WisdomTree: Ein „Brexit“ wäre für die Finanzmärkte der Worst Case

Wir haben die Auswirkungen eines „Brit-in“ und „Brexit“ analysiert und noch wichtiger – dargelegt, wie Sie je nach Ergebnis investieren können. Heute fassen wir die Serie zusammen und geben zum britischen Pfund und Euro ein Schlusswort.

29.04.2016 | 10:26 Uhr

Der "Brexit" führt an allen Fronten zu Ungewissheit: während die Konditionen für zukünftigeHandelsabkommen unbekannt bleiben, ist es wahrscheinlich, dass Großbritannien außerhalb derUnion weniger Spielraum für günstige Handelskonditionen hat. Auf einem bilateralenHandelsniveau werden Handelsabkommen sowohl mit der EU als auch außerhalb der EU mithöheren Kosten verbunden sein. Zur Ungewissheit kommt die Zeitspanne, bis Großbritannien vonder EU getrennt ist und ein neues Abkommen bezüglich Handel, Sicherheit und Gesetzebeschlossen wird, hinzu. Bis es mehr Klarheit über die Handelsabkommen geben wird, werdenInvestoren und Unternehmen Investitionen in Großbritannien verschieben. Nach Art. 50, der denAblauf im Falle eines EU-Austritts regelt, müsste Großbritannien bis zu zwei Jahren warten, umüber die exakten Austrittsbedingungen Gewissheit zu erhalten. Diese würden von allen EUMitgliedern– nicht nur mit Großbritannien – verhandelt. Bis es mehr Klarheiten gibt, bleibt esungewiss, welches Handelsmodell Großbritannien wählen wird.

Während Großbritannien die Immigration kontrollieren wird, bleiben die ökonomischen Vorteileeiner eingeschränkten Einwanderung fraglich. Das netto Steuereinkommen der Immigration istpositiv und Unternehmen als auch öffentliche Einrichtungen profitieren von Immigranten mit gutemBildungsniveau. Während das Austreten aus der EU zur Kontrolle der Einwanderung den Verlustan der Teilnahme des europäischen Marktes mit sich bringt, steigt langfristig das Risiko einerAufspaltung Großbritanniens. Dies da die Schottische Nationalpartei bereit steht, ein weiteresReferendum für die Unabhängigkeit Schottlands zu verlangen um ein Mitglied der EU und derEurozone zu werden. Riskant ist auch der unstabile Frieden zwischen Nordirland undGroßbritannien. Die durch einen "Brexit" hervorgerufenen Grenzkontrollen könnten neueSpannungen hervorrufen. Die starken politischen Risiken stehen im Kontrast zu den zweifelhaftenVorteilen für das Budget und den Arbeitsmarkt. Politische Unsicherheit herrscht auch in England:Die konservative Partei ist gespalten. Sechs Kabinettsministern stimmten mit der Hälfte derkonservativen Partei gegen Camerons Vorschlag in der EU zu bleiben.

Auch für den Euro besteht das Risiko, dass der Verkaufsdruck Überhand nimmt. Randparteienversuchen bereits, den “Brexit” für ihre eigenen politischen Zwecke zu instrumentalisieren -Haushaltsdefizite, Arbeitslosigkeit und Einwanderung stehen dabei im Fokus. Die EuropäischeKommission wird, um den politischen Druck zu mildern, wohl eine etwas härtere Gangart beimThema Einwanderung einschlagen und den Mitgliedstaaten bei ihren Haushaltszielenentgegenkommen. Das wäre ein Versuch, die Randparteien zu beschwichtigen, die nicht nur diederzeit schwachen Koalitionsregierungen destabilisieren, sondern auch eine insgesamt feindseligeStimmung gegenüber dem europäischen Projekt als solchem schüren.

Wie geht es weiter?

Die Fokussierung der Investoren auf sichere Häfen wie die Deutschen Bundesanleihen wird sich intensivieren, bis die Europäische Union bei großen Themen wie Arbeitslosigkeit undEinwanderung eine gewisse Einigkeit erreicht. Die Zinsen werden dabei weiter in den negativenBereich sinken. Auch die EZB dürfte die Zügel weiterhin locker halten, um das Vertrauen in denfragilen Bankensektor der Eurozone aufrechtzuerhalten.

Das Szenario eines "Brexit" wäre für die europäischen Finanzmärkte der Worst Case. WennAktien, dann sollten Investoren in einem solchen Szenario auf defensive, breit diversifizierteDividendentitel setzten. Für Anleger außerhalb Großbritanniens könnten währungsgesicherteInvestitionen in europäische Aktien wieder interessanter werden. Die insgesamt gedrückteStimmungslage dürfte auch ein Segen für Gold sein.

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