Schroders: „Quadratwurzelförmige“ Erholung setzt sich fort

In diesem Monat blicken die Schroders Experten auf das kommende Jahr 2016 und stellen ihre ersten Prognosen für Europa und die Schwellenländer auf.

16.12.2015 | 08:37 Uhr

Zusammenfassung:

  • Wir haben unsere weltweite Wachstumsprognose für 2016 von 2,9 % auf 2,6 % gesenkt.
  • Gleichzeitig wird sich die Geldpolitik voraussichtlich in unterschiedliche Richtungen entwickeln: Während die USA und Großbritannien ihre Geldpolitik weiter straffen, setzen Europa, Japan und China ihren Lockerungskurs fort.
  • Bei den Szenarien bestehen Abwärtsrisiken. Das wirft Fragen auf – wie weit die Zentralbanken sind die Zentralbanken in der Lage, auf negative Erschütterungen zu reagieren?
  • Für die Eurozone haben wir unsere Wachstumsprognose für 2016 gesenkt. Hier dürfte die Konjunktur aber 2017 wieder anziehen. Die zunehmenden Risiken von außen haben die Europäische Zentralbank (EZB) dazu bewogen, weitere Lockerungsmaßnahmen zu erwägen. Das wird sich unserer Ansicht nach jedoch nur begrenzt auf die Wirtschaft auswirken.
  • Wir haben unsere Wachstums- und Inflationsprognosen 2016 für Großbritannien heruntergesetzt. Dieses Umfeld dürfte die erste Zinserhöhung durch die britische Zentralbank nach hinten verschieben und auch begrenzen, wenn sich die Konjunktur 2017 weiter abkühlt.
  • Wir haben unsere Wachstumseinschätzung der Schwellenländer noch weiter herabgestuft, da die Politik in Indien und Brasilien noch mehr enttäuscht. An unserer Einschätzung Chinas hat sich nur wenig geändert – hier zeichnet sich eine mehrjährige Flaute ab.

Aktuelle globale Lage: Die „quadratwurzelförmige“ Erholung setzt sich fort

Wir haben unsere weltweite Wachstumsprognose für 2016 auf 2,6 % gesenkt. Das bestätigt, dass die „quadratwurzelförmige Konjunkturerholung“, die sich seit der Wende 2011 konstant bei rund 2,5 % bewegt, nach wie vor den neuen Normalzustand darstellt. Dass wir nach unten korrigieren (von unserer ursprünglichen Einschätzung von 2,9 %), ist die Folge eines leichten Konjunkturrückgangs sowohl in den Industriestaaten als auch in den Schwellenländern. Für 2017 wird ein globales Wachstum von 2,8 % prognostiziert. Dabei wird sich das Wachstum in den Industriestaaten aufgrund der geldpolitischen Straffung in den USA abschwächen; in den Schwellenländern dürfte es hingegen etwas höher ausfallen.

Von den Industriestaaten angeführt, dürfte die Inflation 2016 auf 3,7 % steigen (gegenüber geschätzten 3,1 % im Jahr 2015). Ein Grund dafür: Die Basiseffekte der gesunkenen Rohstoffpreise fallen aus dem Index. Bei den Schwellenländern wird die Inflation auch in China und Indien steigen. Allerdings stabilisieren sich die Währungen, weshalb sich die Entwicklung aber abschwächen dürfte.

Zudem dürfen wir im Dezember 2015 mit einem Zinsschritt durch die US-Notenbank Fed rechnen. Wir hatten zunächst für März 2016 mit der Zinswende gerechnet. Doch die Zeichen haben sich jetzt geändert – denn die Fed hat bei ihrem letzten Treffen die Sorge um China aufgegeben. Daher spricht unserer Ansicht nach kaum etwas dagegen, dass der Offenmarktausschuss im Dezember handeln wird. Wichtiger ist dabei das Zinsprofil: Wir rechnen bis Ende 2016 mit einer Anhebung auf 1,25 %, die dann Ende 2017 bei 2 % gipfeln dürfte. Die japanische Zentralbank schließt weiterhin nicht aus, ihre quantitative und qualitative Lockerung (QQE) auszuweiten. Inzwischen ist aber wahrscheinlicher, dass sie eher den schwächeren Yen die Wirtschaft stützen lassen wird und von weiteren Lockerungsmaßnahmen absieht. Auf Europa, Großbritannien und China gehen wir später ein.

Szenarien: Auf die Bühne treten Währungskriege und Ausfallrisiken in den Schwellenländern

Wir haben in diesem Quartal einige Änderungen durchgeführt. Als Szenarien kamen neu hinzu: „Währungskriege“ (die Abwertung des Renminbi löst eine Reihe weiterer Abwertungen aus), „Nahostgetümmel“ (Ölpreisanstieg), „Lohnanstieg in den USA“ und „Erste Ausfälle in den Schwellenländern“. Dagegen betrachten wir nicht mehr: „Schlechter Grexit“, „Längeres Ölpreistief“, „Fed hinter der Kurve“ und „Straffungskoller“. Die Risiken tendieren immer noch in Richtung Deflation, etwa in Form globaler Konjunkturabschwächung und Inflation. Angesichts der niedrigen Zinssätze und des Eindrucks, dass geldpolitische Lockerungsmaßnahmen keinen nachhaltigen Konjunkturschub bewirken, bietet dies Grund zur Sorge.

Aktualisierte Prognose für Europa 2016

Wachstum der Eurozone verliert Schwung

Das Wachstum im dritten Quartal war besser als erwartet. In Kombination mit besseren Prognosen für die historischen Daten hat uns dies veranlasst, unsere Wachstumsprognose für die Eurozone auf 1,5 % (von 1,3 %) zu heben. Der Dynamikverlust in den vergangenen 3–6 Monaten deutet aber darauf hin, dass sich die Konjunktur danach schwer tun wird. Daher prognostizieren wir, dass das Wachstum 2016 bei 1,5 % bleiben wird. Anfang 2017 sehen durch verbesserte äußere Rahmenbedingungen, speziell in den Schwellenländern, einen leichten Anstieg. Eine leichte Korrektur nach oben gab es bei der Inflationsprognose – sowohl 2015 (von 0 % auf 0,1 %) als auch 2016 (von 1,1 % auf 1,3 %). Für 2017 erwarten wir einen Anstieg auf 1,6 %, da die Belastung durch Nahrungsmittel und Energie aus dem jährlichen Vergleich fällt.

Wir halten es für sehr wahrscheinlich, dass die EZB weitere geldpolitische Lockerungsmaßnahmen durchführt. Das dürfte einen gewissen Einfluss auf die Währung ausüben. Angesichts der Geldschwemme bezweifeln wir jedoch, dass damit der Realwirtschaft oder dem Finanzsektor geholfen sein wird. Wir haben hier die erste Zinsanhebung für Ende 2017 vorgemerkt. Das wäre im Einklang mit einer Inflation, die wieder nahe bei, aber nicht unter 2 % steht, wobei das Wachstum weiter über dem Durchschnitt liegt. Die Gefahr dieser Prognose besteht natürlich darin, dass die Zinserhöhung ausbleibt und es in diesem Zeitraum möglicherweise noch weitere Senkungen gibt.

Aussichten für Großbritannien: Überraschender Wachstumsrückgang verzögert Zinsanhebungen

Wir haben die Wachstumsaussichten für Großbritannien heruntergesetzt. Der erwartete Abschwung scheint sich früher einzustellen als ursprünglich vorausgesagt. Grund dafür ist eine Rückkehr zur Sparpolitik. Wir senken unsere Wachstumsprognose für 2015 nun von 2,5 % auf 2,3 % und für 2016 von 2,1 % auf 1,9 %. Beim etwas längerfristigen Blick für 2017 rechnen wir mit einer Konjunkturabkühlung auf 1,6 %. Damit dürfte mittelfristig die Talsohle des BIP-Wachstums erreicht sein.

Die Verbraucherpreisinflation dürfte im Schnitt 1,3 % über 2016 liegen. Gründe für diese Korrektur nach unten von ehemals 1,6 % sind die niedrigeren Energiekosten und der höhere Desinflationsdruck aus den Schwellenländern (wo die Überkapazität an fertigen Konsumgüter die britischen Importpreise und die Inflation niedrig halten dürften). Nach der neuesten Inflationsprognose dürfte sich die erste Zinserhöhung von Mai (unsere frühere Prognose) auf August verschieben. Wir gehen davon aus, dass die BoE wie zuvor in Schritten von 25 Basispunkten (Bp.) pro Quartal anheben wird. Ab 2017 erhöht sich unserer Ansicht nach allerdings die Gefahr, dass die BoE gezwungen sein wird, die Zinsen eher wieder zu senken als weiter anzuheben. Schwächere Zinsaussichten sowie die Unsicherheit und Sorgen im Zuge des britischen EU-Referendums: Beides könnte das Pfund Sterling unter Druck setzen.

Aktualisierte Prognose für die Schwellenländer: ungleichmäßige Erholung

China: Konjunkturmaßnahmen werden den Abschwung nicht stoppen

Ein unverhältnismäßig hoher Beitrag aus dem Finanzsektor, der sich im nächsten Jahr nicht wiederholen wird, hat das Wachstum 2015 unterstützt. Daher erwarten wir für 2016 einen ausgeprägten Konjunkturrückgang (auf 6,3 %) sowie eine anhaltende, wenn auch langsamere Talfahrt im Anschluss. Es dürfte im kommenden Jahr weitere Senkungen des Mindestreservesatzes um 200 Basispunkte geben. Dazu kommen Zinssenkungen von rund 85 Basispunkten und eine expansive Geldpolitik. Bedenkt man jedoch, wie viele geldpolitische Anreize wir dieses Jahr bereits erlebt haben: Dann ist es unwahrscheinlich, dass diese Maßnahmen ausreichen werden, um die Konjunktur anzukurbeln.

Brasilen: mehr Mühe, wenig Gewinn

Die politische Lage in Brasilien hat sich weiter verschlechtert. Doch ohne Reformbemühungen oder auch nur den Ansatz einer stimmigen Politik sehen wir uns gezwungen, unsere Prognose zu senken. Wir sehen -2,9 % für 2015 und  2,1 % für 2016. Eine Erholung zeichnet sich allerdings für 2017 ab. Angesichts der hartnäckig hohen Inflation dürfte sich 2016 unserer Ansicht nach nichts bei den Zinssätzen tun.

Indien: ein Hoffnungsschimmer

Erneut haben wir das Wachstum herabgesetzt und gehen jetzt für 2015 von 7,2 % aus. Noch immer gab es keine wesentlichen Reformfortschritte und die Stimmung bei den Anlegern ist mit fehlenden konkreten Fortschritten bei der Gesetzgebung eher mäßig. Allerdings rechnen wir für 2016 mit einem leichten Anstieg auf 7,5 %, der durch den Konsum beflügelt wird. Die Banken im Privatsektor freuen sich Berichten zufolge über die Vergabe von Verbraucherkrediten und verzeichnen wenig Nachfrage nach Firmenkrediten. Daher gehen wir davon aus, dass hier 2016 der Schlüssel für Wachstum liegen wird.

Russland: Ruckelige Strecke vorbei?

Die Konjunktur in Russland scheint die Talsohle erreicht zu haben und staatliche Investitionen dürften sich weiter positiv auswirken. Dementsprechend erwarten wir für die kommenden zwei Jahre eine allmähliche Erholung. Dabei wird die Konjunktur im kommenden Jahr im Wesentlichen flach verlaufen und 2017 um 1,5 % anziehen. Trotz allem wird es keinen starken Aufschwung in Russland geben. Denn die Wirtschaft ist nach wie vor in hohem Maße vom Öl abhängig. Und hier dürften die die Preise in den kommenden zwei Jahren auf dem jetzigen Niveau bleiben werden. Da es keinerlei Anzeichen für Wirtschaftsreformen gibt, fällt Enthusiasmus für die russische Konjunktur schwer.
 
Die hierin geäußerten Ansichten und Meinungen stammen vom Schroder Investment Managements Economics Team und stellen nicht notwendigerweise die in anderen Mitteilungen, Strategien oder Fonds von Schroders ausgedrückten oder aufgeführten Ansichten dar.

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