ODDO BHF – "Internationale Diversifikation bietet Schutz bei eventuellen Handelskonflikten"

Verfasst von: Prof. Dr. Jan Viebig CIO ODDO BHF SE
Investment View

Die deutsche Wirtschaft geht aus einer geschwächten Position heraus in eine neue Zeit, in der es in der Weltwirtschaft künftig rauer zugehen könnte.

18.02.2025 | 09:50 Uhr

Trumps Kurs, die angekündigten Zollerhöhungen entschlossen und weitgehend ohne langwierige Verhandlungen durchzusetzen, birgt die Gefahr eskalierender Handelskonflikte zwischen China, den USA, dem restlichen amerikanischen Kontinent und Europa. Niemand kann derzeit verlässlich abschätzen, wie sich der Welthandel verändern wird, wenn eine weltumspannende Spirale aus Strafzöllen und Vergeltungsmaßnahmen in Gang gesetzt werden sollte. Anfang der Woche verhängte der US-Präsident Strafzölle von 25 Prozent („ohne Ausnahmen und Befreiungen“, wie Trump betonte) auf Importe von Stahl und Aluminium. Am 12. März soll die entsprechende Verordnung in Kraft treten. Anleger in Europa reagierten umgehend und verkauften die Aktien der europäischen Stahlhersteller Arcelor Mittal, Salzgitter und Thyssen-Krupp. Die erste Kursreaktion am Montag zeigt, wie nervös die Anleger derzeit sind. Denn Trump deutete gleichzeitig an, dass er auch Autos, Computerchips und Arzneimittel mit höheren Zöllen belegen könnte.

Für die deutsche Wirtschaft ist mit Donald Trump im Weißen Haus ein weiterer Faktor hinzugekommen, der für Verunsicherung sorgt. Denn Deutschland hängt in besonderem Maße vom Außenhandel ab und ist auf offene Märkte und moderate Zölle angewiesen. Sollte Trump seine Zollpolitik wie angekündigt verwirklichen, so rechnet das Institut für Weltwirtschaft (IfW) in Kiel damit, dass der Welthandel im laufenden Jahr 2025 um 2,5 Prozent und langfristig sogar um rund 4 Prozent sinken könnte. Die Zollerhöhungen der USA würden dann das Bruttoinlandsprodukt (BIP) der Welt kurzfristig um 0,75 Prozent drücken und langfristig um etwa 0,6 Prozent. Unter den US-Zöllen würde die europäische Wirtschaft im Übrigen stärker leiden als die amerikanische.

Derzeit häufen sich ohnehin die negativen Nachrichten über die deutsche Wirtschaft. Im vergangenen Jahr 2024 schrumpfte die Produktion im Verarbeitenden Gewerbe um 4,5 Prozent. Allein in der Industrie betrug der Rückgang 4,9 Prozent. Damit setzte sich im abgelaufenen Jahr ein Trend fort, der im Frühjahr 2023 eingesetzt hatte. Besonders betroffen sind zwei Schlüsselbranchen: der Automobilbau mit einem Minus von 7,2 Prozent und der Maschinenbau mit einem Rückgang von 8,1 Prozent. Im deutschen Außenhandel läuft es derzeit ebenfalls nicht rund. 2024 fielen die Ausfuhren um 1 Prozent auf knapp 1.600 Milliarden Euro. Allein im Dezember 2024 sind die Exporte in die USA um 3,5 Prozent gesunken. Doch es sind nicht die USA allein. Die Bundesbank führt den Rückgang der deutschen Exporte auch auf „die verringerte Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie“ und hohen Wettbewerbsdruck, besonders aus China, zurück.[1]

Der deutschen Wirtschaft droht nach dem Negativwachstum in den Jahren 2023 und 2024 ein weiteres Jahr der Rezession. Mit der aktuellen Konjunkturschwäche treten am Wirtschaftsstandort Deutschland Schwachpunkte auf, die sich über Jahre hinweg aufgebaut haben. Während Unternehmen weiterhin in Forschung und Entwicklung investieren, sind die Investitionen in Fabriken und Produktionsanlagen in Deutschland stark eingebrochen. Zudem liegen die Investitionen für Maschinen und Ausrüstungen inzwischen in preisbereinigter Berechnung rund 17 Prozent unter dem Höchststand des Jahres 2020 (siehe Abb.1).

Investitionen der nicht-staatlichen Sektoren
Investitionen der nicht-staatlichen Sektoren


Dennoch stimmen wir nicht in den Kanon derjenigen ein, die zum Abgesang auf die deutsche Industrie anheben. Wir teilen die Ansicht, dass der Wirtschaftsstandort unter einem Reformstau leidet. Auch wird unserer Meinung nach im aktuellen Wahlkampf zu wenig darüber geredet, wie die unterschiedlichen Parteien die Produktionsbedingungen in Deutschland verbessern wollen. Die Unternehmenssteuern in Deutschland sollten dringend gesenkt werden. Auch leidet die Wirtschaft unter international zu hohen Energiepreisen. Die hohen Energiepreise sind ein zentraler Grund, dass Unternehmen kaum noch in Fabriken in Deutschland investieren. Richtig ist auch, dass Deutschland eine Wirtschaftspolitik benötigt, die hierzulande die Wachstumsbedingungen und die Produktionsbedingungen verbessert. Dabei sind nicht Grabenkämpfe zwischen den Parteien gefragt, sondern kreative Ideen, um beispielsweise Wege zu finden, der Überalterung der Bevölkerung und dem Fachkräftemangel zu begegnen. Die deutsche Wirtschaft braucht ein Regierungsprogramm, das Zuversicht in einer Zeit vermittelt, in der die Weltpolitik schwieriger wird.

Doch gerade am deutschen Aktienmarkt finden sich, wie auch anderswo in Europa, Unternehmen, die erfolgreich wirtschaften und gerade langfristig ausgerichteten Anlegern entsprechend der persönlichen Risikobereitschaft attraktive Investmentchancen bieten könnten. Viele deutsche Unternehmen sind besonders stark auf die Welt ausgerichtet, erzielen einen großen Teil ihres Umsatzes im Ausland und investieren stark in die Internationalisierung ihrer Produktion. Viele von ihnen stellen hochspezialisierte Produkte her, die auch bei höheren Zöllen Abnehmer finden. An den Finanzmärkten wird derzeit kontrovers diskutiert, ob aus dieser engen Verflechtung der deutschen Unternehmen angesichts der Möglichkeit harter Handelsstreitigkeiten Gefahren erwachsen.

Wir sind der Meinung, dass eine internationale Streuung der Finanzanlagen weiterhin den wirksamsten Schutz vor den vielen Unwägbarkeiten in der Weltwirtschaft bietet. An den amerikanischen Aktienmärkten ist die Gewinndynamik nach wie vor hoch, wie die laufende Berichtssaison zeigt. Um 16,4 Prozent dürften die Unternehmen des S&P 500 im vierten Quartal 2024 ihren Gewinn gesteigert haben, hat das Researchhaus Factset aus den bereits berichteten Zahlen und den Gewinnschätzungen für die anderen Unternehmen errechnet. Dies ist das stärkste Gewinnwachstum in einem Quartal seit dem vierten Quartal 2021. Schon aus diesem Grund sollten deutsche Anleger ihre Aktienanlagen weiterhin international streuen und ihre Anlagen nicht zu stark auf ein Land oder eine Region ausrichten.

Jan Viebig

[1] Deutsche Bundesbank: Monatsbericht Januar 2025, Seite 4

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