Urteil des Bundesverfassungsgerichts mit Spannung erwartet

Eine große Mehrheit der Finanzanalysten rechnet mit Zustimmung zum ESM.

07.09.2012 | 16:05 Uhr

Staatsanleihenkauf der EZB notwendig, aber riskant

Als erste Reaktion auf die Maßnahmen der EZB ließen die Krisensymptome in der Eurozone nach. Nichtsdestotrotz geht die EZB mit dem beschlossenen unbegrenzten Kaufprogramm für Staatsanleihen erhebliche Risiken ein. Eine Flutung der Finanzmärkte mit Liquidität in akuten Krisenzeiten ist zur Stabilisierung des Finanzsystems unzweifelhaft notwendig, darüber hinausgehende Liquiditätsmaßnahmen sind jedoch gefährlich. So kann reichlich verfügbare Liquidität den Zwang zu notwendigen realwirtschaftlichen Anpassungen verzögern und Fehlentwicklungen verlängern. Damit besteht auch das große Risiko für die Eurozone, dass durch die reichliche Liquidität der Druck auf die Politik sinkt, die notwendigen Entscheidungen zu treffen. Es bleibt zu hoffen, dass die Politik die Zeichen der Zeit erkannt hat und auch ohne Druck handelt („Wunder gibt es immer wieder“).

Immerhin hat die EZB den Ball an die Politik zurückgespielt, da die EZB nur Staatsanleihen von einem Land kaufen wird, dass sich der Konditionalität internationaler Hilfsmaßnahmen unterworfen hat. Dementsprechend brodelt derzeit die Gerüchteküche und viele Marktteilnehmer rechnen schon in der kommenden Woche beim Treffen der Eurogruppe mit einem Antrag Spaniens auf eine Kreditlinie des EFSF. Eine Kreditlinie des EFSF geht mit deutlich weniger Anforderungen einher als ein volles Rettungsprogramm, das Irland, Portugal und Griechenland in Anspruch nehmen.

Auch in den USA wird die Fed (Donnerstag) mit aller Wahrscheinlichkeit neue geldpolitische Maßnahmen beschließen. Dabei scheint es noch völlig offen, ob ein neues Kaufprogramm für Wertpapiere initiiert werden wird oder ob die Fed „nur“ kommuniziert, den Zeitpunkt der ersten Leitzinserhöhung nach hinten zu verschieben.

Bei der anhaltenden Liquiditätsflut stellt sich zunehmend die Frage, ob die Zentralbanken die Liquidität dem System rechtzeitig wieder entziehen können. Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Zentralbanken in eine Zwickmühle geraten werden: Die Zentralbanken werden früher oder später vor der Entscheidung stehen, ob sie steigende Inflationsrisiken durch Leitzinserhöhungen bekämpfen und damit die Stabilität des Finanzsystems und der Staatsfinanzen gefährden sollen oder ob sie der Finanzmarktstabilität den Vorzug geben. Sehr wahrscheinlich werden die Zentralbanken nach den Erfahrungen der vergangenen Jahre eher die Inflationsrisiken in Kauf nehmen.

Risiken für die europäische Währungsunion

Die Mehrheit der Marktteilnehmer erwartet, dass das Bundesverfassungsgericht (Mittwoch um 10 Uhr) den ESM und den Fiskalpakt mit einem „Ja, aber“ durchwinken wird. Darüber hinaus wird mehrheitlich nicht mit einem Sieg der europakritischen Kräfte bei den Wahlen in den Niederlanden (Mittwoch) gerechnet. Die Risiken unerwarteter Ergebnisse am Mittwoch sollten jedoch nicht unterschätzt werden. Interessanterweise sind Währungsräume in der Geschichte meistens nach einem Austritt eines starken Landes und nicht nach einem Austritt eines schwachen Landes auseinandergebrochen. Beispielsweise verließen das wohlhabende Kroatien die jugoslawische Währungsunion und die wohlhabenden baltischen Staaten den Rubelwährungsraum als Erstes. Das größte Risiko für den Zusammenhalt der Europäischen Währungsunion kommt vor diesem Hintergrund aus Finnland, den Niederlanden und Deutschland.

China: Wirtschaft schwächelt

Die chinesische Konjunktur zeigte in den vergangenen Wochen dramatische Verlangsamungstendenzen. Die Industrieproduktion (Sonntag) dürfte vor diesem Hintergrund im August insgesamt sehr schwach ausgefallen sein. In dieser Woche hat die Politik mit konkreten Maßnahmen auf die Wirtschaftsschwäche reagiert. So wurden der Bau von 18 U-Bahnen und der Ausbau von über 2.000 Kilometern an Straßen beschlossen. Die Inflation (Sonntag) dürfte dagegen im August einigermaßen stabil bei 2,0 % geblieben sein.

USA: Mittelfristig steigendes Inflationsrisiko

Die US-Wirtschaft wächst derzeit moderat. Entsprechend mäßig dürfte der Zuwachs bei den Einzelhandelsumsätzen (Freitag) und der Industrieproduktion (Freitag) ausgefallen sein. Auch bei den Erzeugerpreisen (Donnerstag) und bei den Konsumentenpreisen (Freitag) erwarten wir keine großen Überraschungen. Dabei sollte jedoch nicht vergessen werden, dass derzeit die größten mittelfristigen Inflationsrisiken von den USA ausgehen. Die umfangreichen Liquiditätsmaßnahmen der Fed sowie die wieder wachsende Kreditvergabe der Banken sprechen dafür, dass der Geldmultiplikator langsam wieder in Gang kommt und es früher oder später zu einer Inflationsbeschleunigung kommen wird.

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