Steht Japan vor einem umgekehrten Volcker-Effekt?

Die Parlamentswahlen könnten die Wende bei der Deflationsbekämpfung einläuten.

14.12.2012 | 16:10 Uhr

Japan vor Regierungswechsel

Bei den Parlamentswahlen (Sonntag) in Japan wird es mit aller Wahrscheinlichkeit zu einem Regierungswechsel kommen – mit Shinzo Abe von der Liberaldemokratischen Partei als neuem Premierminister. Die Wahlen könnten eine grundsätzliche Wende bei der Deflationsbekämpfung bringen, da Shinzo Abe mit einem sehr aggressiven Programm in den Wahlkampf gegangen ist. So soll die Bank von Japan (BoJ) einem Inflationsziel von bis zu 3 % unterworfen werden. Darüber hinaus plant Shinzo Abe, die Staatsausgaben signifikant zu erhöhen und direkt durch die Notenpresse der BoJ finanzieren zu lassen. Das Wahlkampfprogramm zeigt, dass die politischen Eliten in Japan die Geduld mit der bisher vergeblichen Deflationsbekämpfung der BoJ verloren haben.

Die Situation könnte damit – wenn auch mit umgekehrten Vorzeichen – im Kern vergleichbar sein mit der Konstellation in den USA in den 1970er-Jahren. Damals bekämpfte die Fed die Inflation über einen langen Zeitraum nur unzureichend und verwies vor allem auf externe Gründe wie den Ölpreis für die hohe Inflation. Erst gegen Ende der 1970er-Jahre waren die Bevölkerung und die politischen Eliten bereit, die bittere Medizin hoher Zinsen zu schlucken. Somit wurde seinerzeit Paul Volcker mit dem klaren Auftrag zum Zentralbankpräsidenten berufen, die Inflation zu bekämpfen.

Shinzo Abe dürfte für seinen klaren Kurs auch auf die Unterstützung der exportorientierten Unternehmen zählen können, da der starke Yen zu signifikanten Wettbewerbsnachteilen geführt hat und viele Unternehmen in Japan mit dem Rücken zur Wand stehen. Schon am Donnerstag dürfte die BoJ deshalb neue geldpolitische Schritte beschließen, um die Wirtschaft zu stimulieren und den Yen zu schwächen. Auch in einer Liquiditätsfalle kann die Geldpolitik wirksam sein – vorausgesetzt, die Zentralbank schafft es mit ihren Maßnahmen, dass in der Folge Inflationserwartungen und Vermögenspreise steigen. Der einfachste Weg aus der Liquiditätsfalle und Deflation ist jedoch eine vollständig von der Zentralbank finanzierte Erhöhung der Staatsausgaben.

USA: Fiskalische Klippe im Fokus

Die Verhandlungen über die zukünftige Fiskalpolitik in den USA laufen derzeit auf Hochtouren. Bisher sind kaum konkrete Fortschritte erkennbar, und sowohl Republikaner als auch Demokraten scheinen nicht mehr mit einer Einigung bis Weihnachten zu rechnen. Somit ist die Wahrscheinlichkeit gestiegen, dass erst nach dem 1. Januar 2013 ein Kompromiss gefunden werden kann. In diesem Fall wäre die beste Lösung, die automatisch in Kraft tretenden Steuererhöhungen und Ausgabenkürzungen um einen Monat zu verschieben, um die negativen Auswirkungen auf die Realwirtschaft abzumildern.

Ansonsten werden mit den Neubaubeginnen (Mittwoch), den Verkäufen bestehender Immobilien (Donnerstag) und dem NAHB-Index (Dienstag) wichtige Indikatoren
zum Immobilienmarkt veröffentlicht, die eine fortgesetzte Erholung signalisieren dürften. Ebenfalls bekanntgegeben werden die neuesten Zahlen zum Empire State Index (Montag), zum Philadelphia Index (Donnerstag) und zu den Auftragseingängen (Freitag).

Deutschland: ifo-Index im Aufwärtstrend

Der im November erstmals seit März 2012 wieder nach oben weisende ifo-Index (Mittwoch) dürfte seinen Anstieg im Dezember fortgesetzt haben. Dafür spricht schon die erste Schätzung der Einkaufsmanagerindizes, wonach sich die Zahlen im Dezember deutlich gegenüber dem Vormonat verbessert haben.

Spezialthema: Goldstandard kein Allheilmittel gegen Finanzmarktkrisen

Interessanterweise wird immer wieder die Idee diskutiert, zum Goldstandard zurückzukehren. Die Argumentation lautet meistens, dass unter einem Goldstandard der Verschuldungsdynamik Grenzen gesetzt sind, da bei einer zu stark expansiv ausgerichteten Geldpolitik Gold ins Ausland abfließt und damit automatisch die Kredit bzw. Geldmengenexpansion gestoppt wird. Bei einem Goldabfluss muss die Zentralbank die Liquidität im Bankensystem reduzieren, um das vorgegebene Verhältnis von Gold zur Geldmenge einzuhalten. Unter einem Goldstandard hätte die Verschuldung in den vergangenen 30 Jahren sehr wahrscheinlich nicht so dramatisch steigen können. Trotzdem ist der Goldstandard kein Allheilmittel gegen Finanzmarktkrisen. So wurden beispielsweise die USA unter einem Goldstandard 1819, 1837, 1857, 1873, 1893, 1896, 1907 und 1929 von schweren Finanzmarktkrisen erschüttert. Der Grund dafür war meistens eine exzessive Kreditvergabe der Banken. Auf Basis dieser Erfahrungen erscheinen uns eine gute Regulierung der Banken und eine wachsame Zentralbank erfolgversprechender, um Finanzmarktkrisen zu verhindern.

Darüber hinaus ist bei einem Goldstandard das Preisniveau langfristig konstant, und Phasen mit hoher Inflation wechseln sich mit Phasen der Deflation ab. Voraussetzung für ein erfolgreiches Funktionieren des Goldstandards ist vor diesem Hintergrund, dass die Löhne und Gehälter flexibel sind. Wenn in einer deflationären Phase die Löhne nicht fallen, steigen automatisch die Reallöhne und damit die Arbeitskosten für die Unternehmen. Die Unternehmen werden aufgrund der gestiegenen Arbeitskosten Mitarbeiter entlassen, was die Deflation verstärkt und die Reallöhne wiederum erhöht. Eine konjunkturelle Abwärtsspirale wäre die Folge.

Bis zum Ersten Weltkrieg wiesen die Löhne in allen großen Volkswirtschaften die für das Funktionieren des Goldstandards notwendige Flexibilität auf. Danach ging jedoch die Lohnflexibilität zunehmend verloren, und in den vergangenen Jahrzehnten sind in nur ganz wenigen Ausnahmen in einzelnen Branchen die Löhne innerhalb eines Jahres gefallen.

Ein Grund für die gesunkene Lohnflexibilität könnte der zunehmende Verschuldungsgrad im Rahmen einer ganz normalen Entwicklung des Finanzsystems sein. So bildete sich erst in den 20er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts ein Markt für Konsumenten- und Hypothekenkredite heraus. Aufgrund der dafür festgelegten nominalen Zins- und Tilgungszahlungen sowie anderer nominal festgelegter Verpflichtungen wie Mieten, Versicherungen etc. könnten Lohnkürzungen für Arbeitnehmer erhöhte Insolvenzrisiken bedeuten. Vor diesem Hintergrund dürfte sich ein massiver Widerstand gegen Lohnkürzungen
entwickelt haben.

In der letzten Publikation vor Weihnachten und dem Jahreswechsel danke ich den Lesern ganz herzlich für das Interesse am Wochenausblick des Metzler Asset Management und wünsche ein frohes Weihnachtsfest und alles Gute für 2013!

Der Marktausblick im pdf-Dokument

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