Quartalsausblick 4/2012

Rentenmärkte - vorübergehende Entspannung? Aktienmärkte - Aufwärtstrend dank Liquiditätsmaßnahmen der Zentralbanken. Konjunktur Eurozone - Griechenlands Verbleib offen. Konjunktur USA - Fed-Maßnahmen sorgen für Stabilität.

04.10.2012 | 08:49 Uhr

Rentenmärkte

Nach den Turbulenzen im zweiten Quartal beruhigte sich die Lage am europäischen Rentenmarkt im dritten Quartal. Verantwortlich dafür waren die Maßnahmen der Europäischen Zentralbank (EZB). Insbesondere der Beschluss der EZB, unbegrenzt Staatsanleihen unter bestimmten Bedingungen zu kaufen, sorgte für eine Entspannung an den Rentenmärkten der Peripherie.

So verzeichneten die Renditen von zweijährigen spanischen Staatsanleihen einen Rückgang von 4,3 % zu Quartalsbeginn auf 3,3 % gegen Quartalsende; die Renditen zweijähriger italienischer Staatsanleihen gingen von 3,5 auf 2,3 % zurück. Auch preisten die Investoren an den europäischen Finanzmärkten infolge der EZB-Maßnahmen ein deutlich geringeres Risiko eines Auseinanderbrechens der Eurozone ein. Darüber hinaus signalisierten Frühindikatoren wie die Geldmenge M1 eine Verbesserung des Wachtumsausblicks für die Eurozone in den kommenden Monaten. Die Geldmenge M1 wird als nominales Aggregat durch die Maßnahmen der EZB beeinflusst.

Auf die kurze Sicht können die Maßnahmen der EZB durchaus als erfolgreich gewertet werden. Dafür ist die EZB jedoch erhebliche mittelfristige Risiken eingegangen. Die EZB hat einen Teil ihrer Unabhängigkeit verloren und ist damit ein Teil der europäischen Politik geworden. Kann die EZB wirklich die Staatsanleihenkäufe einstellen, wenn ein Land die vereinbarten Sparmaßnahmen nicht erfüllt? Kann die EZB rechtzeitig die Liquiditätsmaßnahmen zurückführen, ohne politischem Druck unterworfen zu sein? Es ist sehr wahrscheinlich, dass sich die EZB durch das Kaufprogramm für Staatsanleihen stärker in die Staatsfinanzierung verstricken wird, als ursprünglich geplant.

Darüber hinaus sorgt die Entspannung am Rentenmarkt für nachlassenden Druck auf die Politik, die notwendigen Strukturreformen durchzuführen. Die Folge daraus könnte sein, dass sich die europäische Währungsunion zu einer Weichwährungszone mit höheren Inflationsraten als in der Vergangenheit entwickelt. Investoren am Geld- und Rentenmarkt müssen sich wohl oder übel auf eine längere Phase mit negativen Realzinsen einstellen.

Für Deutschland ist es dabei keine echte Option, aus dem Euro auszutreten, da das europäische Finanzsystem durch Derivate eng verflochten ist und eine Rückkehr zu nationalen Währungen sehr wahrscheinlich einen Stillstand im europäischen Finanzsystem verursachen würde. Alleine die auf Euro denominierten Zinsswaps haben ein Volumen von 184 Billionen USD, was in etwa dem 14-Fachen des BIPs der Eurozone entspricht.

Aktienmärkte

Die internationalen Aktienmärkte erlebten ein überraschend freundliches drittes Quartal. Die Kurserholung war dabei weniger eine Folge von guten Fundamentaldaten als eine Folge der Liquiditätsmaßnahmen der wichtigsten Zentralbanken. So lockerten sowohl die US-Notenbank als auch die Europäische Zentralbank (EZB) und die Bank von Japan die Geldpolitik im Verlauf des dritten Quartals. Die europäischen Aktienmärkte konnten davon überproportional stark profitieren, da infolge der geldpolitischen Maßnahmen ein Auseinanderbrechen der Europäischen Währungsunion von den Investoren als zunehmend unwahrscheinlicher erachtet wurde.  

Insgesamt bleibt der Ausblick für die Aktienmärkte sehr positiv. Die großzügige Bereitstellung von Liquidität sowie die einsetzende globale Konjunkturerholung bieten grundsätzlich ein gutes Umfeld für steigende Aktienmärkte. So vollzogen wichtige globale Konjunkturindikatoren wie die Einkaufsmanagerindizes im September eine Trendwende. Insbesondere das Verhältnis von Auftragseingängen zu Lagerbeständen verbesserte sich signifikant, was mit einer Zeitverzögerung von ein bis zwei Monaten zu einem Anstieg der globalen Industrieproduktion führen dürfte.

Risiken für die Aktienmärkte kommen von dem fiskalischen Kliff in den USA: Sollten sich die Demokraten und Republikaner nach den Präsidentschaftswahlen nicht auf eine Verlängerung von zeitlich befristeten Steuersenkungen und Ausgabenprogrammen einigen, würde im ersten Quartal 2013 eine Rezession in den USA drohen.
Darüber hinaus bestehen nach wie vor erhebliche geopolitische Risiken. Auch in der Eurozone könnte sich die Staatsschuldenkrise in Folge von Problemen in Griechenland oder Spanien verschärfen. Trotz aller Risiken sollte nicht vergessen werden, dass die Aktienmärkte in der Vergangenheit oft ein Frühindikator für Inflation waren. Die Kurse an den Aktienmärkten könnten aufgrund der gewachsenen Inflationsrisiken in den kommenden Monaten deutlich steigen und damit ein Warnsignal für eine anstehende Inflation senden.

Konjunktur Eurozone

Auch zu Beginn des vierten Quartals ist die Frage noch völlig offen, ob Griechenland in der Europäischen Währungsunion verbleibt. Die Troika wird voraussichtlich erst im Oktober den Bericht über die Tragfähigkeit der griechischen Schulden vorlegen. Die griechische Regierung scheint trotz aller Proteste im Inland Fortschritte bei den Sparmaßnahmen erzielt zu haben. Laut Internationalem Währungsfonds (IWF) werden die Sparmaßnahmen jedoch nicht ausreichen, bis 2020 ein Verschuldungsniveau von 120 % des BIP zu erreichen. Der IWF scheint daher seine Beteiligung an weiteren Rettungsmaßnahmen davon abhängig zu machen, dass öffentliche Gläubiger auf Forderungen gegenüber Griechenland verzichten. Die Europäische Zentralbank (EZB) hat schon einen Forderungsverzicht abgelehnt, da nach dem Rechtsverständnis der EZB ein Forderungsverzicht einer Staatsfinanzierung gleichkommen würde. Der Verbleib Griechenlands im Euro ist daher nach wie vor ungewiss. Eine Entscheidung für eine Einstellung der Hilfen für Griechenland dürfte jedoch mit aller Wahrscheinlichkeit erst nach den US-Präsidentschaftswahlen gefällt werden.

Die Zukunft Spaniens dürfte sich auch im vierten Quartal entscheiden. Dabei ist es derzeit noch völlig offen, ob Spanien von der Rating-Agentur Moody’s auf Ramschstatus herabgestuft wird und ob Spanien unter den europäischen Rettungsschirm gehen wird. Es besteht nach wie vor eine sehr große Wahrscheinlichkeit dafür, dass die spanische Regierung die Segel streichen und sich um europäische Hilfen bemühen wird. In diesem Falle müsste die EZB das Kaufprogramm für Anleihen aktivieren. Spanien wird wahrscheinlich noch das Inkrafttreten des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) am 8. Oktober für diesen Schritt abwarten.

Die im Verlauf des dritten Quartals veröffentlichten Konjunkturdaten zeigten eine Verschärfung der Rezession in der Eurozone. Im dritten Quartal könnte das Wachstum bis auf -0,2 bis -0,4 % gefallen sein. Trotz aller konjunkturellen Schwierigkeiten verbesserten sich jedoch im Quartalsverlauf die Wachstumsperspektiven.

Geldpolitische Maßnahmen wirken erfahrungsgemäß erst mit einer Zeitverzögerung von neun bis zwölf Monaten. Daher dürften die Programme der EZB wie die beiden Langzeittender (LTRO) sowie die erst kürzlich beschlossenen Maßnahmen frühestens gegen Jahresende beginnen zu greifen. Die Geldmenge M1 hat sich in der Vergangenheit als ein sehr zuverlässiger Frühindikator für das Wirtschaftswachstum erwiesen und spiegelt als Geldmengenaggregat die geldpolitischen Handlungen der EZB wider. Die Beschleunigung des Geldmengenwachstums M1 in den vergangenen Monaten spricht dafür, dass die geldpolitische Ausrichtung der EZB langsam beginnt, Wirkung auf die Wirtschaft zu entfalten und im Frühjahr 2013 eine konjunkturelle Erholung in Gang bringen dürfte.

Konjunktur USA

Die US-Konjunktur präsentierte sich im dritten Quartal überraschend stabil. Die schwere Rezession in Europa infolge der Staatsschuldenkrise sowie der konjunkturelle Abschwung in China konnten das US-Wachstum erstaunlicherweise nicht merklich beschädigen, obwohl auch von den zahlreichen Sparmaßnahmen auf bundesstaatlicher und kommunaler Ebene erhebliche negative Effekte auf die Wirtschaft ausgingen.
Ein Grund für die Widerstandsfähigkeit der US-Konjunktur dürfte die dynamische wachsende Kreditvergabe der Banken an die Realwirtschaft sein. Im August 2012 stieg die Kreditvergabe an Unternehmen um 6 % gegenüber dem Vorjahr, im Oktober 2009 lag dieser Wert noch bei -5,6 %. Die US-Politik zog durch eine schnelle Zwangsrekapitalisierung der Banken nach dem Lehman-Schock die richtigen Lehren aus vergangenen Finanzmarktkrisen, da ohne Kredite in die Realwirtschaft kaum ein nachhaltiges Wachstum im privaten Sektor möglich ist.

Ein zweiter Grund für die Widerstandsfähigkeit dürfte die aggressive Reaktion der US-Notenbank Fed auf die Wachstumsrisiken sein. Im Juni verlängerte die Fed die Operation Twist und im September wurde ein Kaufprogramm für Hypothekenanleihen in Höhe von 40 Mrd. USD pro Monat beschlossen. Das Kaufprogramm ist im Gegensatz zur früheren Liquiditätsmaßnahmen nicht zeitlich begrenzt, sondern wird voraussichtlich erst nach einem deutlichen Rückgang der Arbeitslosenquote eingestellt.
Darüber hinaus verpflichtete sich die Fed, den Leitzins bis 2015 nicht anzuheben. Die stabile konjunkturelle Verfassung der US-Wirtschaft zeigt, dass auch in diesem schwierigen Umfeld die Geldpolitik nach wie vor eine positive Wirkung entfalten kann – ablesbar beispielsweise an der dynamischen Erholung am Immobilienmarkt. Der Immobilienmarkt ist sehr zinssensitiv und reagiert damit traditionell am empfindlichsten auf geldpolitische Maßnahmen. Ein Vergleich der Wirkungsweise der Geldpolitik heute mit der der Geldpolitik während der Großen Depression bestätigt den Wirkungszusammenhang und zeigt, dass die Maßnahmen der Fed seit dem Konkurs von Lehman Brothers sowohl das Wirtschaftswachstum als auch die Inflation erfolgreich stimulieren konnten, wobei der Effekt auf die Inflation deutlich stärker ausgeprägt ist. Ohne Zweifel geht daher die US-Notenbank mit der extrem aggressiven Ausrichtung der Geldpolitik große Risiken ein.
Die dynamisch wachsende Kreditvergabe zeigt, dass der geldpolitische Transmissionsmechanismus langsam wieder in Gang kommt. Darüber hinaus befinden sich die Inflationserwartungen am Rentenmarkt nahe den Höchstständen der vergangenen Jahre. Sobald die Unsicherheiten im Vorfeld der US-Präsidentschaftswahlen und über die Ausrichtung der Fiskalpolitik im kommenden Jahr nachgelassen haben, könnte es vor diesem Hintergrund im Jahresverlauf 2013 zu einer signifikanten Inflationsbeschleunigung kommen. In den USA treten automatisch am 1. Januar 2013 Steuererhöhungen und Ausgabenkürzungen in Kraft, die einen Umfang von 720 Mrd. USD haben. Nach den Präsidentschaftswahlen im November dürfte es jedoch zu einer politischen Einigung kommen, einen großen Teil der Steuererhöhungen beziehungsweise Sparmaßnahmen auszusetzen, um den Aufschwung nicht zu gefährden.

Konjunktur Asien

Die Wirtschaftsdaten aus Japan konnten im dritten Quartal die positive Dynamik der beiden Vorquartale nicht fortführen und signalisierten eine signifikante Wachstumsverlangsamung. Der Auslöser dafür waren schwache Exportdaten aufgrund der Staatsschuldenkrise in Europa und der Konjunkturschwäche in China.
Zuletzt wurde der japanische Handel noch durch territoriale Konflikte mit China und Südkorea belastet. Dementsprechend revidierte die japanische Zentralbank die Wachstumsperspektiven nach unten und beschloss im September eine Lockerung der Geldpolitik. Das Kaufprogramm für Wertpapiere wurde um 10 Billionen Yen von 45 auf 55 Billionen Yen aufgestockt. Die geldpolitischen  Maßnahmen zielten unter anderem darauf ab, den Yen am Devisenmarkt zu schwächen. Bisher zeigte der japanische Yen jedoch noch keine nachhaltigen Schwächetendenzen, sodass die japanische Zentralbank in Absprache mit dem Finanzministerium darüber nachzudenken scheint, direkt ausländische Anleihen zu kaufen.

Der Geschäftsklimaindex für die kleinen und mittleren Unternehmen verzeichnete vor diesem Hintergrund seit dem Hoch von 48,7 im März einen kontinuierlichen Rückgang auf 44,8 im August. Im September zeichneten sich immerhin schon erste Stabilisierungstendenzen ab mit einem Anstieg auf 45,1.
Die einsetzende Konjunkturerholung in China spricht dafür, dass sich die japanischen Exporte langsam wieder erholen dürften. Nach einem sehr wahrscheinlich negativen dritten Quartal dürfte die japanische Wirtschaft im vierten Quartal wieder leicht wachsen. Insgesamt erwarten wir in diesem Jahr ein Wirtschaftswachstum in Japan von 2,4 %.
Die chinesische Wirtschaft zeigt im Verlauf des dritten Quartals erste Anzeichen für eine Trendwende. Der MNI-Geschäftsklimaindex stieg von 47,5 im August auf 51,3 im September. Insbesondere die Auftragseingänge verzeichneten einen deutlichen Anstieg. Die Einkaufsmanagerindizes dürften wie schon of in der Vergangenheit dieser Vorgabe folgen und demnächst auch eine Trendwende vollziehen. Die Erholungstendenzen der Wirtschaft in China sind eine Folge der gelockerten Geldpolitik und von neuen fiskalpolitischen Maßnahmen.

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