Metzler: USA fängt sich "holländische Krankheit" ein

Edgar Walk, Chefvolkswirt des Metzler Asset Management, sieht die US-amerikanische Notenbank in einer Zwickmühle: Vor dem Hintergrund des intakten Dienstleistungssektors müsste der Leitzins früher und stärker erhöht werden als von den Marktteilnehmern erwartet.

30.03.2015 | 09:04 Uhr

Das hätte eine Aufwertung des ohnehin schon starken US-Dollar zur Folge, was wiederum die derzeitigen Absatzprobleme der Industrie verschärfen würde. Für die Eurozone sieht Walk die Möglichkeit, dass die EZB aufgrund der guten Konjunktur ihr Staatsanleihen-Kaufprogramm schon vor September 2016 beenden könnte.

USA: Konjunkturdaten im Fokus

Die Konjunkturdaten in den USA zeigten in dieser Woche ein bedenkliches Bild: Die Industrie kämpft mit erheblichen Schwächen, während sich der Dienstleistungssektor nahezu unverändert dynamisch entwickelt. Aufgrund des großen Gewichts des Dienstleistungssektors blieben die Arbeitsmarktdaten einigermaßen robust.

Die Schwäche der Industrie scheint überwiegend eine Folge des starken US-Dollar zu sein, was beispielsweise ein weiterer Rückgang der Komponente der Exportaufträge im Einkaufsmanagerindex (Mittwoch) signalisieren dürfte.

Auch sanken insbesondere die Auftragseingänge für Baumaschinen, Stahlprodukte und Industriemaschinen in den vergangenen sechs Monaten signifikant – teilweise im hohen zweistelligen Bereich. Historisch betrachtet, reagieren diese Produktgruppen am stärksten auf Veränderungen des Wechselkurses.

Im Gegensatz dazu scheint der Dienstleistungssektor kaum an Dynamik verloren zu haben und weiterhin als Jobmotor zu funktionieren. So konzentrierten sich beispielsweise die kräftig wachsenden realen Konsumausgaben (Montag) in den vergangenen Monaten stark auf den Dienstleistungssektor und weniger auf den Einzelhandel. Dementsprechend dürfte der Arbeitsmarkt (Freitag) auch im März robust geblieben sein.

Für die US-Notenbank bedeutet diese „Zweiteilung“ der US-Wirtschaft große Probleme, da ein einseitiger Fokus auf den Dienstleistungssektor schon frühere und stärkere Leitzinserhöhungen erfordern würde mit der Folge, dass der US-Dollar weiter aufwerten und sich die Probleme in der Industrie verschärfen würden. Schon im Januar 2015 sank das Handelsbilanzdefizit ohne Ölprodukte (Donnerstag) der USA unter das Rekordvorkrisenniveau – ein Trend, der sich im Februar verstärkt haben dürfte.

Die oft beschworene Renaissance der US-Industrie wäre damit wieder zunichte gemacht. Die USA würden dadurch immer stärkere Symptome der „holländischen Krankheit“ zeigen, die exportierende Staaten treffen kann, wenn sie unter Wechselkursentwicklungen leiden, und von der normalerweise nur Staaten mit einem hohen Rohstoffvorkommen betroffen sind.

Wahrscheinlich wird die US-Notenbank versuchen, mit nur späten und vorsichtigen Zinsschritten eine Art Mittelweg zu finden, um eine weitere signifikante Aufwertung des US-Dollar zu verhindern. Die Inflationserwartungen der Finanzmarktteilnehmer sind immer noch ungewöhnlich niedrig, was der Fed den Spielraum für eine abwartende Haltung in der Geldpolitik eröffnet.

Der vollständige Ausblick im pdf-Dokument

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