Q&A mit Peter Lechner, Bond-Experte bei DJE und Co-Fondsmanager u. a. für den DJE – Short Term Bond.
26.07.2022 | 09:35 Uhr
Über Jahre hinweg standen Anleihen im Schatten von Aktien. Doch die jüngste geldpolitische Wende in den USA und in Europa, aber auch die geopolitische Lage belasten die Aktienkurse. Dazu kommen eine anhaltend hohe Inflation und Unsicherheiten mit Blick auf die Pandemie, u. a. in China. Was Anleger jetzt über Anleihen wissen sollten und welche Stärken Anleihen nun ausspielen können, erläutert Peter Lechner, Bond-Experte und bei DJE u. a. als Co-Fondsmanager für den DJE – Short Term Bond verantwortlich.
Welches Umfeld prägt derzeit den Anleihenmarkt?
Die US-Inflationszahlen sind weiterhin sehr hoch, und Gerüchte im Markt
sprechen von bis zu 100 Basispunkten als nächster Zinserhöhung der US-Notenbank
Fed. Von einer Zinserhöhung ist in der Tat auszugehen, aber aus unserer Sicht
eher in der Größenordnung von 75 Basispunkten. Denn die Fed steht zwar unter
Druck, die Inflation zu begrenzen. Zugleich muss sie jedoch vermeiden, die
Konjunktur dabei vollends zum Erliegen zu bringen.
Wie entwickeln sich Anleihen mit Blick auf die Laufzeiten?
Die Anleihen-Kurve in den USA ist inzwischen deutlich invers. Papiere mit
kurzen Laufzeiten werfen also höhere Erträge ab als solche mit längeren
Laufzeiten. Das ist insofern ungewöhnlich, als Investoren für eine längere
Zinsbindung üblicherweise mehr Rendite fordern. Eine inverse Kurve gilt
historisch als starkes Vorzeichen einer Rezession.
Ist bei dem aktuellen Zinsniveau schon die nächste Erhöhung der Fed
eingepreist?
Ja. Ein Anstieg der Fed Funds Rate um insgesamt 100 bis 125 Basispunkte
(ausgehend vom Stichtag 21. April 2022) bis zum Jahresende dürfte in den
mittleren und längeren Laufzeiten weitgehend eingepreist sein.
Wohin entwickeln sich die Zinsen?
Dies hängt vor allem von der Binnenkonjunktur ab. Angenommen, die Preise für Öl
und/oder Gas steigen nicht mehr weiter, und die anderen Faktoren im Warenkorb
gehen nur leicht nach oben. Dann ergibt sich allein schon aufgrund der
technischen Berechnungsmethode ein Rückgang der Inflation. Möglicherweise sehen
wir die Spitze der Inflation im dritten Quartal. Die Inflationsraten sollten
sich aus unserer Sicht kurz- bis mittelfristig zumindest stabilisieren bzw.
sogar rückläufig sein.
Auf welchen Anleihenmarkt sollten Anleger besonders achten?
Wir finden nach wie vor US-Rentenpapiere attraktiver als europäische aufgrund
des wesentlich höheren Zinsniveaus. 10jährige US-Papiere rentieren aktuell bei
2,97%, das europäische Pendant, die Bundesanleihe, rentiert mit 1,22%. Wenn
möglich, empfiehlt sich also der Kauf von US-Anleihen. Allerdings muss man sich
darüber im Klaren sein, dass man über die Währungen nicht nur gewinnen, sondern
auch verlieren kann.
Blickpunkt Europa: Sind in der Eurozone mehr Zinsschritte zu erwarten als die
jüngste Erhöhung um 50 Basispunkte auf jetzt 0,5%?
Im Juni lag die Inflation bei 8,6%, die EZB hat jedoch ein langfristiges
Inflationsziel von nicht über 2%. Der Markt hatte vor der Entscheidung der EZB
am 21. Juli 25 Basispunkte eingepreist. Allerdings stand die EZB auch unter
Druck, mehr zu tun, wie sie es nun auch mit der Anhebung um 50 Basispunkte
umgesetzt hat. Wir erwarten weitere Zinsschritte in den nächsten Monaten.
Mit dem Transmission Protection Instrument (TPI) hat die EZB außerdem ein
Instrument zur Kontrolle der Spreads vorgestellt, das heißt, sie will damit die
Risikoaufschläge für Anleihen der südeuropäischen Peripheriestaaten gegenüber
z. B. deutschen Staatsanleihen unter Kontrolle halten.
Wie bewerten Sie die Situation bei Unternehmensanleihen?
Deren Renditen sind durchaus schon wieder attraktiv. Zum 30.6. rentierten
hochwertige europäische Unternehmensanleihen (Investment Grade) bei rund 3,24%;
das Niveau sank inzwischen etwas und liegt aktuell bei 2,92%. Bei europäischen
High-Yield-Anleihen sieht es ähnlich aus; der Rückgang war allerdings weniger
ausgeprägt, von 7,92% auf 7,65%. In den USA fielen die Renditen im Investment-Grade-Segment
von 4,70% auf 4,65% und bei High Yield von 8,89% auf 8,47%.
Bei den Branchen haben sich Luftfahrt und die Reisebranche aufgrund großer
Corona-Nachholeffekte gut entwickelt. Der anstehende Herbst bringt aber
möglicherweise neue Risiken mit Blick auf die Pandemie. Der Automobilsektor ist
eher risikoreich, aber es lassen sich durchaus vernünftige Renditen erzielen.
Auch die Pharmabranche ist attraktiv.
Was sollten Anleger bei Unternehmensanleihen beachten?
Die Spreads von Hochzinsanleihen haben teilweise schon vor den Aktien reagiert.
Man konnte hier also schon frühzeitig den einen oder anderen starken
Kursrückgang sehen. Im aktuellen Umfeld muss man sehr mit Bedacht vorgehen. So
sind in einer Rezession High-Yield-Emittenten besonders stark betroffen.
Investoren müssen sich dieses Segment aufgrund der höheren Ausfallrisiken sehr
genau mit Blick auf Chance und Risiko anschauen.
Wachstum kostet wieder mehr: Wie beeinflusst das Zinsniveau Growth-Anlagen?
Viele Wachstumsunternehmen sind als Anleihe-Emittenten im Bereich Lower
Investment Grade bis High-Yield angesiedelt. Bei schwächerer Konjunktur müssen
sie mit stärkeren Risikoaufschlägen bei der Finanzierung von künftigem Wachstum
rechnen.
Was ist mit der Spezialform Nachranganleihen?
Teils ist hier kaum Liquidität vorhanden. Nachranganleihen sollte man nur dann
kaufen, wenn man sich ganz sicher ist, dass die Rückzahlung auch gewährleistet
ist. Wir investieren hier nur, wenn wir in engem Kontakt zum Unternehmen
stehen und uns ein gutes Bild von der Tragfähigkeit der Geschäftsstrategie
machen können
Wie kurz sollten die Laufzeiten sein?
Bei DJE zielen wir aktuell eher auf kürzere Laufzeiten ab. Die Zielduration der
Portfolios wird im regelmäßigen Strategiemeeting anhand der eben genannten
Kriterien festgelegt. In Basisportfolien sind auch mal längere Laufzeiten
enthalten, aber mit unserem Derivate-Overlay-Management – z. B. mit einer
Absicherung längerer Laufzeiten durch den Einsatz von Zins-Futures – können wir
je nach kurzfristiger Markteinschätzung die Duration auf Gesamtportfolioebene
schnell regulieren.
Staatsanleihen versus Unternehmensanleihen – wie handhabt DJE dieses Thema?
Wir unterscheiden hier zwischen einer strategischen und taktischen Komponente.
Strategisch bauen wir ein breit diversifiziertes Basisportfolio aus Staats- und
Unternehmensanleihen guter Bonität auf. Um zusätzlich Performance zu
generieren, mischen wir punktuell renditestärkere Hochzinsanleihen oder
Fremdwährungsanleihen bei. Taktisch nutzen wir Sondersituationen am Markt und
zeichnen auch regelmäßig Anleihe-Neuemissionen. Dieses Jahr waren allerdings
weniger spannende Neuemissionen von Corporate Bonds zu beobachten, denn viele
Emittenten haben sich bereits im vorigen Jahr die sehr günstigen
Refinanzierungskonditionen langfristig gesichert. Im Portfolio setzen wir
nie zu stark auf einzelne Unternehmenspapiere, sondern sind breit aufgestellt.
Anders ausgedrückt: Mögliche Bonitätsverschlechterungen von Emittenten treffen
uns nicht so stark.
Sind Sie aufgrund der Zinswende vorsichtiger geworden, was Unternehmensanleihen
betrifft?
Wir sehen eine gewisse Umkehr bei Staats- gegenüber Unternehmensanleihen: Die
vergangenen fünf bis sechs Jahre waren bei Staatsanleihen von fallenden
Renditen geprägt. Hier setzten wir stark auf Unternehmensanleihen, wegen ihres
zum Teil erheblichen Renditevorteils. Dieses Jahr hat sich das Verhältnis nun
gedreht, bedingt durch die geopolitischen Risiken, Zinsanhebungszyklen und die
aufkeimende Inflation. Daher schätzen wir das Geschäftsumfeld vieler
Unternehmen nun pessimistischer ein und konzentrieren uns stärker auf
Staatsanleihen. Zudem halten wir aber Liquidität, um bei interessanten
Unternehmenspapieren zugreifen zu können.
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