Vieles spricht dafür, dass die Kurserholung an den Märkten nachhaltig ist und sich weiter fortsetzen kann – und vieles spricht dagegen. Passende Argumente für zwei gegensätzliche Standpunkte.
08.10.2020 | 09:07 Uhr
Die Märkte laufen der
realwirtschaftlichen Entwicklung voraus. Deshalb sind die Kurse in Erwartung
einer deutlichen Wirtschaftserholung schon im Frühjahr gestiegen, als die Lage
noch düster schien. Inzwischen haben sich viele Indikatoren tatsächlich
erheblich verbessert und die Erwartungen für die Zukunft aufgehellt, wie zum
Beispiel der ifo Geschäftsklimaindex zeigt.
Auch die Fundamentaldaten vieler
Unternehmen etwa im DAX erwiesen sich gegenüber den anfangs befürchteten Extremszenarien
als überraschend positiv, wenn man von den am stärksten betroffenen Branchen
wie etwa Touristik absieht. Für den Gesamtmarkt ist Corona inzwischen ein
eingepreister Faktor, der sich nicht unbedingt negativ auswirken muss, solange
sich die Situation nicht wieder erheblich verschlechtert. Das liegt vor allem
daran, dass die beiden größten Asse im Ärmel der Bullen die Politik der
Zentralbanken und die Fiskalpolitik sind. Die Corona-Krise als externes, von
niemandem wirklich verschuldetes Ereignis scheint politisch jedes Mittel zu
rechtfertigen, um die Wirtschaft mit viel Geld anzukurbeln.
Man könnte –
kontraintuitiv – fast meinen, dass je länger die Krise ohne endgültige
medizinische Lösung andauert, desto länger zieht sich die Hausse hin, weil sich
die Märkte praktisch auf die Unterstützung seitens Zentralbank und Politik
verlassen können. Gleichzeitig rechtfertigt dieser Support auch höhere
Aktienbewertungen.
Apropos Bewertungen: Relativ zu Staatsanleihen sind Dividendenpapiere aus Renditesicht ohnehin auch heute noch teils deutlich attraktiver. Denkbar wäre sogar eine besonders starke Hausse wie im Jahr 1999, als nach der Krise und infolge von Zinssenkungen insbesondere bei Technologiewerten ein Höhenflug begann. Es wäre sozusagen der „neue Neue Markt“. Zwar würde das nicht für immer so anhalten, aber auf Sicht von 12 Monaten könnte die entstehende Euphorie durchaus tragen.
Die Märkte sind keine
Einbahnstraße. Es gibt Risiken, die dem bisherigen Kursanstieg und den darin
eingepreisten Erwartungen schnell einen Strich durch die Rechnung machen
können. Ein Argument ist die klassische Saisonalität der Aktienkurse, die bis
Oktober eine erhöhte Gefahr von Kurseinbrüchen mit sich bringt. Dazu passt,
dass einige Sentiment-Indikatoren wie der Fear & Greed Index zuletzt etwas
überhitzt waren. Vor allem aber basiert die bisherige Erholung auf der
Erwartung, dass die Corona-Krise in vielen Bereichen überwunden ist, was die
Auswirkungen auf die Wirtschaft angeht. Das könnte sich als Trugschluss erweisen.
Denn in der Regel treten Grippewellen im Winterhalbjahr auf, das uns dann ab
November bevorsteht. Vielleicht hatten wir bisher einfach nur Glück, dass die
Corona-Welle im April vor allem auch saisonal bedingt abebbte. Ein wichtiger
Punkt ist auch, dass sich die Wirtschaft seit Corona in der digitalen und der
„analogen“ Welt deutlich unterschiedlich entwickelt. Während Unternehmen im
digitalen Bereich im Durchschnitt sogar von der Krise profitieren konnten,
wurden Unternehmen im Bereich der klassischen Industrie zum Teil hart
getroffen.
Man sollte nicht vergessen, dass eine potenzielle Pleitewelle ansteht, die momentan zwar durch Sonderregelungen aufgeschoben, aber wohl nicht aufgehoben ist. Zudem sind gerade in den USA deutlich mehr Menschen arbeitslos als zuvor. Eine Baisse wäre deshalb ein natürlicher Prozess infolge der nach wie vor nicht beendeten Krise, was die Geld- und Fiskalpolitik aber nicht zulassen möchte. Das Ventil hierfür sind höhere Inflationserwartungen. Sollte sich dieses Szenario ergeben und hält die EZB auch nur einigermaßen glaubhaft am Ziel der Geldwertstabilität fest, wäre die Zeit der lockeren Geldpolitik beendet. Das wäre eine herbe Enttäuschung der momentan eingepreisten Erwartung „ewig“ niedriger Zinsen und könnte zu einer echten Baisse führen.
Das Jahr 2020 brachte zuerst neue Allzeithochs im DAX – und anschließend ein neues 5-Jahres-Tief. Zuletzt hatten wieder klar die Bullen das Zepter in der Hand.
Quelle: www.tradesignalonline.com
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