Metzler: China stärkt die marktwirtschaftlichen Kräfte

Erster Kreditausfall einer Unternehmensanleihe in China. Wie geht es in China weiter? Bank für Internationalen Zahlungsausgleich warnt vor neuen Ungleichgewichten.

10.03.2014 | 08:57 Uhr

Das Solar-Unternehmen Chaori konnte in dieser Woche die fälligen Zinszahlungen nicht leisten und musste deshalb als erstes chinesisches Unternehmen einen Kreditausfall auf eine ausstehende Anleihe melden. Bisher verhinderten staatliche Rettungsmaßnahmen Kreditausfälle und Verluste bei Anlegern. Der erste Kreditausfall in der Finanzgeschichte Chinas ist vor diesem Hintergrund ein wichtiges Signal dafür, dass die chinesische Regierung die im dritten Plenum beschlossenen Reformen zur Stärkung der marktwirtschaftlichen Kräfte ernsthaft angeht. Zweifellos wird es in den kommenden Wochen zu weiteren Kreditausfällen und Unternehmenspleiten kommen, da es seit Ausbruch der globalen Finanzmarktkrise 2008 im Rahmen der staatlichen Konjunkturförderungsmaßnahmen zu einer nennenswerten Fehlallokation von Kapital gekommen ist und zu einem dramatischen Anstieg der Unternehmensverschuldung von etwa 100 % des BIP im Jahr 2008 auf über 150 % des BIP im Jahr 2013.

Diese Entwicklungen werden 2014 und 2015 das Wachstum bremsen und für weitere Enttäuschungen bei den Konjunkturdaten sorgen. So dürften sich die Wachstumsrate der Industrieproduktion (Donnerstag) von 9,7 % im Februar weiter abgeschwächt und die Einzelhandelsumsätze (Donnerstag) immerhin stabilisiert haben – insgesamt also ein Umfeld mit nur geringem Preisdruck, wie der Rückgang der Inflation (Sonntag) von 2,5 % im Januar auf 2,1 % im Februar widerspiegeln dürfte.

Die verstärkte Einführung marktwirtschaftlicher Prinzipien wird es China ermöglichen, mittelfristig auf Wachstumskurs zu bleiben – jedoch nicht ohne Risiken: Einige Analysten vergleichen den Kreditausfall von Chaori mit dem Konkurs von Bear Stearns im Mai 2008. Der Konkurs von Bear Stearns war damals der Auslöser für eine Neubewertung der Risiken von US-Subprime-Anleihen und für ein verändertes Anlegerverhalten, dass in der Panik nach dem Konkurs von Lehman Brothers kulminierte. Vor dem Hintergrund weiterer erwarteter Kreditausfälle in China in den kommenden Wochen sehen diese Analysten eine hohe Wahrscheinlichkeit für eine baldige Panik im Schattenbankensystem.

Der Vergleich mit den USA hinkt jedoch. Die Panik in den USA nach dem Konkurs von Lehman Brothers hatte damals starke negative Effekte auf die Finanzmärkte und die Realwirtschaft, da die Banken sich plötzlich nicht mehr untereinander vertrauten und der Interbankenmarkt zusammenbrach. Jede Bank musste für sich ums Überleben kämpfen und hortete Liquidität. Die Kreditvergabe kam infolge dessen zu einem kompletten Stillstand und Banken verkauften Wertpapiere, die in ihren Bilanzen standen, um an Liquidität zu kommen.

In China ist jedoch ein kompletter Vertrauensverlust zwischen den Banken äußerst unwahrscheinlich, da der Staat stark involviert ist und die Banken implizit garantiert. Auch wenn es zu vermehrten Kreditausfällen in den kommenden Wochen kommen sollte, dürfte es kaum zu einer Unterbrechung der gesamtwirtschaftlichen Kreditversorgung führen – zumal die großen Geschäftsbanken auch im Schattenbankensystem aktiv sind und somit zu einem gewissen Grad geordnete Marktverhältnisse gewährleisten können. China konnte in der Vergangenheit schon mehrmals einen großen Schuldenüberhang abbauen, ohne nachhaltige negative Konsequenzen für die Realwirtschaft zu erleiden.

Interessanterweise, haben die Unsicherheit über China und die Ereignisse in der Ukraine in dieser Woche zu einem Rekordabfluss von Anlagegeldern aus Schwellenländerfonds geführt. Nur nach dem Lehman-Schock waren Abflüsse vergleichbar hoch.    

Bank für Internationalen Zahlungsausgleich warnt vor neuen Ungleichgewichten

Jaime Caruana von der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) hielt in dieser Woche eine Rede in Frankfurt über globale Liquidität. Die BIZ definiert Liquidität dabei als die Verfügbarkeit von Finanzierung durch Banken und den Kapitalmarkt. In der Vergangenheit führte ein hohes Wachstum der Liquidität in Form eines rapiden Anstiegs der internationalen Kreditvergabe der Banken untereinander oft zu Finanzmarktkrisen. Jedoch stagniert die internationale Kreditvergabe der Banken untereinander seit Ausbruch der Finanzmarktkrise mehr oder weniger und sendet damit keine Warnsignale. Der starke Fokus auf eine umfassende Regulierung der Banken ist eine Reaktion auf die vergangene Krise – und unter Umständen laut BIZ keine vorbeugende Maßnahme, da die „Musik“ derzeit an den Anleihemärkten spielt. So zeigen die Statistiken der BIZ einen starken Anstieg der Emissionen von Unternehmens- und Bankanleihen auf globaler Ebene. Die BIZ ist vor diesem Hintergrund vor allem darüber besorgt, dass multinationale Unternehmen in den vergangenen Jahre durch selbstständige Tochterunternehmen in Offshore-Zentren Anleihen zu günstigen Zinsen in US-Dollar emittierten und das Geld innerhalb des Unternehmens an Mutter- oder weitere Tochtergesellschaften in den Schwellenländer transferierten, die dort das Geld zu hohen Zinsen im Bankensystem anlegten. Die Schulden der Unternehmen tauchen aufgrund dieser Konstruktion nicht in ihren Bilanzen auf und ermöglichen damit einen übertrieben hohen Gewinnausweis. Leider sind laut BIZ die internationalen Statistiken nur unvollständig und daher ist es bis jetzt noch unmöglich, die Risiken aus unternehmensinternen „Carry-Trades“ seriös abzuschätzen. Insgesamt plädiert die BIZ dafür, dass die Geldpolitik zwar weiter locker bleiben sollte, die globalen Zentralbanken jedoch schneller den geldpolitischen Exit aus der unorthodoxen Geldpolitik vollziehen sollten, um weitere Übertreibungen an den Anleihemärkte einzudämmen.

Der vollständige Ausblick im pdf-Dokument

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