Schroders: Zu hohe Medikamentenpreise in den USA

Kostspielige Krankheit, hochpreisige Heilung: Die steigenden Arzneimittelpreise sind im Rahmen der US-amerikanischen Präsidentschaftskampagnen ins Rampenlicht gelangt. Wir fragen, welche Folgen diese verschärfte Aufmerksamkeit für die Gesundheitsbranche haben könnte.

07.09.2016 | 10:00 Uhr

Von Seema Suchak, ESG Analyst, Schroders

Kostspielige Krankheit, hochpreisige Heilung …

Steigende Arzneimittelpreise haben während der Präsidentschaftskampagnen in den USA so etwas wie eine politische Bombe platzen lassen. Auch wenn die Diskussionen von einigen nur als Stimmenfang gesehen werden: Sie haben die von den Pharmaunternehmen festgelegten und von den Krankenversicherern, Krankenhäusern und staatlichen Gesundheitssystemen bezahlten Preise ins Rampenlicht gerückt. Es besteht Sorge, dass wichtige Arzneimittel selbst für versicherte und relativ vermögende Bürger unerschwinglich und unerreichbar werden können.

Abbildung 1: Warum sind verschreibungspflichtige Medikamente so teuer? 73 % der Befragten halten die Kosten für verschreibungspflichtige Medikamente für unzumutbar. Sie gaben folgende Gründe für ihre Meinung an:

Abbildung 2: Preise für Markenmedikamente steigen

Die drastischen Preiserhöhungen von Unternehmen wie Turing und Valeant außer Acht lassend, gingen wir der Frage nach, was ein gesetzliches Eingreifen für die Pharmaindustrie und ihre Interessengruppen bedeuten könnte.

Unsere Untersuchungen und Ansichten haben wir im Folgenden zusammengefasst.

1. Finanzielle Folgen

Preisbeschränkungen könnten sich auf den Gewinn eines Unternehmens bzw. auf seinen Börsenkurs auswirken. So prognostiziert beispielsweise Morgan Stanley für 2017 einen Rückgang von 4 % des Gewinns je Aktie aufgrund von Preiseinschränkungen (von Gesetzgeberseite oder anderweitig; Morgan Stanley Research, Oktober 2015). Hillary Clintons Twitter-Nachricht nach der überzogenen Preiserhöhung von Turing im Jahr 2015 schickte die Kurse im Biotechnologiesektor um 4 % in den Keller. Auch Arbeitgeber und Versicherungsunternehmen sind betroffen. Viele von ihnen könnten dazu übergehen, einen Teil der gestiegenen Kosten über höhere Monatsbeiträge oder Zuzahlungen an die Verbraucher weiterzugeben. Oder sie könnten die teuren Arzneimittel einfach von ihren Listen streichen.

2. Doppelter Druck für Pharmaunternehmen

Aktuell gibt es keine gesetzliche Grenze für Arzneimittelpreise. Theoretisch sollten Marktmechanismen die Preise kontrollieren, etwa durch Rabatte, die die Pharmaunternehmen den Versicherungsunternehmen einräumen. Das folgende Diagramm zeigt, dass sich die Schere zwischen dem Nettopreis für Versicherer und Apotheken nach Berücksichtigung von Rabatten und dem Listenpreis (also dem Preis bei Zahlung aus eigener Tasche) weitet. Es ist dieser Listenpreis, der in die Höhe geht – aus verschiedenen Gründen, aber teilweise auch, um den steigenden Druck zum Gewähren von Rabatten auszugleichen. Für Pharmaunternehmen ist das ein Zeichen für Druck an beiden Enden des Preisspektrums. Darüber hinaus weist wenig darauf hin, dass die höheren Rabatte den Patienten zugutekommen.

Abbildung 3: Höhere Listenpreise im Vergleich zu sinkenden Nettopreisen

3. Staatliche Regulierung in größerem Ausmaß geht weit am Ziel vorbei

In ihren Kampagnen haben die demokratische Kandidatin Hillary Clinton wie auch Donald Trump als Kandidat der Republikaner Änderungen von Gesetzgeberseite vorgeschlagen. So sollten beispielsweise Medicare (dem staatlichen Gesundheitssystem der USA für ältere Bürger) direkte Preisverhandlungen mit den Pharmaunternehmen erlaubt werden, was jedoch auf Kritik stieß.

Darüber hinaus läuft gerade ein Versuch, Ärzte auf ein wertorientiertes Zahlungsmodell umzustellen. Doch in Wirklichkeit werden sich größere staatliche Änderungen aufgrund von Barrieren im Kongress und wegen dringlicherer Kampagnenthemen kurz- bis mittelfristig nur schwer erreichen lassen. Daher dürfte jede Auflage für Pharmaunternehmen in nächster Zeit eher auf bundesstaatlicher als auf nationaler Ebene eingeführt werden. Tatsächlich sind bereits bundesstaatliche Maßnahmen im Gespräch, beispielsweise eine Verbesserung der Preistransparenz und die Einführung partieller Obergrenzen.

4. Unternehmen tun sich schwer im Umgang mit der Debatte

Arzneimittelhersteller wehren in der Regel mehr Transparenz oder Änderungen von Gesetzgeberseite erfolgreich ab. Dabei argumentieren sie in erster Linie damit, dass die Preise bereits viele komplexe Faktoren berücksichtigen. Darunter solche wie Forschungs- und Entwicklungskosten, Fehlen anderer Behandlungsmöglichkeiten, Folgen für Patienten und die Möglichkeit zur Senkung anderer Kosten für die Gesundheitsversorgung. Zweitens behaupten sie, dass ein Eingreifen von staatlicher Seite die gesamte Gesundheits- und Versicherungsbranche ändern würde; doch die Arzneimittelpreise seien nur ein Teil des größeren Problems. Einige Unternehmen scheinen hier proaktiver vorzugehen als andere. So führt ein großes Pharmaunternehmen derzeit Versuche durch mit einer „indikationsbezogenen Zahlung“ (wobei sich der Arzneimittelpreis nach seiner Wirkung auf verschiedene Tumoren berechnet) und einer „leistungsbezogenen Zahlung“. Auch hier gibt es eine Reihe von Problemen, z. B. wer der mögliche Empfänger der Erstattung ist, die Reaktion der Ärzte und die Inkompatibilität mit der Preisstruktur von Medicaid (dem staatlichen Gesundheitsprogramm für Personen mit geringem Einkommen).

5. Abgrenzung zahlt sich aus, Transparenz hilft

Unternehmen, die nur wenig Innovation im Produktangebot und in der Pipeline haben oder sich in ihrer Strategie zu stark auf Preissteigerungen ohne Investition in Forschung und Entwicklung verlassen haben, sind die offensichtlichen Verlierer – das ist am Markt bereits allgemein bekannt. Auch Unternehmen, die weniger mit den USA zu tun haben, sind ganz klar weniger betroffen von möglichen Preisbeschränkungen dort – auch das scheint vom Markt bereits eingepreist worden zu sein.
Für die anderen Unternehmen werden Abgrenzung und Transparenz zu den wichtigsten Differenzierungsmerkmalen gehören.

Abgrenzung umfasst Faktoren wie höhere Innovation, einen größeren Umsatzanteil neuer Produkte und Präsenz in therapeutischen Bereichen, die sich schwer nachahmen lassen.

Bei Transparenz stehen klarere Behandlungsergebnisse und proaktive Kommunikation bei der Preisdebatte im Vordergrund. Solche Unternehmen haben eine höhere Chance, sich gegen Einschränkungen ihrer Preissteigerungen und eine negative öffentliche Meinung abzuschirmen.

Unabhängig von den politischen Ergebnissen muss sich die Gesundheitsbranche aber insgesamt mit intensiverer Beobachtung und stärkerem Druck auf die Preise auseinandersetzen. Als langfristig denkende Aktionäre tauschen wir uns weiter mit den Unternehmen in der Gesundheitsbranche aus: So erhalten wir einen besseren Einblick in ihre Position, ihre Risiken und ihre Reaktion auf diese Probleme.

Dieser Artikel erschien am 06.09. auf Schroders.com.

Schroders hat in diesem Dokument eigene Ansichten und Meinungen zum Ausdruck gebracht. Diese können sich ändern.

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