Die ökonomischen Perspektiven für 2025 lassen aufhorchen: Während in diesem Jahr die Wachstumsraten der Eurozone und der USA sehr unterschiedlich sind, scheint sich diese Kluft im kommenden Jahr deutlich zu verringern. Einige Analysten, Edgar Walk eingeschlossen, halten sogar ein Wirtschaftswachstum der Eurozone über dem der USA für möglich.
23.09.2024 | 09:02 Uhr
Die ökonomischen Perspektiven für 2025 lassen aufhorchen: Während in diesem Jahr die Wachstumsraten der Eurozone und der USA eine beträchtliche Lücke aufweisen, scheint sich diese Kluft im kommenden Jahr deutlich zu verringern. Laut der jüngsten Konsensumfrage von Bloomberg wird das Wirtschaftswachstum der Eurozone 2024 bei lediglich 0,7 Prozent liegen, während die USA mit einem robusten Plus von 2,5 Prozent aufwarten können.
Doch für das Jahr 2025 zeichnet sich ein bemerkenswerter Trendwechsel ab. Die Median-Prognosen der von Bloomberg befragten Volkswirte gehen davon aus, dass das Wachstum in den USA auf 1,7 Prozent abkühlt, während sich die Eurozone auf 1,4 Prozent erholt. Einige Analysten, uns eingeschlossen, zeigen sich für Europa sogar noch optimistischer und halten ein Wachstum über dem der USA für möglich. Dies könnte auch zu einer Aufwertung des Euro gegenüber dem US-Dollar führen.
Der entscheidende Faktor für diese Entwicklung liegt im stark divergierenden Konsumverhalten der Haushalte dies- und jenseits des Atlantiks. Während die US-Wirtschaft 2024 noch von einem überaus starken Konsum getragen wird, zeigen aktuelle Daten, dass die Sparquote der US-amerikanischen Haushalte im Juli auf nur noch 2,9 Prozent gefallen ist – ein signifikanter Rückgang im Vergleich zu den 5,3 Prozent im Mai, die dem historischen Durchschnitt von 1999 bis 2019 entsprachen. Diese stark rückläufige Sparquote ist Ausdruck einer ausgeprägten Konsumneigung.
Ein Blick auf die historische Entwicklung zeigt, dass der Tiefpunkt der US-Sparquote im Juli 2005 mit nur 1,4 Prozent erreicht wurde. Es bleibt daher nur noch wenig Raum für weitere Rückgänge, was den Handlungsspielraum der US-amerikanischen Konsumenten in den kommenden Jahren einschränken dürfte. Sollte sich die Sparquote stabilisieren oder gar wieder ansteigen, könnte dies ein deutlicher Dämpfer für das Konsumwachstum in den USA sein. Ein solcher Anstieg der Sparquote könnte etwa durch eine Verschlechterung des Arbeitsmarkts ausgelöst werden, die sich bereits jetzt in einer sinkenden Einschätzung der Konsumenten zur Lage am Arbeitsmarkt zeigt. Ein wichtiger Indikator hierfür wird das am Dienstag veröffentlichte Konsumentenvertrauen des Conference Board sein.
Hinzu kommt, dass die hohen Erwartungen von mehreren Zinssenkungen in den kommenden Quartalen durch die US-Notenbank bereits erste Auswirkungen zeigt. Die rückläufigen Zinsen haben die Kreditnachfrage wiederbelebt, was insbesondere dem Wohnungsmarkt zugutekommt. In der kommenden Woche könnten Daten zu den US-Immobilienpreisen sowie den Neubauverkäufen diese Entwicklung bestätigen. Mit einer Erholung des Wohnungsbaus geht typischerweise auch ein weiterer Rückgang der Sparquote einher, da Verbraucher vermehrt Kredite aufnehmen, um in Immobilien zu investieren.
Dennoch bleibt das Risiko bestehen, dass die Sparquote bald ihren Tiefpunkt erreicht hat und eine weitere Stützung des Konsums zunehmend an ihre Grenzen stößt. Sollte der Arbeitsmarkt beginnen, Schwächen zu zeigen, könnte dies den bisher so starken Konsum in den USA belasten.
Trotz der in diesem Jahr verhaltenen Wachstumsraten deuten einige Indikatoren darauf hin, dass die Wirtschaft Europas kurz- bis mittelfristig wieder an Stabilität gewinnen könnte. Besonders bemerkenswert ist dabei die im Vergleich zu den USA deutlich höhere Sparquote der europäischen Haushalte, die in den vergangenen Monaten sogar weiter angestiegen ist.
Laut den jüngsten Daten, die bis zum ersten Quartal 2024 reichen, lag die Sparquote in der Eurozone bei beachtlichen 15,4 Prozent. Zum Vergleich: Der langfristige Durchschnitt von 1999 bis 2019 betrug rund 12,8 Prozent. Diese deutliche Steigerung könnte eine entscheidende Rolle dabei spielen, die Kaufkraft der Konsumenten in der Eurozone zu stärken, sobald sich die Rahmenbedingungen ändern. Besonders aufschlussreich ist die monatliche Umfrage der Europäischen Kommission, die seit 1985 die Sparabsichten der Haushalte erfasst.
Im Juli 2024 erreichten die Sparabsichten den höchsten jemals gemessenen Wert seit Beginn der Umfrage. Dies deutet darauf hin, dass die Sparquote im dritten Quartal dieses Jahres nochmals deutlich gestiegen sein dürfte – möglicherweise sogar auf einen neuen Höchststand.
Ein wichtiger Treiber der hohen Sparquote ist zweifelsohne die Zinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB). Seit Ende 2021 hat die EZB ihren Leitzins schrittweise von -0,5 Prozent auf 4,0 Prozent erhöht. Dies stellt eine der drastischsten Zinsanhebungen in der Geschichte der Eurozone dar. Solche massiven Zinsschritte haben in der Regel einen starken Einfluss auf das Sparverhalten der Konsumenten.
Die Grafik zeigt neben der Umfrage zu den Sparabsichten die Entwicklung des aktuellen Leitzinses im Vergleich zum Durchschnittszins der letzten drei Jahre. Die drastischen Leitzinserhöhungen der EZB könnten dabei zu einem großen Teil erklären, warum die Haushalte in der Eurozone ihre Sparneigung so deutlich erhöht haben. Doch nun, da die EZB im Juni und September 2024 den Leitzins leicht gesenkt hat, könnte dies das Sparen weniger attraktiv machen und mittelfristig den Konsum ankurbeln.
In der kommenden Woche wird das Augenmerk der Marktteilnehmer auf das GfK-Konsumklima in Deutschland sowie das Konsumentenvertrauen in der Eurozone gerichtet sein. Diese Daten werden Aufschluss darüber geben, ob die Zinsschritte der EZB bereits erste Auswirkungen auf das Konsumverhalten der Haushalte haben.
Zwar könnten die Leitzinssenkungen der EZB theoretisch auch die Kreditvergabe der Banken stimulieren, jedoch ist hier in der Regel eine Zeitverzögerung zu erwarten. Es wird voraussichtlich noch einige Monate dauern, bis der Kreditzyklus in der Eurozone in Schwung kommt.
Die derzeit hohen Sparquoten bedeuten jedoch auch, dass den Konsumenten in der Eurozone erhebliche Kaufkraftreserven zur Verfügung stehen. Sollte das Vertrauen in die wirtschaftliche Entwicklung zunehmen, könnte dies im kommenden Jahr zu einer deutlichen Belebung des Konsums führen. Die jüngsten Leitzinssenkungen der EZB könnten hierfür den nötigen Anreiz bieten.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Eurozone über ein großes Wachstumspotenzial verfügt, das sich aus der Kombination von steigender Kaufkraft und einer potenziellen Stabilisierung des Kreditzyklus speist. Zwar dürfte das Wachstum kurzfristig verhalten bleiben, doch die Voraussetzungen für eine kräftige wirtschaftliche Erholung im kommenden Jahr sind gegeben.
Wir prognostizieren ein Wirtschaftswachstum von etwa 1,5 Prozent für das Jahr 2025, was eine deutliche Verbesserung im Vergleich zu den diesjährigen schwächeren Zahlen darstellen würde.
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