UBS: „Deutschland handelt in der Eurokrise flexibler als oft unterstellt“

„Europa und USA brauchen Wachstumsimpulse – Asien allein kann die Weltwirtschaft nicht retten.“

27.06.2012 | 13:16 Uhr

Mit Spannung und großer Sorge wurde auf die Wahl in Griechenland geblickt – bei einem Wahlsieg der extremen Linken wurde der unmittelbare Zusammenbruch des Euro befürchtet. Die Wahl ging bekanntlich anders aus, doch damit ist noch keines der ursprünglichen Probleme gelöst. Nach anfänglicher Freude über den Wahlausgang macht sich diese Erkenntnis mit zeitlichem Abstand zum Wahltag breit. Doch wo stehen die Europäer tatsächlich bei der Bekämpfung der Krise? Dr. Martin Lück geht im vorliegenden Themendienst dieser Frage nach. Außerdem erläutert der Volkswirt bei der UBS Investment Bank in Frankfurt, wie er die wirtschaftliche Situation anderer Weltregionen bewertet und welche Asset- Klassen in unsicheren Marktphasen einen näheren Blick lohnen.

Sieben Fragen an: Dr. Martin Lück, Volkswirt der UBS Investment Bank in Frankfurt

Herr Lück, hat die Eurozone mit dem Wahlsieg der Euro-Befürworter in Griechenland nun genug Zeit gewonnen, um ihre Probleme zu lösen?

Lück: Auch die sogenannten Euro-Befürworter haben ihren Wählern ja versprochen, gegenüber der Troika auf Nachverhandlungen zu drängen. Schon beim nächsten Troika-Bericht dürfte aber klar werden, wie weit die Griechen vom Erreichen ihrer Sparziele entfernt sind. Dann wird eher die Frage sein, wie sich die Kreditgeber verhalten. Die Wahl selbst hat in Griechenland keines der Probleme gelöst. Es wurde weder Zeit gewonnen, noch ergeben sich Entlastungen für andere Länder. Die Eurokrise geht offenbar in ihre entscheidende Phase.

Können Deutschland und Frankreich eine Führungsrolle zur Lösung der Eurokrise übernehmen?

Lück: Die neue sozialistische Regierung in Paris wird wohl vor allem mehr auf Wachstum setzen. Insofern ist die jüngste Einigung über ein gemeinsames europäisches Wachstumspaket eine gute Nachricht, denn es zeigt, dass Deutschland bei der Krisenlösung flexibler ist als oft unterstellt. Im Gegenzug könnte es jetzt auch ein Einlenken der französischen Regierung geben, vor allem, was die dringend notwendige fiskalische Integration betrifft, die auch mit der Aufgabe nationaler Souveränität einhergehen muss.

Alle Welt schaut nach Europa – droht bei einer Abkühlung der US-Konjunktur nicht das größere Risiko?

Lück: Die USA stehen für circa 28 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung, insofern hat jede Schwäche der USWirtschaft ernste Konsequenzen auch für die anderen Regionen. Dass die US-Wirtschaft nach der Lehman-Rezession immer noch nicht zu alter Stärke gefunden hat, verwundert nicht: Die amerikanischen Verbraucher, die knapp 70 Prozent des US-Sozialprodukts ausmachen, kommen einfach nicht mehr so leicht an Geld wie vor der Krise. Es dürfte ihnen kaum gelingen, ihre Ausgaben wie in früheren Konjunkturzyklen zu steigern. Insofern ist eine erneute Abkühlung in den USA mit entsprechenden Folgen für die Weltwirtschaft eine ständige Gefahr.

Könnte nicht Asien, allen voran China, für die Europäer konjunkturell die „Kohlen aus dem Feuer holen“?

Lück: Wenn Europa schwächer wächst und auch das Wachstum in den USA an Grenzen stößt, müsste Asien ja noch stärker beschleunigen, um diese Nachfrageausfälle zu kompensieren. Damit rechne ich aber nicht. Zwar dürfte in Asien das Wachstum höher bleiben als in den USA und Europa, aber es wird nicht reichen, um die Weltwirtschaft vor einer Abkühlung zu bewahren.

Wie steht es aus fundamentaler Sicht um die europäischen Unternehmen?

Lück: Viele europäische Unternehmen sind sehr innovativ und erfolgreicher als die jeweilige Volkswirtschaft. Generell sind in Europa Rechtssicherheit, gute Infrastruktur und hervorragend ausgebildete Arbeitnehmer sowie ein hoher Forschungs- und Innovationsgrad die entscheidenden Standortfaktoren. Hier gibt es aber erhebliche regionale Unterschiede. In vielen Volkswirtschaften hat zudem die Wettbewerbsfähigkeit stark gelitten, außerdem sind in einigen Ländern Arbeits- und Gütermärkte noch sehr abgeschottet. Deutschland steht in diesem Kontext relativ gut da, hat aber auch schwer zu lösende strukturelle Probleme, vor allem eine schnell alternde und schrumpfende Bevölkerung.

Die Unsicherheit wird die Märkte noch lange Zeit prägen. Wie sollen sich Anleger aufstellen?

Lück: Anleger sollten vor allem den Grundsatz der Portfolio-Diversifikation beherzigen. Auch wenn es keinen vollkommenen Schutz in unsicheren Zeiten gibt, sollten Investoren aber doch versuchen, nicht zu stark auf Risiko-Assets zu setzen. Denn die Gefahr massiver Rückschläge ist noch nicht ausgestanden.

In Krisenzeiten gibt es immer auch Gewinner: Welche Asset-Klassen profitieren, welche verlieren?

Lück: Es ist zu empfehlen, dass Aktien als reale Assets in jedem Portfolio enthalten sind, auch wenn sie als Risikoanlage gelten und deshalb in Zeiten hoher Unsicherheit oft unter Verkaufsdruck geraten. Anlagen, die als sichere Vermögenswerte gelten, sind Edelmetalle und Immobilien. Im Anleihebereich sollten Anleger eine Mischung aus niedrig verzinslichen, dafür aber sicheren Staatsanleihen und gut bewerteten Unternehmensanleihen anstreben. Anlagen in hochverzinslichen, aber schwer einschätzbaren Staatsanleihen sind derzeit nicht ratsam.

Das Interview im pdf-Dokument

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