Pictet: KI-gestützte digitale Pathologie - Neue Wege im Gesundheitswesen

Die KI-gestützte digitale Pathologie verspricht schnellere und genauere Ergebnisse und bessere Krebstherapien.

25.09.2024 | 09:47 Uhr

Jeden Tag sterben mehr als 27.000 Menschen an Krebs, oder anders ausgedrückt: Jeder sechste Todesfall weltweit ist auf eine Krebserkrankung zurückzuführen.1 Our World in Data

Die Behandlung von Krebs erfordert Teamarbeit. Vor allem Pathologen spielen eine immer wichtigere Rolle. Der Input dieser Spezialisten, die hinter den Kulissen Körpergewebe untersuchen, Diagnosen stellen und die Patientenversorgung planen, trägt zu etwa 70 Prozent aller Krankenhausentscheidungen bei.

Das Problem ist, dass es auf der ganzen Welt an Pathologen mangelt. Allein in den USA ist die Zahl der Pathologen zwischen 2007 und 2017 um über 17% zurückgegangen, wohingegen ihr diagnostisches Arbeitspensum um über 41% gestiegen ist.2 Patienten warten mitunter bis zu 60 Tage länger auf den Beginn einer Behandlung, weil die Labore unterbesetzt sind.3 Das Problem hat sich nach Covid weiter verschärft.

Das in Singapur ansässige Startup Qritive versucht, die Arbeitsbelastung mit Hilfe künstlicher Intelligenz zu verringern. Qritive nutzt KI, um grosse Datenbestände zu verarbeiten, was zu schnelleren und genaueren Krebsdiagnosen führt. Das Unternehmen arbeitet mit einem Netz von mehr als 150 Pathologen auf der ganzen Welt zusammen, um die Software für digitale Pathologie zu trainieren, die bereits fast eine halbe Million Bilder analysiert hat.

„In manchen Fällen muss man Millionen von Zellen zählen, um den Quotienten zu ermitteln und den Patienten entsprechend zu behandeln. Meistens ist es eine Schätzung, aber wenn ein Computer zählt, ist das Ergebnis naturgemäss viel genauer“, sagt Mitbegründer Aneesh Sathe.

Zunehmender Personalmangel
Zunehmender Personalmangel

„Minuten statt Wochen“

Die Technologie von Qritive basiert auf Sathes Doktorarbeit an der National University of Singapore.

Sathe, der sich sowohl für Biologie als auch für Informatik begeistert, studierte Mechanobiologie, ein neues Wissenschaftsgebiet, das die Welt der Zellen durch die Linse der Physik und der Technik analysiert.

Bei seiner Forschungsarbeit stellte er fest, wie mühsam der Prozess der biologischen Bildanalyse war. Sathe entwickelte ein Programm, das ihn mit Hilfe von maschinellem Lernen und KI unterstützt.

„Damit konnte die Zeit für die Bildanalyse von drei oder vier Wochen auf 10 Minuten reduziert werden“, erklärt er.

Krankenhäuser davon zu überzeugen, auf das System von Qritive zu setzen, war anfangs eine Hürde für das 2017 gegründete Unternehmen. Es dauerte zwei Jahre, bis Qritive seine ersten Studien veröffentlichte.

Dass Kunden die Tools ein Jahr später in Singapur und dann in einigen der grössten Krankenhäuser Indiens einsetzten, war ein wichtiger Meilenstein für das Startup.

„Es hat gezeigt, dass die Technik machbar ist“, sagt Sathe.

Im Januar 2023 erhielt Qritive Finanzierungsmittel in Höhe von 7,5 Mio. US-Dollar für die Entwicklung neuer Produkte und den Ausbau des Geschäftsbetriebs.

In den USA, wo der Pathologenmangel zunehmend akuter wird, gewinnt Qritive immer mehr an Bedeutung.

Derzeit gibt es in den USA 5,7 Pathologen pro 10.000 Einwohner, aber es wird prognostiziert, dass diese Zahl bis zum Ende des Jahrzehnts auf 3,7 sinken wird.4

Sathe hofft, dass Qritive den Zugang zu diagnostischer Expertise für Krankenhäuser und Patienten in Entwicklungsregionen wie Afrika – wo auf eine Million Menschen nur ein Pathologe kommt – und auch in ländlichen Teilen Europas erleichtern wird.

„In kleineren Städten dauert alles viel zu lange“, sagt er.

„Der Patient muss in ein grosses Krankenhaus in der Stadt geschickt werden, um eine Diagnose zu erhalten. Wenn wir den Zugang zu dieser Versorgung demokratisieren können, sehe ich das als einen Bereich, in dem wir wachsen können.“

Dieser Artikel ist eine überarbeitete Fassung des Originalartikels, der hier abgerufen werden kann.

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