Viele Themen aus dem alten Jahr werden uns auch 2019 beschäftigen: der Leistungsbilanzüberschuss in Deutschland, die katastrophale Brexit-Vorbereitung, die Staatsverschuldung in Italien, das Haushaltsdefizit in den USA. Wie sehen die Perspektiven aus?
27.12.2018 | 10:30 Uhr
Der Leistungsbilanzüberschuss in Deutschland, die katastrophale Brexit-Vorbereitung, der Staatshaushalt in Italien: Vieles, was uns 2018 beschäftigt hat, wird uns auch im neuen Jahr auf Trab halten. Zum Jahresausklang einige Gedanken dazu.
Behält Deutschland seine Wirtschaftspolitik bei, wird das Land dieses Jahr etwa 260 Mrd. EUR an überschüssigen Ersparnissen im Ausland anlegen – und im nächsten Jahr nach Schätzungen der OECD etwa 250 Mrd. EUR. Die Folge ist ein erheblicher Export- und Leistungsbilanzüberschuss. Sollte sich das Wirtschaftswachstum in der Eurozone 2019 stärker als erwartet abschwächen, könnte die Schuldenkrise aufgrund der fragilen Lage wieder zurückkehren, und die davon betroffenen Mitgliedsländer der Europäischen Währungsunion müssten vermutlich wieder mithilfe deutscher Steuergelder gerettet werden.
Wäre es daher nicht eine bessere Politik, die Steuergelder verstärkt für Mehrausgaben in Infrastruktur, Forschung & Entwicklung und Bildung zu verwenden? Damit ließe sich das Wirtschaftswachstum in der Eurozone stabilisieren, Deutschland würde mehr importieren und damit das Wachstum der Nachbarländer stimulieren. Das Risiko einer neuen Schuldenkrise würde sich also minimieren. Im aktuellen Umfeld mit Negativzinsen empfiehlt sich meines Erachtens eine Finanzierung auf Basis neuer Staatsschulden, die ja durch Steuergelder gedeckt sind.
Das erwartete Wirtschaftswachstum in der Eurozone beeinflusst die Prognosen für die Spreads von Unternehmensanleihen stark. Die Revision unserer Wachstumsprognose für 2019 von 1,7 % auf nur noch 1,3 % führt dazu, dass wir die Spread-Prognose von Nichtfinanzunternehmen mit einem BBB-Rating bis Dezember 2019 erhöht haben. Wir erwarten nunmehr ein Spread-Niveau von 116 zum Dezember 2019. Derzeit handeln die BBB-Anleihen auf einem Spread-Niveau von 124. Der Markt für Unternehmensanleihen hat somit das schwieriger gewordene fundamentale Umfeld schon eingepreist.
Credit-Spreads
wieder auf fairen Niveaus
Asset-Swap-Spread
in Bp
Quellen: Thomson Reuters Datastream, Metzler; Stand: 30.11.2018
Warum Großbritannien außerhalb der EU wirtschaftlich erfolgreicher sein sollte als innerhalb, dafür fehlt uns Kontinentaleuropäern die Phantasie. Die britische Politik scheint in dieser Frage von Wunschdenken und rein innenpolitischen Motiven getrieben zu sein. Auch glaube ich, dass die Briten unterschätzen, wie wichtig die EU für Deutschland ist, da Europa und Deutschland nur vereint Gehör in der Welt finden. Um das Überleben der EU zu sichern, wäre Deutschland wahrscheinlich sogar bereit, wirtschaftliche Nachteile in Kauf zu nehmen.
Aber nicht allein die Briten scheinen sich seit 2016 nur noch mit sich selbst zu beschäftigen. Auch die EU kämpft schon lange mit einer Vielzahl politischer Fragen – notwendig wären stärkere Impulse für das Wirtschaftswachstum der Gemeinschaft. Damit droht die EU (und natürlich auch Großbritannien) den technologischen Anschluss an die USA und China zu verlieren.
Interessanterweise sind erst seit diesem Jahr die negativen Folgen des Brexit-Votums auf die britische Wirtschaft zu erkennen. So tendieren die Bruttoanlageinvestitionen in Großbritannien seit dem zweiten Quartal 2017 mehr oder weniger seitwärts, in der Eurozone hingegen weiterhin nach oben. Die hohe Unsicherheit über den Ausgang der Brexit-Verhandlungen belastet also schon jetzt die britische Wirtschaft. Seit der am 11. Dezember verschobenen Abstimmung über den Austrittsvertrag scheint die Unsicherheit bei den Unternehmen nochmals deutlich gestiegen zu sein, sodass sie zunehmend ihre Notfallpläne für einen „harten Brexit“ aktivieren dürften. Mit weiteren schwachen Konjunkturdaten aus Großbritannien ist also zu rechnen.
Erst seit
diesem Jahr sind die negativen Folgen des Brexit auf die UK-Wirtschaft zu
beobachten
Bruttoanlageinvestitionen
(31.3.2016 = 100)
Quellen: Thomson Reuters Datastream, Metzler; Stand: 30.9.2018
Italien und die EU haben sich auf einen Haushalt für 2019 geeinigt. Die EU machte Italien dafür große Zugeständnisse. Grundsätzlich hat die EU derzeit kein Interesse an einem Konflikt mit Italien – vor allem aufgrund der aktuellen Brexit-Verhandlungen. Auch dürften die großen Ratingagenturen Italien auf absehbare Zeit nicht auf „Non-Investment-Grade“ herabstufen, da sie damit offensichtlich eine große Krise auslösen würden. Die Ratingagenturen würden dadurch massiv unter politischen Druck geraten. Die schwache Flanke Italiens ist der Marktzugang. Italien hat wie jedes Mitgliedsland der europäischen Währungsunion die Kontrolle über die eigene Währung aufgegeben, sodass der italienische Staat vollständig von den Kapitalmärkten zur Finanzierung der Staatsschulden abhängt. Italien droht immer mehr das Vertrauen der Finanzmarktakteure und damit den Marktzugang zu verlieren – und zwar aufgrund der populistischen Politik und der Perspektive, dass die Staatsschulden im Trend nicht sinken werden. Es könnte also innerhalb der nächsten 24 Monate zu einem Käuferstreik für italienische Staatsanleihen kommen; die Wahrscheinlichkeit hierfür sehen wirbei 65 %. In diesem Fall spricht vieles dafür, dass Italien im Rahmen eines Krisengipfels die Wirtschaftspolitik im Sinne nachhaltiger Staatsschulden ändert und die anderen Mitgliedsländer der EU weitere Schritte zur finanziellen Integration Europas gehen werden.
Nach Schätzungen der OECD wird sich das Haushaltsdefizit 2019 in den USA auf etwa 7 % des BIP belaufen – etwa 1,3 Billionen USD. Gleichzeitig werden aufgrund der Alterung der Gesellschaft jedes Jahr die staatlichen Leistungen für Gesundheit und Pensionen steigen. Sollte es darüber hinaus tatsächlich 2020 zu einer Rezession kommen, würde das Haushaltsdefizit schnell auf über 10 % des BIP klettern. Die OECD erwartet vor diesem Hintergrund für 2019 eine US-Staatsverschuldung von etwa 110 % des BIP.
Die desolate Verfassung der US-Staatsfinanzen ist wahrscheinlich deshalb zurzeit kein Thema an den Finanzmärkten, weil der US-Dollar stark ist und die US-Inflation niedrig. Außerdem sind die politischen Krisen in Europa viel akuter als die langsam wachsenden US-Staatsschulden.
Abhängig von den politischen Entwicklungen in Europa könnte das Thema der US-Staatsfinanzen im kommenden Jahr zunehmend in den Fokus rücken. Dabei ist es eher unwahrscheinlich, dass die staatliche Überstimulierung der US-Wirtschaft zu merklich steigenden Inflationsraten führt. Vielmehr ist davon auszugehen, dass der US-Dollar aufgrund der unsoliden Fiskalpolitik an Außenwert verlieren könnte.
Frohe Weihnachten und alles Gute für 2019 wünscht
Edgar Walk
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