Schroders: Was der Brexit für die Schwellenländer bedeutet

Aktuell sind noch viele Punkte über den Brexit unklar und die britischen EU-Gegner wünschen sich eher einen längeren Zeitraum als die zwei Jahre, die der Lissabon-Vertrag vorsieht. Von daher liegt das tatsächliche Datum womöglich näher an 2020.

28.06.2016 | 09:26 Uhr

Aktuell sind noch viele Punkte über den Brexit unklar und die britischen EU-Gegner wünschen sich eher einen längeren Zeitraum als die zwei Jahre, die der Lissabon-Vertrag vorsieht. Von daher liegt das tatsächliche Datum womöglich näher an 2020, was natürlich ebenfalls noch nicht als gesichert gelten kann: Schließlich könnte eine veränderte Einwanderungspolitik in Großbritannien sowie Beschränkungen bei der Arbeitsmigration den Prozess beschleunigen.

Selbst wenn Großbritannien die Union nicht Hals über Kopf verlässt, besteht doch große Unsicherheit über die künftigen Wirtschaftsbeziehungen zur übrigen Welt – denn die Märkte schätzen unsichere Verhältnisse überhaupt nicht. Genauso steht es mit Unternehmen und ihren Investitionsplänen oder mit Verbrauchern und größeren Anschaffungen. Wir bei Schroders erwarten, dass das britische Bruttoinlandsprodukt bis Ende 2017 um 0,9 % niedriger ausfallen wird und kurzfristig knapp an einer Rezession vorbeischrammt.

Ebenfalls rechnen wir damit, dass auch innerhalb der Europäischen Union das Vertrauen sinken wird, wenngleich in geringerem Maß. Mit der Parlamentswahl in Spanien, dem Referendum zur Verfassungsreform in Italien und den Wahlen in Frankreich 2017 steht Europa vor einer Reihe wichtiger Entscheidungen. Nicht zuletzt weil Euroskeptiker in verschiedenen Ländern ebenfalls auf einen Austritt drängen, steigt das politische Risiko in Europa an.

Je ferner, je besser? Zudem starke Binnennachfrage in den Schwellenländern

Mit zunehmender Entfernung zu Europa mildern sich die Auswirkungen: So schätzt das volkswirtschaftliche Team von Schroders, dass die Folgen für das weltweite Wachstum überschaubar bleiben. Dennoch sind die Risiken von Stagflation, Deflation und Wachstumsschwäche deutlich angestiegen.

Die Schwellenländer treiben vorwiegend untereinander sowie mit den USA Handel. Zwar ist die Europäische Union mit einem Anteil von 20 % alles andere als ein kleiner Handelspartner, doch verfügt sie über keinen bestimmenden Einfluss auf die Handelsaktivitäten oder das Wachstum. Vor allem jedoch profitieren die Schwellenländer von einer starken Binnennachfrage.

Betrachtet man ausgewählte Schwellenländer, so erwarten wir keine wesentlichen wirtschaftlichen Auswirkungen, wenngleich EU-nahe Schwellenländer trotzdem betroffen sein könnten. Die Türkei etwa macht lediglich 1,5 % des MSCI Emerging Markets Index aus, der Aktien von 23 Schwellenländern weltweit abbildet. Die zentral- und osteuropäischen Schwellenländer innerhalb der EU unterhalten vor allem Handelsbeziehungen mit Deutschland. Mit zusammen 3 % durch Ungarn, Polen und Tschechien ist in Relation zum gesamten Schwellenländerindex der europäische Anteil damit gering – und er dürfte die Gesamtentwicklung nicht übermäßig stark beeinflussen.

Weltweite Risiken steigen dennoch

Allerdings sind die volkswirtschaftlichen Effekte nur eine Seite der Medaille, denn ganz klar steigen die weltweiten Risiken. Selbst wenn die Bruttoinlandsprodukte nur mäßig betroffen sind, bleiben die Erholungschancen nach einer Phase mäßigen Wachstums trotzdem verringert.

Vor dem Hintergrund erhöhter Risiken für die weltweiten Wachstumsaussichten und höherer Risikoprämien könnten die Märkte zu kämpfen haben, aus dieser Situation wieder in Fahrt zu kommen. Trotz des Handels untereinander hängen die Schwellenländer immer noch stark vom weltweiten Aufschwung ab. Dazu bedeutet erhöhtes Risiko weltweit zwangsläufig auch, dass der US-Dollar aufwertet. Die Währung gilt als der sichere Hafen schlechthin, und ein starker US-Dollar wirkt sich in aller Regel negativ auf die Schwellenländer aus: Mit ihren hohen Haushaltsdefiziten sind etwa Südafrika oder die Türkei besonders anfällig gegenüber einer Aufwertung.

Trotzdem ist unwahrscheinlich, dass die politischen Entscheidungsträger untätig zusehen werden. Deshalb sind weitere Lockerungsmaßnahmen durch die Zentralbanken zu erwarten, auch die US-Notenbank dürfte weitere Zinsschritte zunächst aussetzen. Ebenfalls sind finanz- und steuerpolitische Initiativen als Wachstumsimpulse denkbar.
Insgesamt haben sich die Märkte bereits in einer einzelnen deutlichen Bewegung entwickelt, doch ausgeprägte Sprünge sind nicht erwartbar. Blickt man angesichts gestiegener Wachstums- und Deflationsbedenken über den Tag hinaus, scheinen die Schwellenländer mit ihren engen Beziehungen untereinander sowie der starken Binnennachfrage weniger anfällig als Industriestaaten. Zunächst dürfte es allerdings noch sinnvoll sein, eine eher defensive Haltung einzunehmen.

Insgesamt haben sich die Märkte bereits in einer einzelnen deutlichen Bewegung entwickelt, doch ausgeprägte Sprünge sind nicht erwartbar. Blickt man angesichts gestiegener Wachstums- und Deflationsbedenken über den Tag hinaus, scheinen die Schwellenländer mit ihren engen Beziehungen untereinander sowie der starken Binnennachfrage weniger anfällig als Industriestaaten. Zunächst dürfte es allerdings noch sinnvoll sein, eine eher defensive Haltung einzunehmen.

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