Schroders: Marktausblick - September 2016

Diesen Monat dreht sich unser Ausblick ganz um den olympischen Gedanken: den Wettlauf um globales Wachstum, die Bronzemedaille für das Wachstum der Eurozone sowie die bemerkenswerte Entwicklung der Schwellenländer – das allerdings noch nicht ganz die Olympianorm erfüllt.

02.09.2016 | 11:42 Uhr

Zusammenfassung:
Wir haben unsere Prognose zum weltweiten Wachstum für 2016 von 2,5 % auf 2,3 % korrigiert. Die Prognose für 2017 bleibt mit 2,6 % unverändert. Sie spiegelt eine Fortsetzung des aktuell verhaltenen globalen Wachstums wider. Unsere Szenarios weisen weiterhin Abwärtstendenzen auf. Als größtes Risiko erachten wir eine langfristige Stagnation.

Die wirtschaftliche Entwicklung in der Eurozone lässt sich bestenfalls als einer Bronzemedaille würdig beschreiben. Wir haben unsere Wachstumsprognose 2016 leicht von 1,6 % auf 1,5 % reduziert und gehen für 2017 unvermindert von 1,3 % aus. Für Großbritannien gibt es keine Medaillen. Hier haben wir das Wachstum für 2016 leicht auf 1,7 % nach oben korrigiert, zugleich aber die Prognose für 2017 auf 0,6 % gesenkt.

Die Ergebnisse der Schwellenländer dürften sich insgesamt verbessern; sie dürften allerdings weiter hinter olympischen Standards zurückbleiben. China geht nach seinem langen Sprint die Puste aus, während Russland sowohl auf und neben dem Spielfeld vor Problemen steht. Für Brasilien hat sich der Ausblick aufgehellt, da die Wirtschaft endlich aus den Startblöcken kommt. Gleiches gilt für Indien, wo mit der Verabschiedung des Gesetzentwurfs zur Verbrauchssteuer eine beträchtliche Hürde genommen wurde.

Aktualisierte Prognose: Der Wettlauf um Wachstum
Wir haben unsere Prognose für das weltweite Wachstum 2016 infolge des enttäuschenden Wachstums in den Industrieländern von 2,5 % auf 2,3 % herabgestuft. Unsere niedrigeren Prognosen für die USA und die Eurozone werden teilweise durch Verbesserungen für Japan und Großbritannien ausgeglichen. Unterdessen gibt es Hinweise auf eine Erholung in den Schwellenländern, und unsere Prognose für diese Volkswirtschaften bleibt insgesamt unverändert. Unsere Prognose für das weltweite Wachstum 2017 liegt nach wie vor bei 2,6 %. Unsere Einschätzungen zur Inflation haben sich weltweit betrachtet nicht wesentlich verändert: In den Industrieländern gehen wir für 2016 und 2017 von einer niedrigeren Teuerung aus, was von höheren Prognosen für die Schwellenländer ausgeglichen wird.

Verschiedene geldpolitische Wege voraus?
Die US-Notenbank Fed dürfte im Dezember nach wie vor die Zinsen anheben, während die Leitzinsen andernorts den Prognosen nach fallen werden. Wir glauben, dass die japanische Notenbank bis Ende 2016 die Zinsen auf -0,3 % senken wird, während wir für Ende 2017 von -0,4 % ausgehen. Außerdem dürften die Wertpapierkäufe ab dem zweiten Quartal 2017 wieder zunehmen. Auch die chinesische Zentralbank dürfte die Zinsen weiter senken: Bis Ende 2017 gehen wir von einem Zinsniveau von 3 % aus. Unsere Erwartungen für Europa und Großbritannien erörtern wir im nächsten Abschnitt.

Fiskalpolitik rückt verstärkt ins Zentrum
Wir gehen davon aus, dass sich diese Zentralbankmaßnahmen kaum auf die Wirtschaft außerhalb des Finanzsektors auswirken werden. Allerdings haben wir abgesehen von dem Maßnahmenpaket des japanischen Premierministers Shinzo Abe und einem gewissen Umfang an Stützungsmaßnahmen in Großbritannien (wo die Fiskalpolitik im Herbst einen „Reset“ erfahren soll) kein hohes Maß an fiskalpolitischen Lockerungen in den Prognosen berücksichtigt. In den USA dürfte es im ersten Jahr nach den Präsidentschaftswahlen kaum zu beträchtlichen Lockerungen kommen, während die Entscheidungsträger in Europa wenig Bereitschaft zeigen, über die derzeit neutrale fiskalpolitische Einstellung hinauszuwachsen und expansiver vorzugehen.

Szenarios und Risiken
Wir haben unsere Szenarios überprüft und aktualisiert. Eine Änderung nehmen wir vor: Wir gehen nun nicht mehr von einer „harten Landung Chinas“ aus und nehmen stattdessen das Szenario einer „langfristigen Stagnation“ auf. Zwar können wir für China weiterhin ein gewisses Risiko für eine harte Landung erkennen, dieses ist innerhalb des zeitlichen Rahmens unserer Szenarios aber unerheblich. Unterdessen führen wir wieder das Szenario der „langfristigen Stagnation“ ein, bei dem die schwache Nachfrage das weltweite Wachstum belastet und die Inflation gedämpft bleibt. Hinsichtlich der Wahrscheinlichkeiten laufen die Risiken bei unseren Szenarios „langfristige Stagnation“, „US-Rezession“ und „Brexit-Schock für die EU“, die auf ein niedrigeres globales Wachstum und eine geringere Inflation hindeuten, für 2017 tendenziell auf eine Deflation hinaus.

Aktualisierte Prognose für Europa: Bestenfalls eine BronzemedailleUnsere Prognose für das Wachstum in der Eurozone wurde für 2016 leicht von 1,6 % auf 1,5 % reduziert, während die Prognose für 2017 mit 1,3 % unverändert bleibt. Hauptgrund für diese Herabstufung waren die unlängst schwächeren Wachstumsdaten für Frankreich und Italien. Vor allem Italiens Banken gelten in Anbetracht der Zunahme an notleidenden Krediten und der negativen Zinsen, die beide eine Belastung für die Rentabilität des Sektors darstellen, als wesentliches Risiko. Unsere Prognose für die Gesamtinflation haben wir für 2016 von 0,6 % auf 0,3 % und für 2017 von 1,4 % auf 1 % gesenkt.

EZB in einem geldpolitischen Spagat
Wir bleiben bei unserer Einschätzung, dass die niedrige Inflation die Europäische Zentralbank dazu veranlassen wird, im September die Einlagenzinsen auf -0,5 % zu senken und die quantitative Lockerung bei ihrer Sitzung im Dezember bis Ende 2017 zu verlängern. Allerdings gehen den Geldpolitikern allmählich die für Käufe infrage kommenden Vermögenswerte aus. Wir vermuten daher, dass sie wie derzeit die japanische Notenbank letztlich auf Aktienkäufe ausweichen werden, die über börsennotierte Fonds erfolgen könnten (auch wenn dies noch alles andere als sicher ist).

Prognose für Großbritannien: Keine Medaillen für makroökonomische Entwicklung
Ungeachtet des unglaublichen Erfolgs von „Team GB“ bei den olympischen Spielen in Rio dürfte Großbritannien für seine makroökonomische Entwicklung keine Medaillen gewinnen. Unsere Prognose für das Wachstum in Großbritannien bleibt im Großen und Ganzen unverändert, indem wir sie für 2016 leicht auf 1,7 % anheben, während wir für 2017 unsere Erwartungen auf 0,6 % zurückschrauben. Unsere revidierte Prognose ist das Ergebnis einer Neubewertung und historischer Überprüfungen. Die Inflationsprognose wurde für 2016 leicht gesenkt, für 2017 dagegen angehoben, da wir der Meinung sind, dass es etwas länger dauern wird, bis sich die Abwertung des britischen Pfunds in den Verbraucherpreisen niederschlägt.

Dreisprung der Bank of England dürfte hinter Erwartungen zurückbleiben
Nachdem die Bank of England im August zum ersten Mal seit sieben Jahren die Zinsen senkte, haben wir unsere Prognose abgeändert, um eine weitere Senkung auf 0,1 % im November zu berücksichtigen. Außerdem sind wir der Meinung, dass die Notenbank ihr Programm der quantitativen Lockerung mindestens bis Ende 2017 verfolgen wird. Allerdings bezweifeln wir, dass sich diese Anreize deutlich auf die Konjunktur auswirken werden. Wir sind  der Meinung, dass die Regierung nun mit wesentlichen fiskalischen Anreizen auf den Plan treten muss. Für die nächsten ein bis zwei Jahre gehen wir von konjunkturfreundlichen Maßnahmen aus, die auf das BIP mit rund 1 % zu Buche schlagen werden.

Schwellenländer: Schneller, höher, weiter?

Insgesamt rechnen wir trotz der Abschwächung in China ab Beginn des Jahres 2017 mit einem stärkeren Wachstum. Das ist vor allem auf eine Erholung von den Rezessionen in Russland und Brasilien zurückzuführen. Aber auch Indien macht mit seiner fortgesetzt starken Wachstumsentwicklung von sich Reden.

China: Tempo dürfte nach allzu starkem Start nachlassen
China schnitt im ersten Halbjahr besser ab, als von uns erwartet, was auf erfolgreiche Maßnahmen zur Unterstützung der Konjunktur zurückzuführen war. Wir glauben jedoch nicht, dass sich dieses Tempo aufrechterhalten lässt, und es scheint sich bereits eine Abschwächung abzuzeichnen. Allerdings gehen wir unmittelbar nicht von einer harten Landung aus. Kurzfristig verfügt das Land über genügend Ressourcen, um etwaigen aufflackernden Krisen in der Wirtschaft oder im Finanzsystem, wo die Risiken zahlreich sind, die Stirn zu bieten. Doch auf die nächsten drei Jahre gesehen sind wir weniger optimistisch. Aktuell beträgt unsere Wachstumsprognose 6,4 % für 2016 und 6,2 % für 2017.

Brasilien kommt aus den Startlöchern
Die Hochfrequenzdaten deuten auf eine gewisse Erholung in Brasilien hin. Allerdings wird es noch einige Quartale dauern, bis ein positives Wachstum verzeichnet wird. Wir gehen für 2016 von einem Wachstum von -3,5 % aus, das sich für 2017 auf 0,9 % verbessern dürfte. Angesichts der hartnäckig hohen Inflationsdaten in diesem Jahr haben wir unsere Inflationsprognose angehoben, und wir haben den Zinssenkungszyklus sowohl hinausgeschoben als auch der Größenordnung nach reduziert. So gehen wir dieses Jahr von maximal 75 Basispunkten aus.

Russland: Weiterhin im Kampf um eine Wettbewerbsteilnahme
Unser Wachstumsausblick für Russland läuft ungeachtet der jüngsten Ölpreisschwäche nach wie vor auf eine allmähliche Erholung hinaus. Wir erwarten ab dem vierten Quartal ein positives Wachstum im Vorjahresvergleich, und für 2017 rechnen wir mit einem positiven Gesamtwachstum, das indes mit 1,5 % nach wie vor verhalten ausfallen dürfte. Sollte der Ölpreis anziehen, bestehen für dieses Jahr unseres Erachtens weiterhin Aussichten auf eine Zinssenkung von 50–100 Basispunkten.
Indien nimmt endlich weitere Hürde

Nach einem Jahrzehnt wurde in Indien endlich ein Gesetz zur Umsetzung einer einheitlichen Verbrauchssteuer  (Goods and Services Tax, GST) verabschiedet. Die GST dürfte zahlreiche Verzerrungen und Ineffizienzen beseitigen und mittel- bis langfristig Investitionen, Wachstum und Steuereinnahmen fördern. In geldpolitischer Hinsicht dürfte es im dritten Quartal zu einer Änderung kommen, da der derzeitige Zentralbankgouverneur zurücktritt und sein Nachfolger wohl entgegenkommender vorgehen wird. Wir stufen unsere Inflationserwartungen leicht hoch, um dieser Wahrscheinlichkeit Rechnung zu tragen, und gehen nun für 2016 und 2017 von 5,6 % bzw. 5,9 % aus.

Dieser Artikel erschien am 02.09. auf Schroders.com

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