamentales Ungleichgewicht zwischen Ersparnissen und Investitionen, oder ist ihre Zinspolitik nur danach ausgerichtet, überschuldete Länder zu retten? Anders gefragt: Wäre der Leitzins in der Eurozone auch bei -0,5 %, wenn der Geldmarktzins im freien Spiel der Marktkräfte gebildet werden würde? Ein Blick über den Globus zeigt, dass Länder mit einer jungen Bevölkerung tendenziell hohe Zinsen haben, während Länder mit einer älteren Bevölkerung eher niedrige Zinsen aufweisen.

Nur eine Korrelation oder ein Ursache-Wirkungs-Zusammenhang? Länder mit hohem Durchschnittsalter haben niedrige Zinsen
Leitzins in % und Durchschnittsalter (Median) in Jahren

Nur eine Korrelation oder ein Ursache-Wirkungs-Zusammenhang
Nur eine Korrelation oder ein Ursache-Wirkungs-Zusammenhang
Nur eine Korrelation oder ein Ursache-Wirkungs-Zusammenhang

Quelle: Thomson Reuters Datastream; Stand: Dezember 2019

Interessanterweise scheint ein Zusammenhang nicht nur im Querschnitt, sondern auch im Zeitablauf zu bestehen
Leitzins in % und Durchschnittsalter (Median) in Jahren

Zusammenhang nicht nur im Querschnitt
Zusammenhang nicht nur im Querschnitt
Zusammenhang nicht nur im Querschnitt

Quelle: Thomson Reuters Datastream; Stand: Dezember 2019

Bei einer eher jungen Bevölkerung wächst die Wirtschaft in der Regel schneller, gibt es mehr Nachfrage nach Konsumgütern und eine höhere Inflation. Länder mit einer älteren Bevölkerung wachsen dagegen langsamer und haben niedrigere Inflationsraten, weil dort wahrscheinlich weniger Konsumgüter und mehr Finanzprodukte nachgefragt werden. Die EZB (Donnerstag) dürfte daher ähnlich große Probleme wie die Bank von Japan haben, der Nullzinsfalle zu entkommen. Vielmehr ist sie auf absehbare Zeit in einer abwartenden Haltung gefangen. Immerhin bestehen gute Chancen auf eine sich belebende Konjunktur, wie der ZEW-Index (Dienstag) und die Einkaufsmanagerindizes (Freitag) zeigen dürften.

Japan: Strukturell im Aufwärtstrend
Die eklatante Arbeitskräfteknappheit, die zuletzt noch durch staatliche Regulierungen verschärft wurde, um die Überstunden strikt zu begrenzen, zwingt die Unternehmen zu investieren. Dabei wollen die Firmen keine neuen Kapazitäten aufbauen, sondern nur Arbeit durch Kapital ersetzen. Die Folge ist ein struktureller Investitionsboom, der noch einige Jahre andauern wird. Dementsprechend dürfte die aktuelle Konjunkturschwäche nur vorübergehend sein, wie die jüngsten Daten des Einkaufsmanagerindex (Freitag) vielleicht bereits zeigen werden. Gleichzeitig ist mit einer anhaltend niedrigen Inflation und einer auf lange Zeit unveränderten Notenbankpolitik zu rechnen.

Eine gute und erfolgreiche Woche wünscht

Edgar Walk
Chefvolkswirt Metzler Asset Management

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