ODDO BHF Marktausblick: Beschleunigung der Inflation

ODDO BHF: Beschleunigung der Inflation
Marktausblick

Die Angst vor Inflation geht wieder um. Und anders als im Umfeld von Finanz- und Staatsschuldenkrise ist es kein Phänomen unter hypersensitiven Deutschen, sondern treibt die Marktteilnehmer weltweit um:

25.05.2021 | 09:49 Uhr

Dem Global Fund Manager Survey der Bank of America von Mai zufolge sehen rund 35 Prozent der professionellen Anleger Inflation als derzeit wichtigstes Risiko an. Auf Platz 2 der Liste folgt – inhaltlich eng mit dem Inflationsrisiko verbunden - die Sorge, dass die Notenbanken, insbesondere die US-Fed, die Liquiditätsversorgung drosseln könnten. Tatsächlich beobachten wir in allen Industrieländern eine kräftige Beschleunigung des Verbraucherpreisanstiegs, in Deutschland und der EWU, aber vor allem in den USA (siehe Abbildung). Hier wird vorerst auch keine Ruhe einkehren.

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In Deutschland beispielsweise könnte die Inflationsrate in der zweiten Jahreshälfte auch eine Drei vor dem Komma zeigen; in den USA ist die Vier bereits überschritten und dürfte noch einige Zeit Bestand haben. Die Preise in der EWU entwickeln sich etwas moderater als die in Deutschland.

Allerdings hat die Corona-Krise die wirtschaftlichen Abläufe durcheinandergewirbelt, und die schrittweise Normalisierung führt auch auf der Preisebene zu stärkeren Bewegungen. Augenscheinlich ist dieser Effekt bei den Energiepreisen, die nach der tiefen Delle des Vorjahres inzwischen wieder Vorkrisenniveaus erreicht haben. Es kommen bestimmte Sondereffekte hinzu, wie beispielsweise in Deutschland durch die Einführung der CO2-Steuer und die befristete Entlastung bei der Mehrwertsteuer.

Darüber hinaus ergeben sich auch einige statistische Kapriolen wie beispielsweise, beim harmonisierten Verbraucherpreisindex (HVPI), durch die deutlich veränderte Gewichtung von Warengruppen aufgrund der Corona-bedingten Verschiebungen in der Ausgabenstruktur, oder durch fehlende oder veränderte Saisonmuster infolge der Lockdown-Regelungen, z.B. bei Reisen oder bei Bekleidung.

Auch der spektakuläre Anstieg der Verbraucherpreise in den USA auf 4,2 Prozent im April ist wesentlich auf spezielle Faktoren zurückzuführen, die nur temporär wirken dürften.

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So geht rund ein Drittel des Anstiegs gegenüber dem Vormonat (+0,8%) auf einen Preissprung von 10 Prozent bei Gebrauchtwagen zurück. Die Lieferprobleme bei elektronischen Bauteilen führen bei Neuwagenbestellungen zu sehr langen Wartezeiten, so dass Nachfrage in die Gebrauchtwagen umgelenkt wird. Hinzu kommen drei weitere Einzelposten: Übernachtungspreise, Flugpreise und Mietwagenpreise. Hier trifft der „Nachholbedarf“ jeweils auf noch immer eingeschränkte Kapazitäten.

Insgesamt jedenfalls sind die vier genannten Positionen für gut die Hälfte des monatlichen Preisanstiegs in den USA im April verantwortlich. Die aktuellen wirtschaftlichen Verwerfungen erschweren jedoch den Blick auf den zugrundeliegenden Trend der Preisentwicklung. Denn was die Märkte eigentlich umtreibt ist die Sorge, dass wir am Anfang eines neuen Inflationsregimes stehen könnten. Hierzu gibt es einige ernst zu nehmende Argumente: Zum einen vollziehen die USA einen fundamentalen finanzpolitischen Schwenk. Die damit verbundene Nachfrageausweitung dürfte die verfügbaren Produktionsmöglichkeiten zumindest zeitweise deutlich übersteigen. Dass damit die Inflation angeheizt wird, ist beispielsweise die Sorge von Ökonomen wie Larry Summers oder Olivier Blanchard.

Zum anderen beobachten wir strukturelle Veränderungen, darunter die Alterung der Bevölkerung in den Industrieländern, steigende Lohnkosten in den Schwellenländern (insb. in China!) oder die Bemühungen, Lieferketten ins Inland zu verlagern. Alle drei Faktoren dürften dem preisdämpfenden Globalisierungstrend der letzten Jahrzehnte tendenziell entgegenwirken. In diese Richtung argumentieren beispielsweise prominente Ökonomen wie Charles Goodhart und Manoj Pradhan.

Ernsthafte Risiken für die Preisentwicklung im Sinne einer dauerhaften Beschleunigung der Inflation könnten vor allem dann drohen, wenn die Löhne stärker würden. Das scheint für den Euroraum derzeit weniger relevant zu sein als für die voraussichtlich weit dynamischer wachsende US-Wirtschaft. Denn obwohl die Beschäftigung in den USA noch deutlich unter dem Vorkrisenniveau liegt (im Vergleich mit der Situation Anfang 2020 fehlen rund 8 Millionen Jobs) und der Beschäftigungsanstieg im April deutlich hinter den Erwartungen zurückblieb, scheint Bewegung in die Lohnlandschaft zu kommen.

Eine Vielzahl von Unternehmen, darunter beispielsweise Walmart, Amazon und McDonalds haben Löhne erhöht, und auch in der wiedereröffnenden Gastronomie sollen Berichten zufolge vermehrt Lohnaufschläge und Boni vereinbart werden. Zudem hat die US-Regierung kürzlich einen vertraglichen Mindestlohn von 15 US$ pro Stunde (inflationsindexiert!) für Beschäftigte von Fremdfirmen festgelegt, die für Bundesbehörden arbeiten. Das sind aber bislang nur punktuelle Erscheinungen, und die Evidenz für eine generell vergrößerte Verhandlungsmacht der Arbeitnehmerseite ist gering – kürzlich erst ist an einem Standort von Amazon der Versuch gescheitert, sich gewerkschaftlich zu organisieren.

Den vollständigen ODDO BHF Marktausblick finden Sie hier als PDF.


Vergangene Wertentwicklungen, Simulationen oder Prognosen sind kein zuverlässiger Indikator für die Zukunft. Die Rendite kann infolge von Währungsschwankungen steigen oder fallen. Etwaige Meinungsäußerungen geben die aktuelle Einschätzung des Investment Office der ODDO BHF AG wieder, die sich insbesondere von der Hausmeinung innerhalb der ODDO BHF Gruppe unterscheiden und ohne vorherige Ankündigung ändern kann.

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