Mit Blick auf den Mai und die kommenden Monate hält das Strategieteam von DJE mehr Vorsicht für angebracht. Zwar sollten die Zinsen nicht weiter steigen, aber das Zinsniveau dürfte länger hoch bleiben als der Markt erwartet. Außerdem sind die Verzögerungen, mit der die restriktivere Geldpolitik wirksam wird, noch nicht eingepreist.
08.05.2023 | 13:33 Uhr
Viele Börsen haben sich in den ersten vier Monaten des Jahres 2023 gut entwickelt. Die nächsten Monate könnten nun herausfordernder werden. Der Saisonrhythmus von Mai bis Oktober ist oft nicht einfach, und die monetäre Situation ist derzeit unverändert als schwierig einzustufen. Zwar ist aus unserer Sicht nicht mehr mit Zinsanhebungen zu rechnen. Aber mit Blick auf das zweite Halbjahr erscheinen uns die Erwartungen des Marktes, es könne Zinssenkungen geben, zu optimistisch. Dafür ist die Kerninflation noch immer zu hoch und dürfte auch nur langsam zurückgehen. Zudem ist die Kreditvergabe der Banken rückläufig, was die wirtschaftliche Entwicklung bremsen wird. Regional sehen wir Chancen in Asien, vor allem in China und Japan. Außerdem halten wir das Chance-Risiko-Verhältnis von Anleihen mit ansprechender Verzinsung weiterhin für attraktiv.
Fundamental
US-Notenbankpräsident Powell glaubt weiter
an ein „soft landing“ der US-Wirtschaft und nicht an eine Rezession. Wir sind
nicht so optimistisch und halten es aktuell für unwahrscheinlich, dass eine
Rezession in den USA komplett vermieden werden kann. Ein Risikofaktor bleiben
gewerbliche Immobilienkredite, vor allem für die US-Regionalbanken. Probleme im
Bankensektor und eine nachlassende Inflationsdynamik dürften dazu führen, dass
wir nun am Ende des US-Zinserhöhungszyklus angekommen sind. Diese Entwicklung
begünstigt den Technologiesektor. Dieser ist unserer Einschätzung nach absolut
und gegenüber der eigenen Historie nicht zu hoch bewertet, wohl aber hoch
bewertet im Vergleich zu anderen Sektoren.
Auch in Deutschland steigen die Konjunkturrisiken. Gefahr droht nicht zuletzt
vom Immobilienmarkt: Einige Immobilienfirmen könnten in Schwierigkeiten geraten
und damit dann auch Druck auf den Bankensektor ausüben. Die Kreditvergabe der
Banken wird sich verschlechtern, sowohl in den USA als auch in Europa.
Mittelfristig dürfte dies zu schwächeren Frühindikatoren und zu nachlassenden
Gewinnen in einigen Sektoren führen. Ein anderer Sektor dagegen ist für uns in
Deutschland und Europa strukturell interessant: Versorger. Die Strompreise sind
in Deutschland bei weitem nicht wieder so stark zurückgekommen wie etwa die
Gaspreise.
Mit Blick auf 2024 erscheinen uns viele aktuelle Wachstumsprognosen zu
optimistisch: In den aktuellen Prognosen sind die Verzögerungen, mit der die
restriktivere Geldpolitik wirksam wird, noch nicht eingepreist.
Chancen sehen wir derzeit in China: Dort entwickelt sich vor allem der
Service-/Reise-Sektor sehr gut. Im Immobilienmarkt stabilisiert sich die
Situation, und die Preise steigen in vielen Städten/Regionen bereits wieder. Es
dürfte jedoch noch etwas dauern, bis sich die Belebung des chinesischen
Immobilienmarkts auch positiv auf die Rohstoffnachfrage auswirken wird. Darüber
hinaus entwickeln sich chinesische Banken aktuell relativ gut.
Monetär
Die US-Gesamt-Inflation sollte in den
kommenden Monaten weiter rückläufig sein. Auch in der Eurozone dürfte die
Gesamtinflation energiepreisgetrieben fallen. Dagegen dürfte die Kerninflation
- ohne Energie und Nahrung - langsamer zurückgehen. Aufgrund der insgesamt
weiter hohen Kerninflation erscheinen schnelle Zinssenkungen unrealistisch.
Weitere Zinserhöhungen sind in den USA aber ebenfalls unwahrscheinlich.
Generell sieht der Markt die Zinsentwicklung wesentlich optimistischer als die
Mitglieder des US-Offen-Markt-Ausschusses (FOMC) der Zentralbank. Die Zinsen
könnten länger hoch bleiben als heute vom Markt erwartet.Anleihen: Wir bleiben
vorerst weiter bei einer tendenziell eher kurzen Duration. Bei den 10-jährigen
US-Staatsanleihen scheint viel eingepreist (deutlich unter FED-Funds), dagegen
erscheint das Zinsniveau deutscher 10-jähriger mit 2,25 Prozent relativ
unattraktiv. Anleihen mit einer Laufzeit von zwei bis vier Jahren sind unserer
Meinung nach interessanter.
Markttechnisch
Die aktuelle Markttechnik wirkt weiterhin unterstützend für die Börsen. Es
herrscht kein zu großer Optimismus an den Märkten, und es gibt hohe
Short-Positionen auf den breiten US-Aktienindex S&P 500. Das ist positiv,
da die Stimmung bei möglichen schlechten Nachrichten weniger stark in
Enttäuschung umschlagen dürfte. In diesem Zusammenhang ist der stark
ausgeprägte Pessimismus bei Anlegerumfragen der AAI (Association of American
Individual Investors) in den USA ein antizyklisch positives Kaufsignal. Im
Gegensatz zum Vormonat tritt der Saisonrhythmus nun allerdings in eine
schwierigere Periode ein. Es fehlt an Marktbreite: In diesem Jahr wurden bzw.
werden die Aufwärtsbewegungen der Börsen in den USA und Europa von nur wenigen
großen Titeln getragen. Zudem ist die Volatilität niedrig.
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